«Unter Gentlemen finden wir eine Lösung»

Interview Daimler-Entwicklungsvorstand Weber

Der Zeitplan zur Einführung des C02-Grenzwertes von 120 Gramm bis 2012 müsse überdacht werden, fordert Thomas Weber. Diese Vorgabe könne erst drei Jahre später erfüllt werden, sagte der Entwicklungs-Vorstand von Daimler der Autogazette.

Thomas Weber setzt in der Auseinandersetzung mit Audi wegen einer möglicherweise unberechtigten Nutzung der BlueTec-Technologie auf eine außergerichtliche Einigung. «Es ist doch nicht so, dass wir komplett verstritten wären miteinander. Aber wenn unsere Technik verwendet wird, dann erwarten wir auch, dass unsere Rechte respektiert werden», sagte der Entwicklungsvorstand von Daimler im Interview mit der Autogazette. «Unter Gentlemen werden wir hier eine Lösung finden, ohne dass wir die Gerichte bemühen müssen», fügte Weber hinzu.

Ziel nicht vor 2015 erreichbar

Nach dem Aus der Biosprit-Verordnung E10 fordert Weber die Politik unterdessen auf, den Zeitplan zur Einführung des C02-Grenzwertes von 120 Gramm pro Kilometer bis 2012 zu überdenken.«Wir sind entschlossen, diese Vorgaben zu erreichen. Allerdings kann dieses Ziel aus unserer Sicht nicht vor 2015 erreicht werden, da rund 60 Prozent der Autos aller Hersteller, die 2012 auf den Markt kommen werden, heute bereits entwickelt sind.»

«Ziel nicht vor 2015 erreichbar»

Autogazette: Herr Weber, kann die deutsche Autoindustrie nach dem Aus der Biokraftstoff-Verordnung E10 die Vorgaben aus Brüssel noch erfüllen, den C02-Ausstoß bis 2012 auf 120 Gramm pro Kilometer zu reduzieren?

Thomas Weber: Wir sind entschlossen, diese Vorgaben zu erreichen. Allerdings kann dieses Ziel aus unserer Sicht nicht vor 2015 erreicht werden, da rund 60 Prozent der Autos aller Hersteller, die 2012 auf den Markt kommen werden, heute bereits entwickelt sind. Nach der politischen Diskussion zum Thema E10 muss man über den Zeitplan nachdenken.

Autogazette: In wie fern muss man über den Zeitplan nachdenken?

Weber: Es geht ja nicht um den Wegfall der Biokraftstoffe, sondern um das entsprechende Einführungsszenario. Außerdem ist noch nicht entschieden, was auf europäischer Ebene mit den Beimischungsquoten geschieht. Wir brauchen einen harmonisierten Ansatz zwischen Deutschland und den restlichen europäischen Staaten. Insbesondere einige der nach Deutschland importierten Fahrzeuge vertragen den erhöhten Ethanolanteil im Sprit derzeit noch nicht. Ich habe aber keinen Zweifel, dass wir zu einem gleitenden Anstieg der Biokraftstoffe kommen werden.

Autogazette: Ist es aufgrund der schlechten Ökobilanz der Biokraftstoffe der ersten Generation und der Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise notwendig, die Biokraftstoff-Strategie der Bundesregierung zu überdenken?

«Begrüßen E10-Initiative»

Der Mercedes GLK Foto: Mercedes

Weber: Wir haben immer die Strategie verfolgt, auf Kraftstoffe der zweiten Generation zu setzen. Gleichzeitig aber begrüßen wir die E10-Initiative. Wenn man neue Wege beschreitet, muss man natürlich darauf achten, dass sie nicht in die falsche Richtung führen und auch das Timing stimmt.

Autogazette: Biokraftstoffe der ersten Generation sind eine solche falsche Richtung?

Weber: Nein. Doch die Forderungen, schnellstmöglich zu einer Beimischungsquote von zehn Prozent zu kommen, gehören korrigiert. Wir brauchen dringend einen gleitenden Übergang von Biokraftstoffen der ersten Generation, die im Wettbewerb zur Nahrungsmittelkette stehen, hin zur zweiten Generation.

Autogazette: Engagieren Sie sich deshalb auch beim Biokraftstoffwerk Choren, das gerade in Betrieb genommen wurde?

Weber: Ich bin sehr froh, dass dieser erste Schritt in Richtung einer Großproduktion dieses Zukunftskraftstoffs getan ist. Aber natürlich wird es noch seine Zeit brauchen, bis im sächsischen Freiberg und in anderen Werken ausreichende Mengen produziert werden können.

«Viele weitere Chorens notwendig»

Der Mercedes SL Foto: Mercedes

Autogazette: Braucht es nicht schnellstmöglich viele weitere solcher Werke?

Weber: Absolut, viele weitere Chorens sind notwendig. Schließlich leistet dieser Kraftstoff einen wichtigen Beitrag hinsichtlich der Ökobilanz. Zudem wird die Diskussion zu einem Umdenken bei der Mineralölindustrie beitragen, die sich bisher bei diesem Thema doch sehr zurückgehalten hat. Shell ist als erstes Unternehmen bei Choren bereits eingestiegen.

Autogazette: Wird sich Daimler außer bei Choren noch bei anderen Partnern engagieren?

Weber: Wir werden nicht in Konkurrenz zur Mineralölindustrie treten, sondern uns auf unsere Kernaufgabe konzentrieren. Doch ich will nicht ausschließen, dass wir uns in diesem Bereich weiter engagieren werden, um die Entwicklung, Produktion und schnelle Markteinführung von Biokraftstoffen der zweiten Generation zu fördern.

Autogazette: Das Klimapaket der EU sieht bis 2020 einen Biosprit-Anteil von zehn Prozent vor. Sollte an dieser Strategie festgehalten werden?

