«Nachhaltigkeit ist von Elektromobilität nicht zu trennen»

Domagoj Dukec, Chefdesigner BMW i

«Nachhaltigkeit ist von Elektromobilität nicht zu trennen»
Domagoj Dukec leitet bei BMW i das Design. © BMW

Führt die Elektromobilität auch zu einer neuen Designsprache? Nein, sagt Domagoj Dukec. Im Interview mit der Autogazette spricht der Chefdesigner von BMW i über Markenwerte, Nachhaltigkeit und über Limits.

Für Domagoj Dukec ist die Elektromobilität nicht vom Thema Nachhaltigkeit zu trennen. «Und hier spreche ich nicht nur von der Oberfläche, sondern von der ganzen Lieferkette. Wenn man bislang von E-Mobilität sprach, ging es um große Batterien, große Reichweiten. Bei BMW i stand der ökologische Footprint von Anfang an im Vordergrund», sagte der Chefdesigner von BMW i im Interview mit der Autogazette. «Hier haben wir zu unseren Konkurrenten auch einen großen Vorsprung. Auch beim iNext wird es sehr, sehr stark um Nachhaltigkeit gehen.»

«Wir machen hier keine Fingerübung»

Während VW-Designchef Klaus Bischoff durch die E-Mobilität größere gestalterische Freiheiten sieht, kann Dukec die nicht erkennen. Denn letztlich ändere sich das Package an einem Elektroauto gar nicht so grundlegend, wie man das erwarten würde.

Dass die BMW iNext-Fahrzeuge nur eine Fingerübung für die Designer sind, wurde von Dukec verneint. Schließlich zeige man nur eineinhalb Jahre später «mit dem Vision Dynamics den nächsten Schritt. Wir zeigen nicht irgendwelche Geplänkel». Mit dem iNext wolle man zeigen, wohin die Reise für die Marken gehe. «Wir erzählen nicht nur, wir liefern, wie wir mit dem Vision Dynamics zeigen. Wir machen hier also keine Fingerübung, sondern geben dem Kunden ein Versprechen, was er von uns in Zukunft erwarten kann.»

«Mit BMW i stellen wir uns noch größeren Herausforderungen»

BMW-Chef Harald Krüger vor dem i Vision Dynamics.
BMW-Chef Harald Kürger vor dem i Vision Dynamics BMW

Autogazette: Herr Dukec, Sie verantworten nicht nur das Design von BMW i, sondern auch das von BMW M. Wie passt das zusammen: Nachhaltigkeit und Highperformance?

Domagoj Dukec: Sehr gut. BMW steht seit jeher für das dynamischste Angebot, sich fortzubewegen. Wir wollten bereits mit dem 1600er die sportlichste Limousine der Welt bauen. In unserer Historie hatte der Fahrer immer eine hohe Selbstbestimmung in der Fortbewegung - und das lässt sich sehr gut auf diese beiden Bereiche übertragen.

Autogazette: Verzeihung, aber mir leuchtet das nicht ein. Gibt es einen nachvollziehbaren Grund, weshalb man i und M zusammen gebracht hat?

Dukec: BMW i als auch BMW M haben den Zweck, gemeinsam auf die Marke BMW einzuzahlen. Wir haben das Design von BMW und diesen beiden Submarken getrennt, weil wir auf der einen Seite die Kernwerte zu bewahren haben, auf der anderen Seite natürlich diese Kernwerte neu definieren wollen. Auf der einen Seite haben wir mit M den Link zum Motorsport, auf der anderen Seite zeigen wir Pioniergeist. BMW hat es immer geschafft, sich neuen Herausforderungen zu stellen - und mit BMW i stellen wir uns noch größeren Herausforderungen.

Autogazette: Was ist für Sie als Designer spannender: Ein Auto mit Verbrennungsmotor zu designen oder ein Elektroauto?

Dukec: Für mich als Designer spielt das eigentlich keine große Rolle. Es geht eigentlich immer darum, Gefühle zu transportieren.

