«PSA als größter Importeur bis 2015 realistisch»

Citroen Deutschland-Chef Holger Böhme

«PSA als größter Importeur bis 2015 realistisch»
Citroen Deutschland-Chef Holger Böhme © Citroen

Trotz monatelanger schlechter Absatzzahlen peilt PSA Peugeot Citroen die Importeursspitze in Deutschland an. Im Interview mit der Autogazette spricht Citroen Deutschland-Chef Holger Böhme über neue Zugpferde, Kundenloyalität und die Zukunft des Elektroautos C-Zero.

PSA Peugeot Citroen peilt in Deutschland bis 2015 die Spitze der Importeure an. «Das würde ich schon als realistisch ansehen. Peugeot hat jetzt einen Modellwechsel mit 208, 208 GTi, 2008 und bald auch dem 308 vor sich und wird dann deutlich besser aufgestellt sein. Und wir haben mit dem C4 Picasso und Grand C4 Picasso neben dem Berlingo einen neuen Volumenträger und weitere, spannende Modelle stehen an. Da werden wir Stückzahlen machen», sagt Citroen Deutschland-Chef Holger Böhme im Interview mit der Autogazette.

«Schwierig, den Rückstand aufzuholen»

Seit Monaten kämpfen die beiden Marken indes mit Negativ-Nachrichten aus Frankreich wie Massenentlassungen und Werksschließungen und in Deutschland mit kräftigen Verlusten. Mit der Einführung des neuen C4 Picasso am 15. Juni sowie einer besseren Anpreisung des Kleinstwagens C1 soll eine Trendwende geschafft werden, auch wenn Böhme vorsichtig bleibt. «Wenn das erste Halbjahr nicht so gut gelaufen ist, ist es immer schwierig, den Rückstand aufzuholen. Wir werden aber alles geben und schauen, was am Ende erreicht wird.»

Bereits jetzt findet eine Fokussierung mit dem Elektroauto C-Zero statt. Nach zwei Verkäufen im April und fünf verkauften Einheiten im Mai in Deutschland wird das Elektroauto hauptsächlich für das Carsharing-Geschäft benötigt. «Die Kunden sind in diesem Segment extrem preissensibel, fast nur aus dem Gewerbekundenbereich. Für uns liegt aber wirklich der Focus auf 'Multicity', weil wir dort mit den potentiellen Kunden in Kontakt kommen. Und 'Multicity' kommt in Berlin so gut an, dass wir unsere Flotte auf 350 Fahrzeuge aufgestockt haben.» Zudem gibt es Pläne, Multicity auch auf andere Städte auszuweiten.

«Zinsen sind im Wettbewerbsvergleich zu hoch»

Autogazette: Herr Böhme, wie häufig haben Sie in den vergangenen Monaten auf die Zahlen ihres früheren Arbeitgebers Seat geschaut?

Böhme: Ich schaue mir jeden Monat die Zahlen aller Autohersteller sehr genau an und freue mich über die Performance von Seat mit ihren vielen neuen Modellen – und das Ganze mit extrem guten Finanzierungskonditionen der Volkswagen-Bank oder extrem gepaarten Leasingraten. Das führt irgendwann zum Erfolg.

Autogazette: Während die spanische VW-Tochter in den ersten vier Monaten ein Plus von 32,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum einfuhr, liegt die Ausbeute von Citroen bei einem Minus von 24,7 Prozent. Was macht Seat scheinbar richtig, was Citroen scheinbar falsch macht?

Böhme: Es gibt mehrere Ursachen und wir beschäftigen uns mit jeder intensiv: Zum einen haben wir aktuell ein Finanzierungsthema, die Zinsen sind im Wettbewerbsvergleich zu hoch.

Autogazette: Ist das alles damit erklärbar?

Böhme: Zudem hatten wir einen Streik in dem Werk, in dem der C3 gebaut wird und erhielten deshalb nur sehr wenige Fahrzeuge. Das ist ein sehr starkes Segment für uns. Dort haben uns dann 1000 bis 1500 Fahrzeuge gefehlt, die wir hätten verkaufen können. Außerdem ist es im Einstiegssegment mit neuen Wettbewerbern deutlich enger geworden. Dort verkauften wir früher 700 bis 800 C1, jetzt sind es 300 bis 400. Zusätzlich haben wir den Bestand an jungen Gebrauchtwagen konsolidiert und sind bei den Autovermieter-Geschäften zurückhaltender. Das sind die wesentlichen Punkte. Ansonsten laufen Berlingo oder die DS-Reihe sowie unsere Nutzfahrzeuge gut . . .

«Citroen C4 Picasso ein richtiges Zugpferd»

Neue Motoren spendiert Citroen der C4 Picasso-Familie.
Hohe Erwartungen liegen auf dem Citroen C4 Picasso AG/Flehmer

Autogazette: . . . bei der DS-Reihe aber nur der DS3 . . .

