Verlobung aus Vernunft

Kooperation zwischen Daimler und Renault-Nissan

Daimler will mit einer Kooperation mit Renault-Nissan gleich mehrere Probleme lösen. Das neue Dreigestirn hat unterschiedliche Erfahrungen mit Allianzen gemacht.

Von Hans-Hermann Nikolei und Bernd Glebe

Eine neue “Ehe im Himmel” ist es nicht, eher eine Verlobung aus Vernunftgründen. Die Auto-Allianz mit Renault und Nissan soll gleich mehrere drängende Probleme von Daimler-Chef Dieter Zetsche auf einen Streich lösen. Im Fokus: Kosten drücken und attraktive Modelle im immer wichtiger werdenden Kompaktwagensegment auf den Markt bringen. Im Gegenzug stellen die Stuttgarter Motoren ihrer großen Modelle zur Verfügung. Renault und Nissan könnten nach Ansicht von Experten außerdem vom Premium-Image von Mercedes profitieren.

Überschaubares Risiko

Zetsche steht stark unter Druck. Er muss eine tragfähige Zukunftsstrategie präsentieren, um den Autobauer nach dem Abrutschen in tiefrote Zahlen wieder auf Kurs zu bringen. Finanzchef Bodo Uebber kündigte zudem jüngst an, dass die Schwaben weiter jeden Cent umdrehen werden, um die Kosten zu drücken.

Dass Daimler mit der Kooperation nun erneut auf dem Weg zu einem finanziellen Husarenritt ist, ist nicht zu erwarten. Die Autobauer wollen sich über eine gegenseitige Kapitalbeteiligung in Höhe von lediglich rund drei Prozent an einander binden. Damit ist das Risiko - anders als bei der transatlantischen Auto-Ehe mit Chrysler - überschaubar. Positiv könnte sich bei dem neuen Bündnis dagegen auswirken, dass der französische Autobauer Renault und der japanische Konzern Nissan bereits seit 1999 eine enge Allianz bilden.

Kulturelle Eigenständigkeit

Während Zetsche sich in den USA mit Chrysler eine blutige Nase holte, schmiedete Renault-Chef Carlos Ghosn mit den Japanern die erfolgreichste globale Verbindung im Autobereich. Der im Libanon geborene Brasilianer mit französischem Pass ist auch Nissan-Chef. Er führte mit großem Erfolg die globalen Strategien und Technologien der Schwesterkonzerne zusammen. Dabei propagierte er - anders als Daimler bei Chrysler oder davor auch bei Mitsubishi - die kulturelle Eigenständigkeit der Partner.

Konkret könnte sich die Zusammenarbeit zwischen Daimler und Renault-Nissan auf den Austausch von Fahrzeugkomponenten und eine gemeinsame Produktionsplattform für Renault-Modelle und die künftigen Varianten der Daimler A- und B-Klasse und den smart beziehen. Außerdem dürfte es eine engere Kooperation bei Lieferwagen und abgasarmen Motoren geben. Renault hat viel in den Elektromotor investiert, Daimler in Hybridantriebe. Nissan soll zudem für seine großen Modelle Daimler-Motoren nutzen können.

Notwendige Kehrtwende

Experten gehen nun davon aus, dass Daimler alleine bei der gemeinsamen Entwicklung einer Neuauflage des smart-Viersitzers rund 500 Millionen Euro einsparen kann. Mindestens genauso wichtig ist jedoch der lange angekündigte und nun endlich vollzogene Strategiewechsel im Kompaktwagensegment.

Der Anteil von Kleinwagen an den Gesamtverkäufen in Europa stieg nach Angaben des Auto-Experten Willi Diez von knapp 33 Prozent im Jahr 2000 auf 45 Prozent 2009. Alleine beim einstigen Hoffnungsträger smart gingen aber die Verkaufszahlen im Vorjahr um 18 Prozent und in den ersten drei Monaten dieses Jahres um fast ein Drittel zurück. Durch die Zusammenarbeit mit den neuen Partnern könnte bei dem City- Flitzer nun die dringend notwendig Kehrtwende geschafft werden. Im Gegenzug könnte Daimler jetzt Renault helfen, im Motorenbau und bei Plattformen für Lieferwagen und Stadtautos die für stabile Gewinne nötigen Stückzahlen zu erreichen. Auch die Franzosen hatten im vergangenen Jahr tiefrote Zahlen eingefahren.

"Stiller Partner" in Paris

Daimler muss bei der Allianz allerdings mit einem "stillen Partner" rechnen: dem französischen Staat. Ghosn hat Renault zwar zum globalisiertesten europäischen Autobauer gemacht, der vier von fünf Autos im Ausland fertigt. Doch das brachte ihm heftige Schelte der Regierung ein. Als Ghosn in der Bankenkrise Kredithilfen brauchte, half Präsident Nicolas Sarkozy ihm mit drei Milliarden Euro aus der Klemme. Und er macht das Staatssäckel für die Elektroautos auf, auf die Ghosn Renaults Zukunft setzt.

Im Gegenzug sichert sich Sarkozy direkten Einfluss auf den Autobauer: Er entsendet zwei interventionsfreudigere Staatsvertreter in den Verwaltungsrat. Dazu sollen zwei "Unabhängige von Sarkozys Gnaden" kommen. Der Staat zieht zudem in Renaults Strategieausschuss ein. Industrieminister Christian Estrosi zeigte Ghosn und Zetsche schon vor der für diesen Mittwoch erwarteten offiziellen Unterzeichnung ihrer Partnerschaft Grenzen auf. Frankreich fordere, dass das Bündnis Arbeitsplätze in Frankreich schaffe, sagte er. Außerdem müsse der Staat mit 15 Prozent größter Renault-Aktionär bleiben. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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