«Das Package ändert sich gar nicht so grundlegend»

Autogazette: Durch das Package eines Elektroautos besitzen Sie doch viel größere gestalterische Freiheiten. Warum spielt das dann keine Rolle?

Dukec: Bis vor einem Jahr habe ich mich mit dem Thema Elektro gar nicht so sehr beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch Leiter für das Exterieur-Design aller BMW-Fahrzeuge. Damals dachte ich auch, dass ich mehr Freiheiten bei Elektroautos haben würde. Doch das ist nicht so. Man denkt, man braucht in der Gestaltung weniger Luft, weil der Motor wegfällt. Doch die Batterien brauchen, wenn man sie mit Starkstrom lädt, viel Platz für große Lüfter, weil sie sonst zu heiß werden. Die Luftöffnungen sind also die gleichen wie beim Verbrenner. Auch eine Motorhaube wird benötigt, weil darunter der Elektromotor ist. Auch die Steuerungselektronik bleibt vorhanden. Das Package ändert sich also gar nicht so grundlegend. Es wird nur anders befüllt.

Autogazette: Interessant. Ihr Kollege Klaus Bischoff von VW sieht das anders, er spricht von größeren Freiheitsgeraden in der Gestaltung.

Dukec: (lacht) Ist doch gut. Dafür kann es zwei Gründe geben: Entweder haben deren Ingenieure bessere Lösungen als unsere, oder unsere Designer wissen mehr über die Technik als deren.

Autogazette: Erleben wir mit der Elektromobilität also gar keine neue Designsprache, wie man es eigentlich erwarten würde?

Dukec: Ich denke nicht. Wenn der Kunde es will, bekommt er es. Doch wir wissen aus der Meinungsforschung, dass der das auch gar nicht will. Ein Fahrzeug wie der i3 ist ein gutes Beispiel: Eine kleine Zahl begrüßt es, dass er so anders ausschaut. Doch die breite Masse fragt, warum er denn so anders ausschauen muss, nur weil er elektrisch ist.

«Die Markenwerte sind ganz wichtig»

Der BMW i3 wurde dieses Jahr über 22.000 Mal verkauft.
Der neue BMW i3 BMW

Autogazette: Der i3 ist durchaus polarisierend gezeichnet worden. Er sollte anders aussehen, den Aufbruch in eine andere Designära der Mobilität darstellen. Ist das nicht erst einmal positiv?

Dukec: Es war damals eine strategische Entscheidung, den BMW i3 so zu zeichnen. Schließlich kam man zugleich mit einer Submarke auf den Markt. Er sollte nicht so aussehen, wie ein elektrisches Auto bis dahin aussah. Es war ja nicht unser Ziel, nur einen 3er zu elektrifizieren, um ihn dann als BMW i zu bezeichnen. Man musste die Marke mit zwei Fahrzeugen wie dem i3 und dem i8 positionieren und kreieren.

Autogazette: Wenn ich mir Fahrzeuge wie den BMW i3 anschaue, den X3 oder den X7 oder auch den Vision Dynamics, dann sehe ich dabei eher ein klassisches Autodesign. Ein I.D. von VW oder ein EQ von Daimler sieht futuristischer aus. Sind die anderen mutiger?

Dukec: Das sehe ich nicht so. Ich glaube schon, dass die Kunden von Premiumherstellern die Werte, von denen sie vielleicht schon als Kind geträumt haben, auch in zukünftigen E-Autos wiedererkennen wollen. Andere Unternehmen, die nicht über solche Markenwerte verfügen, haben hier ganz andere Möglichkeiten. Sie müssen keine Rücksicht nehmen. Warum soll man sich als Marke neu positionieren, wenn einem die Kunden den Laden einrennen?

Autogazette: Doch müssen E-Autos nicht grundsätzlich anders gezeichnet sein, weil sie auch den Aufbruch in ein anderes Zeitalter der Mobilität bedeuten?

