Schicksalstage für «Motor City» Detroit

Sanierungsplan wird geprüft

Schicksalstage für «Motor City» Detroit
Detroit ist eine Stadt im Niedergang. © dpa

Einst war Detroit eine schillernde Metropole. Das ist lange vorbei – die Stadt ist pleite. Nun wird in diesen Tagen darüber entschieden, ob ein Sanierungsplan sinnvoll und für die Gläubiger fair ist.

Wie kaputt ist Detroit, gibt es Hoffnung für Amerikas pleitegegangene «Motor City», die einst schillernde Metropole für die US-Autoproduktion? Auf einer dreistündigen Bustour machte sich Steven Rhodes kürzlich noch einmal persönlich ein Bild von der Lage. Heruntergekommene Häuser in Hülle und Fülle sah er, zerbrochene Fensterscheiben, Farbe, die von den Mauern abblättert. Aber da war auch der Kontrast: Aufgemöbelte Gebäude mit fröhlichem Anstrich, frisch geharkte Gartenanlagen mit kunterbunten Blumen und neue Läden.

Was Rhodes über das Erscheinungsbild von Detroit denkt, ist wichtig. Er ist der Insolvenzrichter, der darüber befinden wird, ob ein Sanierungsplan der Stadt fair für die Gläubiger und «machbar» genug ist, um umgesetzt zu werden - vielleicht schon ab Mitte Oktober. Das mit großer Spannung erwartete Prüfungsverfahren beginnt am Dienstag. US-Medien sprechen von Schicksalstagen für Detroit.

Insolvenz vor einem Jahr

Vor gut einem Jahr hatte die einstige Boomtown Insolvenz beantragt - die bisher größte Städtepleite in der US-Geschichte. Es war eine Kettenreaktion: Rezession, Krise der Autoindustrie, Missmanagement, Korruption und Kriminalität führten Detroit in den finanziellen Ruin, mit einem Schuldenberg von gut 18 Milliarden Dollar (13,7 Mrd Euro). Sieben Milliarden Dollar davon will Detroit nun aus den Büchern streichen. Außerdem sollen 1,4 Milliarden Dollar in den kommenden zehn Jahren zur Aufmöbelung des maroden Stadtbilds ausgegeben werden: für die Infrastruktur, Häuserabriss und Modernisierungen, für die Polizei und Feuerwehr. Detroit soll sicherer, sauberer und effizienter werden - so sieht es der Rettungsplan vor, den Rhodes vorliegen hat.

Das Jahr zwischen Insolvenzantrag und dem eigentlichen Verfahren vor dem Insolvenzrichter war bereits voll mit heftigen Gefechten am Verhandlungstisch und vor Gericht. Es geht nicht nur darum, wie die zahlreichen Anleihegläubiger abgefunden werden sollen, sondern auch um die Pensionen für etwa 30 000 städtische Bedienstete, aktiv und im Ruhestand. Und es geht um die Zukunft von Detroits Kunstschätzen - 66 000 Bildern und Skulpturen des Detroit Institute of Arts, darunter Gemälde von Matisse, Monet und Van Gogh.

Übereinkünfte mit Gläubigern

Unter Vermittlung des vom Staat Michigan eingesetzten Insolvenzverwalters Kevyn Orr sind bereits Übereinkünfte mit vielen Gläubigern erzielt worden. Im Juli nahm die Stadt eine besonders wichtige Hürde: Nach langen Auseinandersetzungen stimmte die Mehrheit der aktiven und pensionierten Stadtbediensteten einer 4,5 prozentigen Kürzung ihrer Ruhestandszahlungen zu.

Die größten Opponenten des Sanierungsplans sind der «Detroit Free Press» zufolge zwei Anleiheversicherer, Syncora und Financial Guaranty Insurance Co. Sie machen demnach vor allem geltend, dass die Pensionäre mit den relativ milden Kürzungen bei weitem besser wegkämen als sie selbst. Sie rechnen vor, dass sie gerade mal mit sechs Cent für jeden Dollar der insgesamt 1,4 Milliarden an Anleihen abgefunden werden sollen, die sie versichert haben.

Die beiden Finanzunternehmen wollen auch nicht einsehen, warum die Stadt nicht ihre Kunstschätze verkauft, deren Wert der «Detroit Free Press» zufolge auf 4,6 bis 8,1 Milliarden Dollar geschätzt wird. Aber die Stadt beharrt darauf, dass sie rechtlich die Kunstwerke gar nicht verkaufen dürfe. Ihr Rettungsplan sieht aber einen Transfer der Gemälde und Skulpturen in die Hände einer unabhängigen wohltätigen Treuhandgesellschaft vor.

Im Gegenzug soll die Stadt über 20 Jahre verteilt insgesamt 816 Millionen Dollar von privaten Stiftungen, Museumsförderern und vom Staat Michigan erhalten. Und dieses Geld wurde bei der Festlegung der Pensionskürzungen mit einkalkuliert: Sonst wären diese Einschnitte größer ausgefallen.

Experten erwarteten, dass Rhodes bis Mitte Oktober entscheidet. Die Stadt auf die Beine zu stellen, wird kein leichtes Unterfangen. Die Einwohnerzahl ist von 1,8 Millionen in den 1950-ger Jahren auf knapp 700 000 geschrumpft, Tausende Häuser stehen leer. Die Arbeitslosigkeit liegt weit über dem Landesdurchschnitt, und die Kriminalitätsrate gehört zu den höchsten in den USA. Jetzt, so zitierte die «Detroit Free Press» Richter Rhodes, wird eine Gerichtsprozedur «über die Zukunft der Stadt Detroit entscheiden». (dpa)

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