Kleine und Dünne bei Unfällen im Nachteil

Unfallstudie des ADAC

Kleine und dünne Menschen müssen bei Unfällen mit schweren Verletzungen rechnen. Der ADAC fordert deshalb die Entwicklung von Sicherheitssystemen, die auch Personen außerhalb der Normmaße schützt.

Wer wenig wiegt oder besonders klein ist, ist im Falle einer Frontalkollision mit dem Auto der große Verlierer. So lässt sich das aktuelle Ergebnis der Auswertung von 5 000 schweren Unfällen durch den ADAC zusammenfassen. Demnach müssen ältere Insassen, Frauen sowie Passagiere, die leichter und kleiner sind als der 1,75 Meter große und 75 Kilogramm schwere "Norm-Dummy", bei einem Unfall viel häufiger mit schweren oder gar lebensgefährlichen Folgen rechnen. Der ADAC fordert deshalb jetzt die Entwicklung "intelligenter" Gurtsysteme und Airbags, die sich auf Personen außerhalb der Normmaße einstellen, um sie besser zu schützen.

Belastungsfähigkeit von Älteren nimmt ab

Die vom Automobilclub vorgelegten Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Im Vergleich gegenüber den 18- bis 35-Jährigen, die einen Frontal-Crash noch am besten wegstecken, steigt das Risiko schwerer Verletzungen bei den über 55-Jährigen um 14 Prozent, bei über 75-Jährigen sogar um 22 Prozent. Der Grund liegt neben der auf Normpersonen ausgerichteten Rückhaltesysteme auch am "Menschen" selbst: Bei älteren Personen nimmt die Belastungsfähigkeit des Gewebes, der Organe und des Skeletts speziell im Bauch, Brust- und Beckenbereich deutlich ab. Auch Kinder und Jugendliche trifft es bei einer Kollision härter: Bei 12- bis 18-Jährigen steigt das Verletzungsrisiko um fünf Prozent gegenüber der Normgruppe.

Außerdem haben die Experten bei 62 Prozent der verunfallten Frauen schwere Verletzungen im Brustkorbbereich festgestellt. Bei Männern liegt der Anteil mit 46 Prozent deutlich niedriger. Statistisch gesehen ist das Verletzungsrisiko für das sogenannte "schwache Geschlecht" also um 1,4 mal höher als bei den Männern. "Daran ist die einseitige Auslegung der Gurtstraffer auf das Gewicht des Durchschnittsmenschen schuld", erklärt Volker Sander, Leiter der ADAC-Crash-Test-Anlage. Außerdem neigten Frauen eher dazu, nahe am Lenkrad zu sitzen, wie dies von Fahrsicherheitsexperten aufgrund des besseren Kontakts zum Lenkrad generell auch empfohlen wird.

Das Problem: In dieser Position kriegt der Fahrer die volle Wucht von Gurt und Airbag zu spüren. Die Beschleunigungswerte am Brustkorb entsprechen in Modernen Autos im Durchschnitt der 50-fachen Erdbeschleunigung. Zum Vergleich: Das sind mehr als dreimal so viel wie ein Jet-Pilot im Schleudersitz aushalten muss. Und dass Frauen im Alltagsleben öfter als Männer in kompakten Zweitwagen unterwegs sind, die über weniger Knautschzone im Frontbereich verfügen, macht die Sache noch schlimmer.

Neue Gurtkraftbegrenzer gefordert

Der ADAC fordert daher von Automobilherstellern und -zulieferern neue, adaptive Gurtkraftbegrenzer, Gurtstraffer und weitere Technikdetails einzuführen, die die bei einem Unfall freigesetzten Kräfte beispielsweise über einen "Gurt-Airbag" besser steuern. Das von Mercedes-Benz im Jahre 2009 in einem Versuchsfahrzeug vorgestellte System aktiviert einen Aufblaskörper im Gurtband, der nach seiner Auslösung die Kraft auf eine größere Fläche verteilt. Das schont die Rippen, die dann nicht mehr so leicht brechen.

Solange solche Systeme aber noch nicht Serie sind, sollten Autofahrer die jetzt schon vorhandenen Verstellmöglichkeiten nutzen. So raten Fahrsicherheitstrainer dazu, die korrekte Positionierung von Lenkrad, Sitz, Gurt und Kopfstützen vor jeder Fahrt genau zu prüfen und bewusst an den eigenen Körper anpassen. Schon dadurch ließen sich viele schlimme Verletzungen verhindern, was nicht nur der Unfallstatistik, sondern vor allem den Insassen zugute käme. (mid)

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