Dukec: Das kann man nicht pauschalisieren: Die Markenwerte sind ganz wichtig. Doch wir wollen sie auch in die Zukunft bringen. Beim i3 und dem i8 sind wir ja schon weit gegangen. Andere deutsche OEMs zeigen ja nur Concept Cars, während unsere Autos gekauft werden können. Von einem i8 wurden bereits mehr Fahrzeuge verkauft als von einem Audi R8. Unser i Vision Dynamics bricht zugleich mit allen Ikonen, die BMW bislang hatte. Da gehen wir einen Weg, der am Limit dessen ist, was unsere BMW-Kunden erwarten.

«Wir geben dem Kunden ein Versprechen»

Autogazette: Im Innenraum des i3 setzen Sie auf viel Recyclingmaterialien. Welche Bedeutung kommt der Gestaltung der Nachhaltigkeit zu?

Dukec: Das ist uns bei BMW i enorm wichtig. Nachhaltigkeit ist von der E-Mobilität nicht zu trennen. Und hier spreche ich nicht nur von der Oberfläche, sondern von der ganzen Lieferkette. Wenn man bislang von E-Mobilität sprach, ging es um große Batterien, große Reichweiten. Bei BMW i stand der ökologische Footprint von Anfang an im Vordergrund. Hier haben wir zu unseren Konkurrenten auch einen großen Vorsprung. Auch beim iNext wird es sehr, sehr stark um Nachhaltigkeit gehen.

Autogazette: Sind die sehr futuristisch gezeichneten i Next-Fahrzeuge eigentlich mehr als eine Fingerübung für die Designer?

Dukec: Aber natürlich. Eineinhalb Jahre später zeigen wir mit dem Vision Dynamics den nächsten Schritt. Wir zeigen nicht irgendwelche Geplänkel. Mit dem iNext wollten wir zeigen, wohin die Reise für die Marken geht. Wir erzählen nicht nur, wir liefern, wie wir mit dem Vision Dynamics zeigen. Wir machen hier also keine Fingerübung, sondern geben dem Kunden ein Versprechen, was er von uns in Zukunft erwarten kann.

Autogazette: Die Anforderungen bei autonom fahrenden Fahrzeugen werden ganz andere sein: Es braucht keinen Fußgängerschutz mehr und auch der Insassenschutz muss neu definiert werden. Was bedeutet das für das Design?

Dukec: Das sind alles Spekulationen. Niemand weiß, was kommt. Level 5 ist noch ganz, ganz weit weg. Doch bei Level 3 und 4 wissen wir, worauf wir achten müssen. Denn hier fährt man ja noch selbst. Alle Studien ohne Lenkrad haben wenig Realitätsbezug.

«Man fühlt sich mit einem reinen Gewissen ausgestattet»

Ausblick in die Zukunft: der BMW Vision Next 100.
Der BMW Vision Next BMW

Autogazette: Ab wann wird sich die Optik des Autos denn gravierend ändern, erst mit dem Vision Next?

Dukec: Der Vision Next war unsere Vision für ein Fahrzeug im Jahr 2030. Wir haben dort Themen gespielt, die man bis dahin noch nicht in der Autoindustrie gesehen hat, wie beispielsweise unsere Life Geometry. Dort waren die Räder beispielsweise verdeckt. Wenn man lenkt, bewegt sich die Karosserie mit. Wir machen in der Zukunft zwar weiter Maschinen, die aber auf den Menschen zielen. Und so ist es auch bei BMW i. Man fährt zwar einen BMW, fühlt sich aber mit einem reinen Gewissen ausgestattet.

Autogazette: Freuen Sie sich als Designer auf eine Zeit ohne Fußgängerschutz, in der Sie keine Rücksicht mehr nehmen müssen auf irgendwelche Regularien?

Dukec: Da habe ich mittlerweile zu viele Erfahrungen gemacht. Der Gesetzgeber wird sich immer wieder neue Regularien ausdenken. Jeder Markt hat andere Regularien. Das macht es nicht einfacher. Für einen Designer sind Herausforderungen immer begrüßenswert. Alles was erwartbar ist, ist für einen Designer eher unzufriedenstellend.

Das Interview mit Domagoj Dukec führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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