Weber: Auf jeden Fall. Mit Blick auf Deutschland hätten wir das sogar schon bis 2010 hinbekommen können. Nun wäre es schön, wenn man aus der Diskussion der letzten Wochen lernt. Es kann doch nicht sein, dass man Wälder abholzt, damit wir Material für die Produktion von Biokraftstoffen haben. Was gemacht wird, muss unter nachhaltigen ökologischen Gesichtspunkten erfolgen.

«Ziel gemeinsam erreichen»

Der Mercedes CLC Foto: Daimler

Autogazette: Wer trägt die Verantwortung für die Schuld am Aus von E10?

Weber: Es geht hier nicht um Schuldvorwürfe. Es geht darum, dass man daraus lernt, den Zeitplan überdenkt und das Ziel gemeinsam auf europäischer Ebene erreicht.

Autogazette: Bis 2009 soll auch die Beimischungsquote beim Diesel von fünf auf sieben Prozent angehoben werden. Erwarten Sie die gleichen Probleme wie beim E10?

Weber: Wichtig ist nur, dass man auch bei diesem Thema rechtzeitig alle Beteiligten an einen Tisch holt. Wir müssen nun den Weg konsequent weitergehen, von einer erdölbasierten Mobilität zu einer nachhaltigen Mobilität zu kommen. Und dazu müssen wir beides - Benzin- und Dieselkraftstoff - adressieren.

«Kann nicht nur mit einer Technologie auskommen»

Thomas Weber präsentiert ein Bionic-Car. Foto: dpa

Autogazette: Gibt es für Sie bei den Alternativen Antrieben einen Königsweg? Der Hybrid wird es wohl kaum sein.

Weber: Dafür ist die Welt zu komplex und die Ansprüche unserer Kunden zu verschieden. Ein Hersteller, der weltweit erfolgreich sein will, kann nicht mit nur einer Technologie auskommen.

Autogazette: Sie verfolgen ja ein Dreisäulenmodell...

Weber: Ja, wir setzen auf nachhaltige Effizienzsteigerungen bei Verbrennungsmotoren, und deren Hybridisierung sowie auf Brennstoffzellen- und Batteriefahrzeuge. Unsere Strategie ist klar: Bereits heute werden alle Fahrzeuge auf den Hybrideinsatz vorbereitet.

Autogazette: Sie werden 2009 die M- und die S-Klasse serienmäßig als Hybridmodell auf den Markt bringen. Warum zunächst nur für den US-Markt?

Weber: Der Hybrid ist eine global einsetzbare innovative Technologie. Wir werden jedoch unser Angebot an den jeweiligen Marktgegebenheiten und Kundenanforderungen ausrichten. Welche Variante wir in welchem Land anbieten werden, ist noch nicht final entschieden.

Autogazette: Was bedeutet Serienfertigung mit Blick auf die Stückzahl?

Weber: Mit einem flexiblen Produktionskonzept hinsichtlich Fahrzeug- und Hybridkomponenten bereiten wir uns darauf vor, auf künftige Marktanforderungen schnell reagieren zu können und zwar mit den entsprechenden Stückzahlen.

Autogazette: Von wie vielen Autos reden wir?

Weber: Wir werden sehen, wohin die Wünsche unserer Kunden gehen und wie hoch die Bereitschaft ist, für ein solches Auto und die innovative Technologie einen entsprechenden Preis zu bezahlen.

Autogazette: Wie teuer wird ein solches Auto sein?

Weber: Das werden wir zum geeigneten Zeitpunkt kommunizieren. Aber wenn es für den Kunden ein attraktives Gesamtpaket ist, das Sprit spart und Zusatzfunktionen bietet, wird er sicher dazu bereit sein, auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Autogazette: Wann wird Daimler denn den kombinierten Diesel- und Elektroantrieb einführen? Bei der nächsten E-Klasse 2010?

Weber: Wann genau das sein wird, steht noch nicht fest. Dass wir einen BlueTEC-Hybrid bringen werden, ist aber klar.

«Wettbewerb ist nicht Maß der Dinge»

Der GLK BlueTec-Hybrid Foto: Daimler

Autogazette: Die Konkurrenz zeigt sich überrascht von dem Weg eines Diesel-Hybrids, weil es die aufwändigste und teuerste aller Technologien ist.

Weber: Der Wettbewerb ist für uns nicht das Maß der Dinge. Der Kunde erwartet von Mercedes immer etwas Besonderes. Und für eine innovative Technologie wie bei einem BlueTEC-Hybrid zahlt er gerne auch gern etwas mehr.

Autogazette: Was ist dran an den Gerüchten, dass Daimler eine Patentklage gegen Audi wegen einer angeblich unerlaubten Nutzung der BlueTEC-Technologie einreichen will?

Weber: Es ist doch nicht so, dass wir komplett verstritten wären miteinander. Aber wenn unsere Technik verwendet wird, dann erwarten wir auch, dass unsere Rechte respektiert werden: Unter Gentlemen werden wir hier eine Lösung finden, ohne dass wir die Gerichte bemühen müssen.

Autogazette: Kam der Ausstieg von Audi aus dem BlueTEC-Zusammenschluss für Sie überraschend?

Weber: Wir haben diese Entscheidung nicht verstanden. Ich bin überzeugt, bei der globalen Dieseloffensive müssen wir eng zusammen arbeiten. Die saubere Dieseltechnologie, die wir BlueTEC nennen und die jeder Hersteller auch anders nennen kann, ist eine unabdingbare Notwendigkeit, um die nachhaltige Mobilität nach vorn zu treiben.

Das Interview mit Thomas Weber führte Frank Mertens

Keine Beiträge vorhanden