Böhme: Beim DS5, der letztes Jahr erst eingeführt wurde, werden wir sicherlich etwas länger brauchen. Das Fahrzeug ist sicherlich nichts für Jedermann, zudem ist es zwischen den Segmenten positioniert. Wir sind beim DS5 auf Akquise bei anderen Herstellern angewiesen – sprich Audi, BMW oder Volvo. Und das dauert naturgemäß länger. Und wir müssen aggressiver unterwegs sein, wir werden bei den Raten sicher noch nachlegen. Ich bin optimistisch, dass wir mit dem DS5 noch viele Käufer finden werden.

Autogazette: Was muss denn noch passieren, damit sich der Kurs bei Citroen Deutschland wieder wendet?

Böhme: Beim C3 ist der Streik beendet und die Produktion läuft wieder an, sodass wir schon mehr Einheiten wieder zum Verkaufen erhalten. Mit dem neuen C4 Picasso haben wir ein richtiges Zugpferd, weil natürlich im Modell-Auslauf nicht mehr viel passiert ist. Und beim C1 werden wir uns etwas einfallen lassen, um uns besser aufzustellen – wahrscheinlich über einen guten Barpreis.

100.000 Fahrzeuge unter aktuellen Marktvoraussetzungen nicht realisierbar

Besonders die Panorama-Frontscheibe beigeistert beim Citroen C3.
Lieferschwierigkeiten gab es beim Citroen C3 Citroen

Autogazette: Anfang des Jahres wurden 65.400 Pkw und 11.300 Nutzfahrzeuge sowie ein Marktanteil von 2,33 Prozent als Ziel ausgegeben. Haltbar scheinen diese Zahlen für dieses Jahr nicht mehr zu sein?

Böhme: Es hängt jetzt viel von dem neuen Picasso ab und natürlich wie schnell wir beim C3 wieder lieferfähig sind, um eine Trendwende hinzubekommen. Aber man muss sagen: wenn das erste Halbjahr nicht so gut gelaufen ist, ist es immer schwierig, den Rückstand aufzuholen. Wir werden aber alles geben und schauen, was am Ende erreicht wird.

Autogazette: Sie haben im vergangenen Jahr das Ziel ausgegeben, bis Ende 2014 100.000 Fahrzeuge zu verkaufen. Steht dieses Ziel noch auf einen längeren Zeitraum betrachtet?

Böhme: Unter den derzeitigen Marktvoraussetzungen mit Marktrückgängen von rund zehn Prozent werden wir die Stückzahl sicher nicht schaffen.

Autogazette: Angesichts des flauen Geschäftes dürfte die Ankündigung des mittlerweile ehemaligen PSA-Deutschlandchef Olivier Dardart, bis 2015 größter Importeur in Deutschland mit beiden Marken zu sein, auch eher unrealistisch sein?

Böhme: Das würde ich schon als realistisch ansehen. Peugeot hat jetzt einen Modellwechsel mit 208, 208 GTi, 2008 und bald auch dem 308 vor sich und wird dann deutlich besser aufgestellt sein. Und wir haben mit dem C4 Picasso und Grand C4 Picasso neben dem Berlingo einen neuen Volumenträger und weitere, spannende Modelle stehen an. Da werden wir Stückzahlen machen . . .

Autogazette: . . . die anderen Mitbewerber in diesen Segmenten auch . . .

Böhme: . . . sicher hängt es auch von Renault/Dacia oder Skoda, vielleicht noch Hyundai/Kia ab.

«Umzug von Peugeot hat sich ausgewirkt»

Der aufgefrischte Citroen Berlingo bewährt sich als Lademeister.
Der Berlingo ist in Deutschland Citroens Bestseller Citroen

Autogazette: Durch die Krise hat sich Citroen in Deutschland erstmals Peugeot angenähert. 17.147 verkaufte Citroen standen nach dem April 17.173 Peugeot gegenüber. Ist das ein Ziel, die mittlerweile ebenso in Köln ansässige Schwester zu überholen?

Böhme: Erfolg definieren wir daran, wo wir im Markt stehen und nicht, ob vor oder hinter den Kollegen von Peugeot. Man freut sich natürlich, wenn man gute Zahlen macht, auch wenn sie im Vergleich nicht wirklich gut sind. Wir sehen für uns perspektivisch ein Potenzial um die 2,3 oder 2,4 Prozent Marktanteil

Autogazette: Hat der Umzug von Peugeot von Saarbrücken nach Köln das Deutschland-Geschäft beeinflusst?

Böhme: Ja, der Umzug hat sich ausgewirkt. Sicherlich hat Peugeot Volumen durch die Aufgabe des Standortes Saarbrücken verloren. Zudem verließen viele Mitarbeiter das Unternehmen wie bei uns auch. Die Unruhe und die Reorganisation waren und sind bis jetzt auch noch spürbar, weil auch intern noch nicht alle Prozesse optimal laufen.

Autogazette: Wann wird die Prozessabstimmung beendet sein?

