Zulieferer Brose profitiert vom E-Bike-Boom

Eine Million E-Antriebe in Berlin produziert

Zulieferer Brose profitiert vom E-Bike-Boom
Cargo-Bikes werden in Großstädten immer beliebter. © Brose

Die Corona-Pandemie hat viele Menschen das Rad neu entdecken lassen. Insbesondere E-Bikes erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Von diesem Boom profitiert nicht nur die Fahrradbranche, sondern auch Zulieferer wie Brose.

Manchmal haben Krisen auch etwas Gutes. Das trifft auch auf die Finanzkrise 2009 zu. Sie hat dafür gesorgt, dass viele Unternehmen ihr Geschäftsmodell hinterfragt haben. Sind wir gut aufgestellt? Sind wir zukunftsfähig? Wo gibt es Felder, die wir für uns erschließen können?

Es sind Fragen wie diese, die sich damals nicht nur Firmen aus der Finanzbranche gestellt haben. Auch beim Autozulieferer Brose mit Hauptsitz in Coburg hat man sich das gefragt. Der Zulieferer gehört zu den großen mittelständischen Unternehmen der Branche und hat nach Feldern Ausschau gehalten, die Wachstumsmöglichkeiten bieten. „Da wir als Mechatronik-Spezialist bereits damals viel mit Motoren zu tun hatten, haben wir uns gefragt, wie wir diese Kompetenz nutzen können“, erinnert sich Thomas Leicht.

Eine Million E-Bike-Antrieb produziert

Brose hat in Berlin im März gerade eine Million E-Bike-Antriebe produziert. Foto: Brose

Das Ergebnis dieser Überlegungen war die Gründung der E-Bike-Sparte in Berlin im Jahr 2014. Brose ist seiner Kernkompetenz treu geblieben. Entsprechend fertigt man in seinem Werk in der Sickingenstraße in Berlin-Moabit keine Fahrräder, sondern die Antriebe für E-Bikes. Der 60-jährige Leicht – der seit über 25 Jahren bei Brose beschäftigt ist – leitet die Division E-Bike-Systeme seit 2019. Sie hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Unternehmensbereich entwickelt. Welchen Deckungsbeitrag die E-Bike-Sparte zum Konzernergebnis beisteuert, verrät er nicht. „Aber eines kann ich sagen: die Aufmerksamkeit, die unserem Geschäft im Unternehmen zuteil wird, ist überproportional zu unserer Größe.“

So hat die E-Bike-Sparte Anfang März gerade ihren millionsten E-Antrieb gefertigt. Das nimmt sich im Vergleich zu den Produktionszahlen der Autosparte von Brose – hier werden jährlich weit über 100 Millionen E-Motoren beispielsweise für Fensterheber produziert und zugekauft – bescheiden aus. „Doch unsere Wachstumsraten sind enorm“, sagt Leicht. Kein Wunder: Dass, was die SUVs für die Autobranche sind, sind die E-Bikes für die Fahrradbranche: Ein Boomsegment.

Bundesweit 1,95 Millionen E-Bikes abgesetzt

Thomas Leicht leitet die Division E-Bike-Systeme bei Brose. Foto: Brose

So wurden im Jahr 2020 in Deutschland 1,95 Millionen E-Bikes abgesetzt. Damit kommen sie mit Blick auf den Gesamtabsatz des Fahrradmarktes auf einen Anteil von 38,7 Prozent, wie aus Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) hervorgeht. Und das Wachstum geht weiter. Prognosen des Europäischen Radverbandes CONEBI gehen davon aus, dass im Jahr 2025 europaweit 11 Millionen E-Bikes pro Jahr verkauft werden, berichtet Leicht. „Es findet derzeit alle 5 Jahre eine Verdopplung der Stückzahlen statt.“

Der Grund für dieses Wachstum liegt auch in der Corona-Krise. Sie hat dafür gesorgt, dass viele Deutsche das Rad für sich neu entdeckt haben – und immer mehr Kunden auch das E-Bike. Davon profitiert Brose mit seinen besonders leisen Antrieben, die sich zudem durch das geringe Gewicht und den geringen Bauraum, aber auch durch ihren Leichtlauf auszeichnen. So kommt in den Brose-Antrieben eine aufwendige Drehmoment-Sensorik zum Einsatz, die in Rhythmen von 16 Millisekunden die Kraft, die aufs Pedal geht, misst und die Unterstützung ständig anpasst.

Die verstärkte Nachfrage nach Fahrrädern hat die Branche vor enorme Herausforderungen gestellt, wie die langen Lieferzeiten von Rädern belegen. „In der Anfangsphase, im März vergangenen Jahres, war die Corona-Pandemie für die Branche eher ein Fluch als ein Segen, da die Produktion und die gesamte Lieferkette ins Stocken gerieten – und das nicht nur in Deutschland“, so Leicht. Warum ist dem so? Ein Grund sei die Kleinteiligkeit des Fahrrades. „Die Fahrradproduktion hängt zu einem großen Teil von der Verfügbarkeit der verbauten Komponenten ab. Viele davon kommen von spezialisierten Zulieferern, die oft auch in Asien sitzen. Schaltgruppe, Bremsen, Kette oder Pedale. Wenn nur ein Teil fehlt, kann man das Fahrrad nicht fertig bauen. Aufgrund der Volumenerhöhungen kann es derzeit schon einmal 400 bis 500 Tage dauern, bis eine Gabel oder eine Schaltgruppe geliefert wird.“

Expansion im Werk in Berlin

Eine innovative Sensorik kommt im E-Antrieb zum Einsatz. Foto: Brose

Bei Brose hat man sich schnell auf die veränderten Bedingungen eingestellt und setzt auf weitere Expansion. Auch bei den Mitarbeitern. „Wir bauen unseren Bereich gerade stark aus“. Insgesamt sucht man am Brose Gründungsstandort Berlin 25 qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise im Einkauf, der Konstruktion oder der Software-Entwicklung. „Unser Portfolio an Batterien und Displays und den Bereich der digitalen Dienste wollen wir weiter ausbauen.“. Dazu gehören beispielsweise Apps für die Steuerung des E-Antriebs oder das Orten des Rades per GPS.

Doch auch wenn Brose flexibel auf die neue Situation reagiert hat, bereitet – wie in der Autoindustrie – die Knappheit von Elektronikbauteilen Probleme. „Auch wir haben Engpässe an Mikroprozessoren, die wir für die Steuerung des komplexen Antriebes brauchen. Dennoch gelingt es uns die gestiegene Nachfrage nach Brose Antrieben weitestgehend abzudecken. Die Anfragen der Fahrradhersteller liegen momentan rund 50 Prozent über dem Bedarf von vor der Pandemie. „Dieses Nachfrage-Plus werden wir auch bedienen können, sofern die Teilezulieferung rund läuft.“ Doch bei Brose sieht man sich gut aufgestellt, da man 90 Prozent der benötigten Teile aus Europa bezieht, 80 Prozent kommen sogar aus Deutschland. Zugleich setzt Brose auf seine erfahrenen Mitarbeiter und die richtige Technologie: „Die für die Antriebe kritischen Kernprozesse haben wir in eigener Hand in unserer Produktion in Berlin“. Der Ausblick für 2021 sieht bei Brose dann auch gut aus. „Dieses Jahr wird für uns ein gutes Jahr“, so Leicht.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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