«Dacia ist ein Beitrag zum Wohlstand des Landes»

Uwe Hochgeschurtz, Chef Renault Deutschland

«Dacia ist ein Beitrag zum Wohlstand des Landes»
Uwe Hochgeschurtz, Chef von Renault Deutschland © Renault

Dacia hat mit einem Wachstum von 34,7 Prozent ein sehr gutes erstes Quartal abgeschlossen. Uwe Hochgeschurtz, Vorstandsvorsitzender der Renault Deutschland AG, blickt im ersten Teil des Interviews mit der Autogazette optimistisch auf den weiteren Jahresverlauf.

Die Zahlen vom Abwrackjahr 2009, das für Dacia zum absoluten Rekordjahr avancierte, liegen trotz eines glänzenden ersten Quartals 2017 in weiter Ferne. Uwe Hochgeschurtz sieht die Renault-Tochter trotzdem auf einem sehr guten Weg. Die Zahlen seien «das Ergebnis guter Produkte und eines klaren Plans. Es ist kein Erfolg, der vom Himmel fällt. Ganz wichtig ist, dass die bestellten Fahrzeuge verfügbar waren. Die Zahlen resultieren aus einer marktgerechten und kundengerechten Planung», sagte der Vorstandsvorsitzende der Renault Deutschland AG im Interview mit der Autogazette.

Dass das Wachstum von 34,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gänzlich ohne neues Modell eingefahren wurde, veredelt die Zahlen weiter. Trotz der guten Verkäufe sieht Hochgeschurtz keinen Grund, neue Modelle einzuführen, nur weil sie im Konzernregal der Renault-Nissan-Allianz zur Verfügung ständen. «Man muss schon genau schauen, ob und welches Produkt zu welchem Preis man auf den Markt bringt. Bis jetzt haben wir bei Dacia alles richtig gemacht. Darüber sind wir sehr froh.»

Veränderung des Dacia-Kundenverhaltens

Zudem habe eine Veränderung des Kundenverhaltens auch zur einer Veränderung der Marke geführt. «In den ersten Jahren stand der Preis noch mehr im Vordergrund. Und bestimmte Elemente waren auch noch teurer und viel weniger demokratisiert. Hier hat doch eine starke Entwicklung stattgefunden», so Hochgeschurtz weiter.

Gut zwölf Jahre nach dem Marktstart beherbergen die Dacia-Modelle Features wie eine Rückfahrkamera, die vor einer Dekade in einem Dacia noch undenkbar wären. Doch auch hierbei bleibt die Philosophie der Marke laut Hochgeschurtz unangetastet. «Wir bleiben auch mit den nun eingesetzten Features unserer Linie treu: Immer zum günstigsten Preis des Marktes.»

«Eines der besseren Jahre für Dacia»

Der Dacia Sandero ist der Bestseller bei der rumänischen Renault-Tochter
Der Dacia Sandero setzte sich an die interne Verkaufsspitze AG/Flehmer

Autogazette: Herr Hochgeschurtz, werden bei Dacia angesichts eines mehr als guten ersten Quartals mit einem Wachstum von 34,7 Prozent gegenüber den ersten drei Monaten 2016 Reminiszenzen an das Jahr der Abwrackprämie 2009 wach?

Uwe Hochgeschurtz: Erstmal freuen wir uns über die aktuellen, sehr positiven Verkaufszahlen. Sie sind das Ergebnis guter Produkte und eines klaren Plans. Es ist kein Erfolg, der vom Himmel fällt. Ganz wichtig ist, dass die bestellten Fahrzeuge verfügbar waren. Die Zahlen resultieren aus einer marktgerechten und kundengerechten Planung. Man kann sagen, dass wir mit der Marke Dacia auf dem richtigen Weg sind.

Autogazette: 2009 wurden rund 82.500 Modelle des Sandero und des Logan verkauft. Sind das Zahlen, die Ihnen vorschweben?

Hochgeschurtz: Was mir vorschwebt, ist, dass der Kunde ein gutes Angebot für ein gutes Produkt erhält, mit dem er über viele Jahre zufrieden ist. Das ist meine Idealvorstellung. Zahlen sagen dem Kunden nicht wirklich etwas. Natürlich möchte keiner ein nicht erfolgreiches Modell kaufen. Aber wir sollten nicht das Jahr 2009 als Maßstab nehmen. Das waren damals außergewöhnliche Zustände, die wir hoffentlich – im Sinne der Finanzkrise – nicht noch einmal erleben werden.

