«Wir setzen auf das Kältemittel, das sicher ist»

Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber

«Wir setzen auf das Kältemittel, das sicher ist»
Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber. © Daimler

Der Autobauer Daimler setzt weiter auf das Kältemittel R134a. Im Interview mit der Autogazette zeigt sich Entwicklungsvorstand Thomas Weber zuversichtlich, mit den Behörden zu einer Einigung zu kommen.

Der Autobauer Daimler befürchtet trotz der Verwendung des nicht mehr erlaubten Kältemittels R134a in der Mercedes A- und B-Klasse keinen Widerruf der Typzulassung für diese Modelle. «Wir sind davon überzeugt, dass wir den richtigen Weg gehen. Deshalb setzen wir weiter auf R134a, das aus unserer Sicht derzeit einzige verfügbare und sichere Kältemittel», sagte Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber im Interview mit der Autogazette.

«Verstecken uns nicht hinter Richtlinien»

Die Tests unter so genannten Real-Life-Bedingungen mit dem neuen von der EU vorgeschriebenen Kältemittel R1234yf hätten gezeigt, dass mit ihm eine Brandgefahr bestehe. «Entsprechend füllen wir dieses Mittel nicht in unsere Autos ein. Die Sicherheit unserer Kunden hat höchste Priorität. Wenn ein Risiko für unsere Kunden besteht, müssen wir verantwortlich handeln statt uns hinter Richtlinien zu verstecken», fügte Weber hinzu.

Mit Blick auf die ab Sommer auf den Markt kommende Mercedes S-Klasse sagte Weber, dass man derzeit mit den Behörden darüber diskutiere, wie man mit Blick auf deren Zulassung verfahre. Mit einer finalen Entscheidung rechne er in den kommenden Wochen. «Wir gehen jedoch davon aus, dass die Behörden den sicheren Weg wählen werden. Es kann meiner Ansicht nach nicht das Ziel einer Behörde sein, uns in punkto Gesetzeserfüllung in die Pflicht zu nehmen, dabei aber die Sicherheit der Kunden außer Acht zu lassen.»

«Sicherheit unserer Kunden hat Priorität»

Die neue Mercedes A-Klasse
Die Mercedes A-Klasse Daimler

Autogazette: Herr Weber, entgegen geltenden Rechts verzichtet Daimler wegen Sicherheitsbedenken auf den Einsatz des von der EU vorgeschriebenen Kältemittels R1234yf in der Mercedes A- und B-Klasse. Befürchten Sie einen Widerruf der Typzulassung für diese Modelle?

Thomas Weber: Nein, das befürchte ich nicht. Wir sind davon überzeugt, dass wir den richtigen Weg gehen. Deshalb setzen wir weiter auf R134a, das aus unserer Sicht derzeit einzige verfügbare und sichere Kältemittel. Unsere Tests unter Real-Life-Bedingungen haben gezeigt, dass mit dem neuen Kältemittel eine Brandgefahr besteht. Entsprechend füllen wir dieses Mittel nicht in unsere Autos ein. Die Sicherheit unserer Kunden hat höchste Priorität. Wenn ein Risiko für unsere Kunden besteht, müssen wir verantwortlich handeln statt uns hinter Richtlinien zu verstecken.

Autogazette: Woher nehmen Sie ihre Zuversicht? Die EU-Kommission hat gerade eine Gnadenfrist für die Einführung des Kältemittels R1234yf abgelehnt.

Weber: Zunächst einmal hat die EU-Kommission die Verlängerung des bestehenden Moratoriums abgelehnt. Das ist auch korrekt, denn dieses wurde aufgrund von Lieferschwierigkeiten erlassen, die inzwischen nicht mehr bestehen. Wir spüren von Tag zu Tag mehr Zustimmung für unsere Entscheidung. Es gibt Anhörungen in Berlin und Brüssel, bei denen das Risiko durch den Einsatz des neuen Kältemittels inzwischen breit diskutiert wird. Es geht jetzt darum, einen Weg zu finden, wie diese Pattsituation aufgelöst werden kann – und den definieren die Behörden und wir unterstützen sie dabei.

Autogazette: Läuft Ihnen dafür nicht die Zeit davon?

Weber: Nein, wir sind zuversichtlich, dass uns die Behörden für dieses sehr sensible Thema die dafür erforderliche Zeit geben. Zudem führen wir Gespräche mit anderen Herstellern, die die Problematik ähnlich sehen, zumindest dann, wenn man sich mit ihnen hinter verschlossenen Türen unterhält.

«Setzen auf das Kältemittel, das sicher ist»

Die Mercedes B-Klasse Daimler

Autogazette: Beschönigen Sie die Situation nicht? Die bisherigen Statements aus Brüssel deuten doch nicht darauf hin, dass man hier Ihren Sonderweg gutheißt. Eine Gnadenfrist jedenfalls gibt es nicht.

