BMW R 1200 GS: Mehr Elektronik, geringerer Verbrauch

Reise-Enduro wurde überarbeitet

BMW R 1200 GS: Mehr Elektronik, geringerer Verbrauch
Die neue BMW R 1200 GS ist sparsamer geworden. © BMW/Künstle

BMW hat die R 1200 GS elektronisch aufgerüstet. Dazu gehört nicht nur ein dynamisches Bremslicht, ein Kurven-ABS, sondern aufgrund der Homologationsnorm Euro4 ist die Reise-Enduro nun auch mit Katalysator unterwegs. Doch das alles hat seinen Preis.

Eine Zahl soll genügen, um den Erfolg der BMW R 1200 GS zu dokumentieren: Rund 45.000 Einheiten hat BMW im vergangenen Jahr in Berlin gebaut, ein Sechstel davon sind auf Deutschlands Straßen gerollt, der Rest findet sich in aller Welt. Damit ist die Boxer-GS die weltweit meistverkaufte Reiseenduro und im gefühlt mittlerweile 100. Jahr Deutschlands beliebtestes Motorrad.

Deshalb muss man ihre grundsätzlichen Eigenschaften auch nicht mehr beschreiben. Die jüngsten Modifikationen, die ab März wirksam werden, sind jedoch mehr als nur ein bisschen neue Farbe, ein paar neue Applikationen und die technische Umrüstung auf die Erfordernisse der seit Jahresbeginn gültigen Homologationsnorm Euro 4.

Sparsamerer Verbrauch

Besonders beliebt ist die Boxer-GS wegen ihrer Breitbandigkeit: Sie kann bekanntlich nichts perfekt, dafür aber alles zumindest gut – Fernreisen auf und abseits asphaltierter Straßen, spritzige Bergtouren, Kurvenräubern und auch schnelle Autobahn gehören zu den bekannten Fähigkeiten. Auch genussvolles, souveränes Bummeln beherrscht das Fahrzeug; viele seiner Nutzer verfügen freilich nicht über die dazu nötige Gelassenheit. Als „eierlegende Wollmilchsau“ ist die GS im Laufe ihrer bald 40jährigen Geschichte oft bezeichnet worden – nicht zu Unrecht.

Neuerdings kann sie noch mehr. Beispielsweise ist sie im Zuge der technischen Überarbeitung aufgrund der Euro-4-Erfordernisse erneut sparsamer geworden: Knapp fünf Liter Benzin pro 100 Kilometer weist der neue Testzyklus aus – ein Wert, der sich in der Praxis durchaus realisieren lässt, wenn man eher drehmoment- als drehzahlorientiert unterwegs ist. Deshalb sind 350 Kilometer Reichweite jetzt leicht drin, obwohl der Tank mit 20 Litern für eine 1200er Reiseenduro eher klein anmutet.

Positiv entwickelt hat sich auch das Handling der Boxer-GS. Sie ist im Bereich des Übergangs vom Tank zur Sitzbank nochmals schmaler geworden, was dem Knieschluss zugutekommt, das Fahren im Stehen erleichtert und trotz der unveränderten Sitzhöhen – serienmäßig besteht die Wahl zwischen 85 und 87 Zentimetern – auch dem sicheren Bodenkontakt förderlich ist.

Automatik-Dämpfungsmodus

Verbraucht nun weniger, die R 1200 GS Künstle/BMW

Ein neues technisches Schmankerl ist der bei BMW erstmals verfügbare automatische Fahrlagenausgleich, der in das semiaktive Fahrwerkssystem Dynamic ESA „Next Generation“ integriert wurde. Musste bislang die Federvorspannung für die beiden Stoßdämpfer vorne und hinten per Knopfdruck vorgewählt werden, so entfällt dies künftig; ein Sensor ermittelt in der Automatik-Stellung des Systems, wie stark die GS beladen ist und welche Federvorspannung dafür optimal ist. Ein paar Meter Rollen mit niedrigem Tempo genügen, um das System zu aktivieren. Neu ist auch ein Automatik-Dämpfungsmodus, gekoppelt an den gewählten Fahrmodus. Ein weiteres neues elektronisches Helferlein stellt die Hill Start Control in der Option „Fahrmodi Pro“ dar; auf diese Weise wird eventuelles Zurückrollen beim Anfahren am Berg unterdrückt.

