E10, die Lobbyisten und der Verbraucher

Pächter raten zu Superplus

E10, die Lobbyisten und der Verbraucher
Super E10 ist unbedenklich für Oldtimer. © dpa

Der neue Biosprit verkauft sich an einigen Tankstellen etwas besser, aber laut einer Umfrage sind nur 10 Prozent von dem Kraftstoff überzeugt. Die E10-Debatte ist auch ein Lehrstück über den Einfluss der Lobbyisten und über die Unberechenbarkeit des Verbrauchers.

Von Georg Ismar

Es gibt auch gute Nachrichten von der E10-Front. Briggs & Stratton, Anbieter von Benzinmotoren für Rasenmäher, gibt Entwarnung: alle Motoren sind E10-geeignet. Dafür hat die Polizei in Schleswig-Holstein aus Angst um die Motoren den Ukas ausgegeben, Polizeiwagen und Motorräder bloß nicht mit E10 zu füllen. Nur 10 Prozent der Deutschen wollen laut Umfragen den Rübensprit tanken.

Zwischen den Lobby-Stühlen

Unabhängig von Zweifeln am Sinn und Unsinn an E10 und Fehlern bei der Einführung ist Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nicht zu beneiden. Er ist etwas zwischen die Fronten der Lobbyisten geraten - auch wenn ihn gerade der Atomunfall in Japan weit mehr sorgt und er die Debatte um den Biosprit für übertrieben hält.

Röttgen hat einmal in einer ruhigen Minute betont, dass ihn der Einfluss der Lobbys auf die Politik zunehmend Sorgen bereite. Gerade im Bereich der Energiepolitik wird mit harten Bandagen um viel Geld gekämpft, Stichwort Atomkraft und Solarförderung. Beim Biosprit E10 legt sich Röttgen mit der Mineralöl- und Autoindustrie an, die sich seiner Meinung nach nicht energisch genug dafür einsetzen.

Kopfschütteln über die Verbraucher

Im Fokus seiner Kritik: Die Benzinbranche mit ihrem Cheflobbyisten Klaus Picard vom Mineralölwirtschaftsverband, der streut, man sei nur Erfüllungsgehilfe der Politik. Prompt macht das Wort vom Staatsbenzin und Planwirtschaft die Runde. Die Einführung von E10 geht aber vor allem auf die Entscheidung der Branche zurück, die Biokraftstoffquote von 6,25 Prozent über diesen Weg zu schaffen. Während die Autofahrer jahrelang E5 ohne Murren tankten, sprechen nun viele bei E10 von einer Biosuppe, die sich nicht in ihr Auto kippen wollen. Das löst in Regierungskreisen Kopfschütteln über die Verbraucher aus.

Schließlich gebe es in den USA ohne Probleme E15 und in Schweden E85 - hier werden aber sogenannte «Flex-Fuel»-Autos mit Motoren, die Ethanolbeimischungen von 0 bis 100 Prozent vertragen, massiv subventioniert, um weg vom Erdöl zu kommen. Schweden will bis 2030 ganz auf das «schwarze Gold» im Verkehr verzichten.

Lauter Verlierer

In der Regierung ist man zudem verwundert, dass trotz des Schulterschlusses beim recht mauen «Benzingipfel» scheinbar immer wieder Tankwarte ihren verunsicherten Kunden empfehlen, doch besser das acht Cent teurere Super Plus zu tanken. «Damit muss endlich Schluss sein», sagt der ADAC-Vizepräsident für Verkehr, Ulrich Klaus Becker. Zahlreiche Zuschriften und Anrufe bestätigten dieses Problem.

Keiner will es offen zugeben, aber die Gemengelage sieht in etwa so aus: Wenn die Raffinerien ihre Lager mit der E10-Winterware bis April nicht leer bekommen, wird notfalls die Reißlinie gezogen und die Konzerne kehren verstärkt zum Super mit fünf Prozent Ethanol zurück. Sie haben dem den Weg schon bereitet, indem sie bereits für mögliche Strafzahlungen die Politik verantwortlich machen, weil Röttgen ja keine Aussetzung der Strafen wolle. Daher müsse letztlich leider der Verbraucher über höhere Spritpreise die Suppe auslöffeln.

Schwer durchschaubare Spiele

Die Biokraftstoffbranche, deren Vertreter auch Millionen-Geschäfte machen, fürchtet, die Mineralölwirtschaft könnte das Chaos nutzen, um die Politik zur Kappung der Biokraftstoffquote zu drängen. Schon zu Zeiten der großen Koalition waren Steuervorteile für reinen Biodiesel gestutzt worden und der Markt zusammengebrochen. Die Grünen geben der Mineralölbranche die Schuld - aber ähnlich wie die Solarlobby nimmt auch die Biokraftstoffindustrie als Teil der wachsenden grünen Energielobby Einfluss auf die Politik, und will mit staatlichen Hilfen ihre Produkte in den Markt bringen.

Aber auch die Autobranche spielt ein schwer durchschaubares Spiel. Zwar versichern sie, dass die Aussagen zu den Autos, die E10 vertragen, rechtsverbindlich seien, doch was heißt das in der Praxis? Müssen Verbraucher im Fall der Fälle mit Gutachten für hunderte Euro nachweisen, dass tatsächlich E10 Schläuche und Motor ruiniert hat?


Getriebene Politik

Die Autobauer halten sich zurück, obwohl sie eigentlich zu den Hauptverursachern von E10 gehören - im Gegenzug rangen sie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab, dass ihre Flotte 130 Gramm CO2 pro Kilometer statt 120 Gramm ausstoßen darf. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie wegen des Biospritdebakels nun noch lauter nach Kaufprämien für Elektroautos rufen werden, um so weg vom Öl zu kommen. Zumal sie bisher nicht als Freunde von Röttgens Biospritstrategie auffallen.

Röttgen hat das Problem, dass von den einflussreichen Gruppen nur der ADAC fest an seiner Seite steht. «Politisch ist es wahnsinnig interessant, was bei E10 passiert», sagt Verbraucherschützer Holger Krawinkel. «Die Politik wird hier von den alten wie den neuen Lobbys getrieben.»

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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