Weber: Ich würde hier nicht von Gnadenfrist sprechen. Schließlich geht es um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. Richtig ist, dass die EU auf ein Schreiben der deutschen Regierung geantwortet hat. Darin hat die Behörde auch darauf hingewiesen, dass weitere Untersuchungen für eine fundierte Risikoeinschätzung notwendig seien. Es wird spannend sein zu sehen, welche Fakten die anderen Hersteller mit Blick auf das neue Kältemittel präsentieren, wenn es bei ihnen um die Zulassung neuer Modelle geht.

Autogazette: Welche Zeit benötigen Sie, um eine Alternative auf den Weg zu bringen?

Weber: Welche Zeit dafür notwendig sein wird, ist final noch zusammen mit den Behörden zu klären.

Autogazette: Welches Kältemittel werden Sie denn in der neuen Mercedes S-Klasse einsetzen, die im Sommer auf den Markt kommt?

Weber: Derzeit diskutieren wir mit den Behörden, wie wir aufgrund der neuen Faktenlage mit Blick auf die Zulassung der neuen S-Klasse verfahren. Mit einer finalen Entscheidung wird in den nächsten Wochen zu rechnen sein. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Behörden den sicheren Weg wählen werden. Es kann meiner Ansicht nach nicht das Ziel einer Behörde sein, uns in punkto Gesetzeserfüllung in die Pflicht zu nehmen, dabei aber die Sicherheit der Kunden außer Acht zu lassen. Solange es keine Alternative gibt, setzen wir auf das Kältemittel, das sicher ist und das in Millionen von Fahrzeugen weltweit eingesetzt wird.

Autogazette: Wie verhalten Sie sich denn, wenn die Behörden entgegen der von Ihnen skizzierten Faktenlage Daimler zur Verwendung des neuen Kältemittels für die neue S-Klasse auffordert?

Weber: Davon gehe ich nicht aus. Wir werden kein Kältemittel in unsere Autos einfüllen, das aus unserer Sicht eine Gefahr für unsere Kunden darstellt.

«Sind in Gesprächen mit anderen Herstellern»

Autogazette: Als Daimler im Oktober vor dem Autosalon Paris bekannt gab, dass man das neue Kältemittel nicht verwenden wird, gab es hinter vorgehaltener Hand Kritik anderer Hersteller. Sind Sie mit Ihrer Haltung isoliert?

Weber: Nein, keineswegs. Wir sind in konstruktiven Gesprächen mit den anderen Herstellern. Wenn es ein Problem gibt, dann kann man es nicht einfach aussitzen, vor allem dann nicht, wenn es die Sicherheit unserer Kunden betrifft. Das hat für uns immer oberste Priorität. Andere Hersteller glauben zum Teil noch in einer bequemeren Position zu sein, da sie noch abwarten können, bevor sie ihr nächstes Modell zertifizieren müssen.

Autogazette: Was soll der Kunde von einer Industrie halten, die sich auf ein neues Kältemittel verständigt, aber erst kurz vor der Einführung erkennt, dass es nicht sicher ist?

Weber: Vielleicht müssen wir uns als Hersteller selbstkritisch fragen, ob wir uns zu schnell auf Tests verlassen haben, die uns den sicheren Einsatz dieses neuen Kältemittels bescheinigt haben. Doch nachdem wir neue Erkenntnisse hatten, haben wir bei Daimler darauf sofort reagiert. Und wie man in vielen Internetforen nachlesen kann, wird dies von den Kunden durchaus honoriert.

Autogazette: Haben Sie schon eine Alternative zum Kältemittel R1234yf? Der ADAC spricht sich ja für CO2 als alternatives Kältemittel aus.

Weber: Wir wollen mehr denn je vermeiden, hier zu einem Schnellschuss zu kommen. Derzeit sind wir dabei, auch mit der Unterstützung des VDA, Alternativen zu finden. Am Ende des Tages will ich nicht ausschließen, dass CO2 uns als Kältemittel den Weg aus dieser Sackgasse weist.

Autogazette: Wie lange wird es dauern, bis Sie eine Alternative präsentieren können?

Weber: Das muss im Laufe dieses Jahres geklärt werden. Ich will klar festhalten: Wir spielen hier nicht auf Zeit, wir wollen gemeinsam mit den anderen Herstellern zu einem Ergebnis kommen. Uns ist klar, dass das nicht im Alleingang, sondern nur zusammen mit den Behörden wie dem KBA und den europäischen Behörden erreicht werden kann.

Das Interview mit Thomas Weber führte Frank Mertens

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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