In die „Fahrmodi Pro“ ist das erstmals für die GS erhältliche Kurven-ABS integriert, das ein Blockieren der Räder beim Bremsen auch in starker Schräglage verhindert und zudem das dabei ansonsten unvermeidliche schnelle Aufrichten des Fahrzeugs dämpft; die Chancen, bei einem Bremsmanöver in Kurven ohne Blessuren davonzukommen, steigen.
Ebenfalls der Sicherheit dient das integrierte dynamische Bremslicht; es flackert ab einer bestimmten Verzögerungsintensität. Kommt die damit ausgerüstete GS zum Stillstand, schaltet sich automatisch die Warnblinkanlage ein. Das ist durchaus vorteilhaft, denn dank ihrer spezifischen Fahrwerksauslegung verzögert die GS-Dreischeibenbremsanlage vehement, ist dabei aber sehr präzise bedienbar. Beim Test in Schräglage bewusst voll „in die Eisen“ zu gehen, verlangt vom Tester schreckliche Überwindung; in einer Notfallsituation ist man freilich dankbar für diese Technologie.

Die Euro-4-Vorschriften bedingten nicht nur einen neuen Katalysator, eine Onboard-Diagnose und ein neues Motor-Mapping, sondern auch eine neue Auspuffanlage. Sie ist zwar voluminös, aber optisch gelungen und entlässt einen sehr präsenten, aber angenehmeren Sound als zuvor; bislang war die Tonlage auf längeren Strecken insbesondere im Gebirge doch als arg aggressiv, ja fast schon prollig empfunden worden.

Hoher Preis

Die BMW R 1200 GS muss in die Werkstatt.
Verfügt nun über ein noch besseres Handling Künstle/BMW

Man muss BMW attestieren, das bayerische Erfolgsbike tatsächlich auf ein noch höheres technologisches und fahrdynamisches Niveau gebracht zu haben – vorausgesetzt, man investiert kräftig. Denn wer sich mit der 15.150 Euro kostenden Basisversion begnügt, hat nichts von Hillstart Control, LED-Licht, Dynamic-ESA „Next Generation“ und „Fahrmodi Pro“ samt Kurven-ABS. Alle diese in der Praxis oft nützlichen, zumindest aber angenehmen Details sind über drei Pakete verteilt („Dynamic“, „Comfort“ und „Touring“) und erfordern eine erhebliche Zusatzinvestition; 3.660 Euro zusätzlich sind dafür nötig.

Die hochfunktionalen Koffer, ein Navi, Speichenräder und manches andere sind darin noch nicht enthalten. Man nähert sich also leicht der 20.000 Euro-Marke. Selbst die Handschützer spart sich BMW fürs Comfort-Paket auf. Erfahrungsgemäß scheuen die meisten Käufer vor dem Ordern der Vollausstattung aber nicht zurück.

Da kommt’s auf 330 Euro für die Variante „Style 2 Exclusive“ dann auch nicht mehr an. Die wirkt dank echter Metallabdeckungen an den Kühlern, Sonderfarbe Iced Chocolat metallic, der chicen Grafik am Tank und dem schwarzen Lack an Rahmen, Motor und Antriebsstrang noch wertiger als die pure GS, unterscheidet sich beim Fahren freilich nicht von der Basisversion. Auch die goldfarbenen Bremssättel dienen allein der Optik. Für den Betrachter stellt sich nur die Frage, warum BMW dieser Edel-GS nicht auch noch goldlackierte Felgen spendiert hat. Die wären das Tüpfelchen auf dem GS-i. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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