Böhme: Wenn wir im September im neuen Gebäude alle unter einem Dach sitzen, werden auch die Prozesse besser funktionieren.

Autogazette: Gibt es eine gemeinsame Strategie, die Talfahrt zu beenden?

Böhme: Jede Marke ist eigenständig aufgestellt. Wir haben zwar zwei, drei Produkte, die ähnlich sind, aber ansonsten unterscheidet sich das Angebot. Natürlich profitieren beide Marken von den Synergien und natürlich werden beide Marken nicht gegeneinander kämpfen. Das haben wir aber mittlerweile ganz gut im Griff.

Viele schlechte Nachrichten dämpfen Kauflust

Das Citroen DS3 Cabrio wird am 8. März in den deutschen Markt eingeführt.
Das 3er Cabrio verstärkt die DS-Baureihe von Citroen AG/Flehmer

Autogazette: Früher gab es viele Liebhaber des französischen Stils, die selbst technische Hindernisse bei den Produkten in Kauf genommen haben. Doch die Kundenloyalität schwindet. Ist das für Sie das größte Problem

Böhme: Die Loyalität ist von 54 auf 44 Prozent geschwunden, was uns ein absolutes Rätsel ist, vor allem, weil wir bei der nächsten Auswertung wieder um vier, fünf Punkte nach oben gingen. Da müssen wir noch genauer analysieren, denn solche Sprünge passieren normalerweise nicht in diesem Ausmaß.

Autogazette: Werden die Vorlieben der Deutschen gegenüber französischen Modellen weniger?

Böhme: Ich denke eher, dass die vielen schlechten Nachrichten nicht dazu geführt haben, unbedingt ein französisches Produkt zu kaufen. Es sind ja mehrere Produkte auf dem Markt. Und da haben wir sicher einige Kunden verloren. Deshalb müssen wir in Zukunft gute Unternehmensnachrichten bringen und der derzeitigen Spirale entfliehen, dann wird sich alles beruhigen. Außerdem finden wir ja auch viele neue Kunden, die Quote beim DS3 liegt z. B. bei über 60 Prozent.

Autogazette: Die Qualität bei Citroen hat sich gesteigert, doch das Image ist in Deutschland mehr oder weniger unverändert geblieben. Wie lange dauert es, bis das geänderte Image beim Kunden ankommt?

Böhme: Am Beispiel der neuen DS-Reihe haben wir einen Riesenschritt gemacht. Zum einen in der Anmutung außen wie innen. Das kann man auch auf die C-Reihe anwenden. Da müssen wir uns nicht verstecken und sind inzwischen sogar deutlich besser als andere. Und bei der Langzeitqualität liegen wir zum Beispiel mit dem C1 oder dem Picasso auf vorderen Plätzen. Von uns aus ist das auf den Weg gebracht, was länger dauert, ist die Kundenwahrnehmung.

Elektroauto-Fokus auf Carsharing-Programm

Citroen steigt ins Carsharing-Geschäft ein.
Der C-Zero kommt vor allem beim Carsharing zum Einsatz Citroen

Autogazette: Von dem C-Zero wurden im April ganze zwei Exemplare verkauft, fünf im Mai. Ist das ein Ausdruck, dass der Elektrohype am untersten Level in Deutschland angekommen ist und nur noch im Carsharing-Programm "Multicity" verwendet werden kann?

Böhme: Die Kunden sind in diesem Segment extrem preissensibel, fast nur aus dem Gewerbekundenbereich. Für uns liegt aber wirklich der Focus auf "Multicity", weil wir dort mit den potentiellen Kunden in Kontakt kommen. Und "Multicity" kommt in Berlin so gut an, dass wir unsere Flotte auf 350 Fahrzeuge aufgestockt haben.

Autogazette: Das Programm soll auch auf andere Städte ausgeweitet werden?

Böhme: Wir prüfen, ob wir in anderen Städten Elektroautos anbieten oder auch DS3. Denn andere Städte sind mit der Ladeinfrastruktur noch nicht ganz auf dem Stand.

Autogazette: Sie selbst sind im vergangenen Monat durch die Umbesetzung von Dardart ins höchste deutsche Amt von Citroen gerückt. Fühlen Sie sich angesichts des Niedergangs wie auf einem Schleuderstuhl?

Böhme: Ich sehe es positiv, weil ich nun direkt an unseren Generaldirektor Frederic Banzet berichte und mit ihm direkt die Themen durchsprechen kann, um Citroen wieder auf Kurs zu bringen.

Autogazette: Decken sich die Vorgaben von Banzet mit den deutschen Zielen?

Böhme: Unsere vorhin angesprochenen vier Themen mit C4 Picasso, C3, C1 und die Bank sind auch ihm bekannt, um einen Umschwung einzuleiten. Wir werden versuchen, im zweiten Halbjahr stärker durchzustarten, als wir das im ersten gemacht haben.

Das Interview mit Holger Böhme führte Thomas Flehmer

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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