Autogazette: 2016 avancierte zum zweiterfolgreichsten Jahr für Dacia in Deutschland mit 51.000 neu zugelassenen Einheiten. Strebt die Marke in diesem Jahr – auch angesichts des sehr guten ersten Quartals - nun dem zweitbesten Jahr entgegen?

Hochgeschurtz: Es gibt in der Autoindustrie ein wenig die Tradition, dass auf ein gutes erstes Quartal gute Steigerungsraten im gesamten Jahr folgen. Ob es nun das zweit- oder drittbeste wird, kann man natürlich noch nicht voraussehen. Voraussichtlich wird auch dieses Jahr eines der besseren Jahre für Dacia. Und das alles ohne ein ganz neues Produkt.

«Bedürfnisse in Sachen Komfort und Sicherheit steigen»

Dacia hat dem Sandero viel Wertigkeit zukommen lassen
Eine Rückfahrkamera wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar AG/Flehmer

Autogazette: Mit neuen oder überarbeiteten Modellen zogen auch technische Neuerungen wie z. B. die Rückfahrkamera ein. Vor zehn Jahren wäre das doch undenkbar gewesen?

Hochgeschurtz: Die Marke Dacia bietet immer das, was der Kunde braucht. Auch der Kunde von 2005 oder 2006 hat sich verändert. Angebote wie die Rückfahrkamera oder ein Doppelkupplungsgetriebe werden heute nachgefragt. Wir werden natürlich auch in Zukunft darauf achten, dass unsere Fahrzeuge technische Elemente an Bord haben, die der Kunde nachfragt. Insbesondere Features, die sicherheitsrelevant und umweltrelevant sind. Und da kann natürlich auch das ein oder andere Komfortfeature dabei sein.

Autogazette: Hat bei den Kunden ein Wandel stattgefunden weg vom Fortbewegungsmittel, das von A nach B fährt?

Hochgeschurtz: Die Kunden haben gemerkt, dass auch ein günstiges Fahrzeug durchaus Komfortelemente beinhalten kann, die man heute in einem Auto haben möchte. Wir gehen mit der Zeit und jedes Jahr ändern sich und steigen die Bedürfnisse in Sachen Komfort und Sicherheit. Hier gehen wir als Marke Dacia die Entwicklung mit, zumal wir über den Konzern die Möglichkeiten haben, diese Elemente zu verbauen.

Autogazette: 2005 waren diese Elemente aber auch schon vorhanden und wurden nicht eingebaut . . .

Hochgeschurtz: . . . in den ersten Jahren stand der Preis noch mehr im Vordergrund. Und bestimmte Elemente waren auch noch teurer und viel weniger demokratisiert. Hier hat doch eine starke Entwicklung stattgefunden. Dabei bleiben wir auch mit den nun eingesetzten Features unserer Linie treu: Immer zum günstigsten Preis des Marktes. Und wichtiger ist, dass die Kunden wissen, dass der Restwert mit einigen Komfort- oder Sicherheitselementen noch höher ist . . .

«Privatkundenanteil von Dacia liegt bei 90 Prozent»

Das Dacia Duster Concept feierte Premiere in Genf 2009
Dacia hat einen Ausblick auf den neuen Duster getätigt Dacia

Autogazette: Die Restwerte von Dacia sind ja traditionell hoch . . .

Hochgeschurtz: . . . Dacia ist heute Restwert-Weltmeister. Und mit weiteren Ausstattungselementen steigt der Restwert überproportional.

Autogazette: Gibt es denn überhaupt viele Dacia als Gebrauchtwagen?

Hochgeschurtz: Nein, das Angebot ist recht sehr niedrig. Die Dacia-Kunden sind sehr zufrieden und wollen sich nicht von dem Auto trennen. Viele Kunden fahren ihren Dacia durchaus etwas länger als die durchschnittlichen vier oder fünf Jahre. Es gehen auch wenige Fahrzeuge an Flotten oder laufen als Vermietgeschäfte, die nach kurzer Zeit wieder auf dem Markt wären. Der Dacia Privatkundenanteil liegt bei 90 Prozent, sodass dass das Marktangebot per se reduziert ist. Und durch das reduzierte Angebot steigen die Preise ebenso wie der Restwert.

Autogazette: Ist es eigentlich für das Autoland Deutschland ein schlechtes Zeichen, wenn sich immer mehr Menschen für ein günstiges Auto entscheiden?

Hochgeschurtz: Ich denke, es ist ein sehr gutes Zeichen für Deutschland, wenn wir Kunden, die bisher Gebrauchtwagen gekauft haben, heute ein nagelneues Fahrzeug mit drei Jahren Garantie anbieten können. Das fördert den Wohlstand, das erhöht die Sicherheit und reduziert die Emissionen. Das ist sehr positiv. Ein Land hat durchaus Interesse an einem relativ neuen Fahrzeugbestand. Es ist also ein Beitrag zum Wohlstand des Landes.

