Sparkurs: Unruhe bei Daimler zum Jahreswechsel

Sparkurs: Unruhe bei Daimler zum Jahreswechsel
Daimler-Chef Ola Källenius. © dpa

Der Autobauer Daimler muss sparen – und Tausende Stellen abbauen. Bei den Beschäftigten herrscht zum Jahreswechsel Unruhe.

Statt Weihnachtsfrieden gab es diesmal Galgenhumor zum Fest – und neue Spitznamen für die Daimler-Chefs. «Sankt NikOLAus und Knecht Porthrecht», beschwerten sich Betriebsräte vor den Feiertagen, seien mit Rute und goldenem Sparbuch unterwegs, um die Belegschaft zu bestrafen.

Das Unternehmen, schrieben sie, «versohlt den artigen Beschäftigten kräftig den Hintern». Auch wenn solch markige Worte auf Arbeitnehmerseite zum Handwerk gehören, ist ziemlich offensichtlich: Beim Stuttgarter Autobauer hängt der Haussegen schief.

Prämie fällt aus

Dass nicht alles bleiben kann, wie es ist, ist zwar allen klar. Als Reaktion auf die Corona-Krise hatten Arbeitnehmer und Management erst im Herbst unter anderem eine Reduzierung der Arbeitszeit in einigen Bereichen vereinbart. Auch die jährliche Prämie fällt 2021 aus. Aus Sicht der Belegschaft aber überspannen der Vorstandsvorsitzende Ola Källenius und sein Personalchef Wilfried Porth den Bogen inzwischen. Zu viele Zahlen und zu wenig die Menschen im Blick, so der Vorwurf. Von «Sparwahn» ist die Rede.
Daimler steckt viel Geld und Energie in seine Elektroauto-Familie, entsprechend steht vor allem die Zukunft der Motorenwerke in Berlin und am Konzernsitz in Stuttgart-Untertürkheim im Fokus.

Erst Ende November hatte das Management damit gedroht, die Entwicklung wichtiger Zukunftstechnologien doch nicht in Untertürkheim anzusiedeln, wenn der Betriebsrat weiter auf früheren Zusagen zur Auslastung des Standorts beharre. Die Arbeitnehmervertreter fühlten sich erpresst, eine Entscheidung wurde ins neue Jahr verschoben. In Berlin gingen vor knapp drei Wochen Hunderte Beschäftigte auf die Straße, weil sie um ihre Jobs fürchten. Zusammen mit der IG Metall karrten die Betriebsräte waschkörbeweise Protestpost vor die Konzernzentrale in Stuttgart.

Transformationsfonds für Jobsicherung

Ein sogenannter Transformationsfonds hat die Wogen zuletzt wieder etwas geglättet. Eine Milliarde Euro zusätzlich soll unter anderem dazu dienen, Jobs an den Standorten zu sichern, die am stärksten von der Transformation betroffen sind. Zuvor waren schon bis zu 1000 Euro Corona-Bonus für die Beschäftigten in Deutschland angekündigt worden.

Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht, der dem Management zeitweise Beratungsresistenz vorgeworfen hatte, schlägt versöhnliche Töne an. «Nach den teils öffentlich geführten emotionalen Diskussionen über die Zukunft unserer Standorte in den vergangenen Wochen befinden wir uns wieder in konstruktiven Gesprächen», sagt er. Die Corona-Pandemie mit allen ihren Auswirkungen beschleunige die Transformation, und natürlich müsse man dabei zunächst die Ausgaben im Blick haben. «Allerdings dreht es sich dabei gefühlt immer um die Personalkosten. Das macht den Menschen Angst», sagt Brecht.

Mahnung an Konzernchef

Källenius spreche immer von einem Marathon, den es zu bewältigen gelte. Dann solle er aber auch daran denken, sich die Kraft gut einzuteilen, mahnt der Gesamtbetriebsratschef. Es wäre aus seiner Sicht ein Fehler, die Menschen, die den Marathon mitrennen sollen, zu schwächen und ihre Leistung anzuzweifeln. «Der Vorstand kann alleine kein Rennen gewinnen – verlieren schon», sagt Brecht.

Mit dem Ziel, die Kosten zu drücken, hat Källenius seit seinem Amtsantritt im Mai 2019 tatsächlich ein beachtliches Tempo vorgelegt. Mindestens 15.000 Stellen, eher deutlich mehr, sollen wegfallen, auch weil die Sparpläne wegen der Corona-Krise noch mal nachgeschärft wurden.

Das Produktionsnetz im Pkw-Bereich wird ausgedünnt. Das Smart-Werk in Hambach, einst deutsch-französisches Prestigeprojekt, hat Källenius verkauft. Auch in Brasilien baut Mercedes-Benz künftig keine Autos mehr. Eine Kooperation mit dem chinesischen Großaktionär Geely soll die Entwicklung von Motoren effizienter machen. Im Truck-Bereich paktiert man bei der Brennstoffzellentechnik mit Volvo und bei autonomen Lastwagen mit der Google-Schwester Waymo.

Start-up-Schmiede verkauft

Die Ideen- und Start-up-Schmiede Lab1886 hat Daimler dagegen größtenteils verkauft. Und dass als nächstes zumindest Teile der gemeinsam mit BMW betriebenen Mobilitätsdienste an der Reihe sein könnten, darüber wird zumindest hartnäckig spekuliert. Die teure Kooperation mit der Münchner Konkurrenz bei der Entwicklung autonomer Autos liegt ohnehin schon länger auf Eis.

So schwer es für die Arbeitnehmer auch ist: Daimler muss da durch, meint der Branchenexperte Stefan Reindl. «Es geht nur über die Kosten oder über den Ertrag. Beides nimmt Källenius jetzt in Angriff», sagt Reindl, der das Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen leitet. Källenius will stärker auf das Thema Luxus und die oberen Enden der Segmente setzen, wo mehr Geld pro Auto zu verdienen ist. Ein guter Plan, der funktionieren könne, findet auch Reindl. Aber auch ein langwieriges Projekt. «Die Kostenseite ist dagegen kurzfristig beeinflussbar – insbesondere über Personalkosten», sagt er.

Die Daimler-Belegschaft hält der Experte ebenso wie die Anleger für erfolgsverwöhnt. «Källenius muss strikt an den Maßnahmen festhalten», rät er – auch wenn das nicht heiße, dass das Management nicht weiterhin auf die Arbeitnehmer zugehen sollte. «Konfrontation ist nicht erfolgversprechend.» (dpa)

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