Im Windschatten des Motors

BMW-Technologie

Im Windschatten des Motors
Messungen im neuen BMW-Windkanal © Foto: BMW

BMW ist überzeugt, dass die Aerodynamik neben moderneren Antrieben die Fahrzeugentwicklung künftig stärker beeinflussen wird. Aus diesem Grund leistet sich der Hersteller jetzt ein neues Hightech-Aerolab.

Von Martin Woldt

117 Millionen Euro hat sich BMW den neuen Windkanal, Aerolab, kosten lassen. Diese Woche ging er nach mehrjähriger Bauzeit in Betrieb. Im Unterschied zur alten Anlage lassen sich hier die Straßenbedingungen genauer simulieren. Die Testfahrzeuge können nun auf breiten mitlaufenden Stahlbändern abrollen. Ihre Aufgabe besteht darin, den Bedingungen der unter dem Fahrzeug dahingleitenden Fahrbahn möglichst nahezukommen. Um deren Einfluss zu beurteilen, mussten die Fahrzeugentwickler bislang externe Prüfstände anmieten. Der jetzige Standort in unmittelbarer Nähe zu den übrigen Forschungsabteilungen soll insbesondere die so wichtige Abstimmung mit den Fahrzeugdesignern verbessern.

Chancen der Aerodynamik

Gleichzeitig lenkt die Einweihung des neuen Windkanals den Fokus auf ein Thema, das sich zuletzt eher im Windschatten aller Sparmaßnahmen rund um den Antrieb bewegte: die Aerodynamik. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung ist sie unterschätzt.

Dabei geht es um Windgeräusche, Seitenempfindlichkeit oder Fahrzeugverschmutzung, im Kern aber um die Windschlüpfrigkeit eines Fahrzeuges. Ist der Luftwiderstand jenseits von 80 km/h doch noch vor dem Gewicht und dem Rollwiderstand die dominierende Gegenkraft, die der Antrieb eines Fahrzeuges überwinden muss.

Reserven der Aerodynamik

Strömungskanal im Aerolab Foto: BMW

Unter anderem drückt sich dieser Strömungswiderstand im sogenannten cW-Wert aus, der bei vielen Fahrzeugen heute um die 30 liegt. Windkanalexperten wie Jürgen Fallert glauben, ihn mit aerodynamischem Feinschliff bis auf Werte von 20 bis 22 drücken zu können.

«Verringert man den Luftwiderstand um zehn Prozent, geht der Verbrauch um ein Prozent zurück», so Fallert. Sein Chef, Hans Kerschbaum, sieht dafür zwei wesentliche Stellschrauben: die Karosserieform und die Gestaltung von Rädern und Radhäusern.

Gewachsene Querschnitte

Die Außenansicht des neuen Windkanalgebäudes Foto: BMW

Beide bilden zusammen 70 Prozent des Luftwiderstandes. «Insbesondere der durch die Karosserieform bedingte Fahrzeugquerschnitt sei in den letzten Jahren sichtbar angewachsen.» Er sei beim aktuellen Dreier-BMW inzwischen so groß wie bei der 1986 eingeführten zweiten Generation des Siebeners. 40 Prozent der Windschlüpfrigkeit eines Autos hingen davon ab. Die größer gewordenen Querschnittflächen ließen die aerodynamischen Fortschritte der letzten Jahre oft verblassen. Kerschbaum hofft, dies im neuen Windkanal, der ein engeres Zusammenwirken mit den Designern erlaubt, deutlich verbessern zu können. Er glaubt an 30 Prozent niedrigere Luftwiderstandwerte in absehbarer Zeit.

Noch am einfachsten wird er sich mit den Designern über die Gestaltung von Rädern, Unterboden und Radhäusern einig werden. Sie fallen für die Fahrzeugoptik wenig ins Gewicht. Um das bemerkenswerte Potenzial dieses Bauraums zu demonstrieren, machte er zwei cW-Messungen im Windkanal, bei einem Fahrzeugmodell mit und einem ohne Räder. Und siehe da, mit betrug der cW-Wert 28, ohne nur 17. Kein Zweifel, wie die Luft durch die Radkästen pfeift, dürfte ablesbare Folgen auf der Tankquittung haben. Kerschbaum sieht die Aerodynamik auf dem Vormarsch.

Kosten der Sparsamkeit

Und die Sache ist einsichtig. Zwar glauben auch seine Kollegen in der Motorenentwicklung, Diesel und Benziner noch gut 20 Prozent sparsamer machen zu können. Die Frage aber wird sein: um welchen Preis? Dass die 170 Millionen für den Windkanal dafür kaum ausreichen werden, erkennt man am ebenfalls auf dem Technologietag vorgestellten neuen Drei-Liter-Sechszylinder. Erstmals kombiniert BMW hier eine variable Ventilsteuerung (Valvetronic), mit Benzindirekteinspritzung und Turboaufladung. Dessen 360 PS entfalten sich mit neun Prozent weniger Spritverbrauch (8,9 Liter) und der gleichen Relation weniger CO2 im Vergleich zu einem Aggregat ohne Valvetronic. Das Ansprechverhalten soll dem eines V8 gleichkommen.

Premiere wird das Aggregat im Herbst im neuen 5er GT feiern. Allerdings schon der optische Eindruck dieses Aggregates vermittelt, auf welch engem Bauraum hier um jeden Zentimeter Hightech gerungen wurde. Das wird sich nicht so einfach steigern lassen. Vom Entwicklungspreis mochte BMW ohnehin nicht reden.

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