«Pickup für Dacia-Kunden nicht relevant»

Dacia hat den Logan MCV Stepway zu mehr Bodenfreiheit verholfen
Der Dacia Logan MCV Stepway befriedigt Offroad-Ambitionen Dacia

Autogazette: Zudem sorgen neue oder überarbeitete Modelle für frischen Wind. Wird es in naher Zukunft neue Baureihen oder Modelle geben, um den Anteil am neuen Fahrzeugbestand zu erhöhen?

Hochgeschurtz: Wir haben die Stepway-Varianten ausgebaut und gesehen, dass es nicht nur interessant ist, neue Technologien und Komfortelemente in den Autos zu verbauen, sondern auch mit einem interessanten Design wie bei den Offroad-Modellen zu punkten. Die Schwelle ist ja nicht mehr der Preis, sondern die Frage, ob das Auto in zwei oder drei Jahren noch gefällt. Und da sind die Stepway-Modelle ein weiterer Anreiz für die potenziellen Kunden.

Autogazette: Renault bietet demnächst den Alaskan an, ein Pickup wäre doch auch prädestiniert für Dacia?

Hochgeschurtz: Ein Pickup im Eintonnen-Segment ist für den Dacia-Kunden eher nicht relevant. Wir haben mit dem Dokker schon ein erfolgreiches Nutzfahrzeug-Modell auf dem Markt. Man muss schon genau schauen, ob und welches Produkt zu welchem Preis man auf den Markt bringt. Bis jetzt haben wir bei Dacia alles richtig gemacht. Darüber sind wir sehr froh.

Autogazette: Würde ein günstiges und trendiges Mini-SUV nicht in die Palette passen?

Hochgeschurtz: Da sind wir mit unseren Stepway-Modellen gut vertreten, die dieses SUV-Feeling suggerieren. Gerade da haben wir einen sehr hohen Anteil . . .

Autogazette: . . . der bei etwa 60 Prozent liegt . . .

Hochgeschurtz: . . . die Stepway Varianten bieten genau die richtige Portion SUV, die ein Dacia braucht.

«Dacia nicht die Marke, die Elektroautos auf den Markt bringt»

Der Renault Zoe schafft nun 400 Kilometer mit einer Ladung
Ein Elektroauto wie der Zoe steht bei Dacia nicht auf dem Programm Renault

Autogazette: Die Marke Dacia ist also erst einmal in sich geschlossen?

Hochgeschurtz: Wir sind nie in uns geschlossen. Wir sind immer auf dem progressiven Weg zu schauen, was der Markt will. Wir überlegen uns auch, was wir im Bereich Motoren und Getriebe in Zukunft bringen werden, auch wenn ich Ihnen dazu nichts sagen kann. Aber wenn es neue Bedürfnisse gibt, werden wir reagieren – und zwar relativ kurzfristig . . .

Autogazette: . . . durch den Griff ins Konzernregal . . .

Hochgeschurtz: . . . die Allianz Renault-Nissan verfügt heute über fast alle Technologien in fast allen Märkten. Von daher sind wir in der Lage, alles anzubieten, was der Kunde verlangt.

Autogazette: Renault ist ein Vorreiter bei Elektrofahrzeugen. Ist dieses Konzept nicht auch auf Dacia übertragbar, sodass die Marke das in Deutschland günstigste Elektrofahrzeug anbieten könnte?

Hochgeschurtz: Renault hat mit dem Zoe bereits das mit Abstand günstigste und in Deutschland bestverkaufte Elektroauto. Kurz- und mittelfristig gesehen ist Dacia nicht die Marke, die Elektroautos auf den Markt bringt.

Autogazette: Ist für Dacia in Deutschland angesichts einer sich scheinbar verändernden Mobilität ein Carsharing-Angebot vorstellbar?

Hochgeschurtz: Sicher gibt es immer mehr Kunden, die ein Auto nicht besitzen möchten, sondern nur mieten – kurzfristig, mittelfristig oder langfristig. Da gibt es einen Trend, der klar erkennbar ist, den man aber auch nicht überschätzen darf. Wir sammeln derzeit mit Renault Erfahrungen mit einigen Carsharing-Projekten in Frankreich. Unser Basisgeschäft bleibt aber die Entwicklung, Produktion und der Verkauf von Automobilen.

Das Interview mit Uwe Hochgeschurtz führte Thomas Flehmer

Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie am Freitag

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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