Wunsch nach Individualität bestimmt Autokauf

Die Grundausstattung reicht den meisten Kunden beim Autokauf längst nicht mehr aus. Sie wollen sich mit ihrem Fahrzeug von der breiten Masse abheben. Für die Hersteller ist dies ein einträgliches Geschäft.

Von Andreas Heimann

Ein neues Auto zu kaufen, ist keine große Sache. Man geht zum Händler, guckt sich um und sagt «Bitte den da hinten rechts.» Rein theoretisch jedenfalls. In der Praxis sieht das gerade in Deutschland oft anders aus, denn viele Autokäufer sind Ausstattungsfetischisten. In keinem Land gibt es so viele Alternativen für Felge, Lack und Leder. Und wem das nicht reicht, der kann sich noch zahllose Wünsche erfüllen, die in keiner Liste stehen. Das Angebot der Individualisierungsabteilungen wird immer breiter - und findet immer mehr Kunden.

Wunsch nach Individualität

Das hat auch etwas damit zu tun, dass Autos Massenware sind. Aber damit wollen sich viele nicht abfinden - ihr Fahrzeug soll besonders sein. «Das Bedürfnis, seinen Wagen nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, wird immer größer», sagt Nick Margetts vom Marktbeobachter Jato Dynamics in Limburg. «Die deutschen Marken sind schon jetzt Weltmeister bei den Optionslisten.» Die Hersteller machen mit Sonderausstattungen entsprechend ein gutes Geschäft.

Bei den Einstiegslimousinen der Mittelklasse beispielsweise geht die Zahl der Optionen und Pakete in die Dutzende: Beim Audi A6 sind es 155 - für alle Pkw in Deutschland sind es 210 000. «Für manche Männer sind die Optionslisten wie Wunschzettel zu Weihnachten», so der Experte. «Nur, dass sie in der Regel sich selbst beschenken.»

Aber das ist nur die Soft-Variante. Richtig zur Sache geht es bei den Individualisierungsabteilungen, auf die viele Hersteller nicht mehr verzichten wollen: «Da gibt es die S-Klasse dann auch mit Krokoleder, die Lackierung mit rosa Pünktchen und die Cocktailbar in der Mittelkonsole», sagt Margetts.

Aus Sicht der Hersteller ist das ein wachsender Markt: «Wir beobachten das eindeutig», sagt Paul McSweeney von Bentley Motors im englischen Crewe. Am Bentley Arnage lässt sich das zeigen: «Vor fünf Jahren war noch weniger als die Hälfte der verkauften Fahrzeuge individualisiert», sagt McSweeney. Heute seien es mehr als 90 Prozent. «Wir hatten schon einen Kunden, der sich das Holz für die Innenausstattung in seinem Garten selbst geschlagen hatte.» Wer keine Bäume hat, kann aus einer breiten Palette von Walnuss bis Klavierlack wählen. Allein beim Leder gehören 27 Farben zum Standardangebot.

Klarer Trend

Der Newcomer im Kreis der Individualisierungssparte ist VW. «Grundsätzlich bieten wir das für alle Modelle an», sagt Kai Schelowsky, Marketing-Chef bei Volkswagen Individual in Wolfsburg. Der Wunsch, kein Auto von der Stange zu fahren, sei ein klarer Trend, dem mit immer mehr Optionen und Lifestyle-Modellen wie dem gerade beim Automobilsalon in Paris enthüllten Cross-Golf entsprochen werde. Aber auch VW bietet noch mehr: Vor allem Käufer von Touareg und Phaeton wünschten häufig Möglichkeiten, bei der Ausstattung im Detail mitzubestimmen.

Der Anspruch lautet: «Es soll gut aussehen, aber gleichzeitig auch perfekt zu nutzen sein.» Für die ganz speziellen Fälle hat VW Individual das Unikate-Team, die Experten für Einzelstücke. «Da kann man sich für das Interieur dann auch mal eine ganz bestimmte Farbe wünschen», sagt Schelowsky - oder eine Sonderlackierung oder den eigenen iPod integriert in die Audio-Anlage. Seit diesem Herbst zeigt VW in den «Showrooms» von rund 100 Händlern bundesweit, wie individualisierte Modelle aussehen können.

Keine alltäglichen Farben

Bei BMW kennt man das alles schon länger: «Kunden, die das nötige Kleingeld haben und sich ein Auto wünschen, das sich abhebt, sind nichts Neues», sagt Friedbert Holz von BMW Individual. Der Automobilhersteller aus Bayern, der ohnehin nicht in dem Ruf steht, Autos von der Stange zu Discounterpreisen zu produzieren, hat vor 15 Jahren seine Individualisierungs-Sparte ins Leben gerufen. Typisch sei der Wunsch nach nicht alltäglichen Farben. «Es gibt Kunden, die sagen »Meine Frau hat ein Kleid in diesem dunklen Rot, so eine Lackierung möchte ich auch«», erzählt Holz. «Und manche bringen ihr eigenes Leder mit und wollen dann die Sitze damit bezogen haben.»

Der Kunde ist König. «Ein Dachhimmel aus Nubukleder in Pink sieht in einem blauen Auto vielleicht nicht so gut aus», sagt Holz. Im Kundengespräch wird dann schon mal darauf hingewiesen. «Wenn der Käufer das trotzdem unbedingt will, machen wir das.» Die Grenze ist erreicht, wenn die Sicherheit beeinträchtigt wird: «Weißes Leder auf den Armaturenoberflächen geht nicht. Das reflektiert zu stark.» Immer wichtiger wird auch die Infotainment-Ausstattung samt großem Bildschirm und Funktastatur, damit auch während der Fahrt E-Mails abgerufen oder Filme geguckt werden können. Crashgetestete Fernsehmonitore für die Rücklehne gibt es längst.

Auch in Stuttgart wird dem Thema Individualisierung immer mehr Bedeutung beigemessen. AMG, einst der Mercedes-Leib-und-Magen-Tuner, macht heute weit mehr als PS-starke Motoren in Serienmodelle zu verpflanzen: Das Tochterunternehmen von DaimlerChrysler ist auch für die Autos mit persönlicher Note zuständig. «Die Nachfrage hat deutlich zugenommen», bestätigt AMG-Sprecher Pietro Zollino - statt 5000 Autos wie vor fünf Jahren werden jetzt jährlich 20 000 gebaut. Noch neu ist das Performance Studio: die Werkstatt für Kleinserien wie den SLK 55 Black Series zum Kostenpunkt von 107 000 Euro.

Das ist in jedem Fall noch die preiswertere Variante: Zumindest kann es deutlich teurer werden, wenn es um Arbeiten in der Manufaktur geht, der AMG-Abteilung, in der die wirklich individuellen Wünsche wahr werden: «Wir haben eine M-Klasse schon einmal in Gold lackiert», erzählt Zollino. Von Fahrzeugen in Rosa oder Weiß ganz zu schweigen. «Ein anderer Kunde wollte seinen Wagen in Schwarz, komplett, innen und außen.» Unter den Käufern sind offenbar auch Familienväter: «In ein CLK-Cabrio haben wir auch schon mal zwei Kindersitze eingebaut - mit dem gleichen hellen Leder wie die übrigen.» (dpa)

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