„Wir sind die Schweinegrippe in 2010“

Rückrufe bei Toyota

„Wir sind die Schweinegrippe in 2010“
Der Toyota Prius III © Foto: Toyota

Die weltweiten Rückrufe von Toyota kratzen am Image der Marke. Doch während in den USA Klagen wegen angeblicher Todesfälle eingereicht wurden, reagieren die Kunden in Deutschland gelassener, glaubt Toyota-Vizepräsident Alain Uyttenhoven.

Von Thomas Flehmer

Rückrufe von Autoherstellern sind nichts ungewöhnliches. Aufgrund von Produktionsfehlern kann es vorkommen, dass Autos zur Nachbesserung in die Werkstatt gerufen werden. Für den Hersteller ist dies unangenehm, weil es Kosten hervorruft und am Image kratzt. Nach einer solchen Rückruf ist die Sache zumeist schnell vergessen.

Kosten von 1,4 Milliarden

Anders sieht es bei Toyota aus. Die Japaner, die bislang als Qualitätsverfechter galten, haben ein immenses Problem. Derzeit stellt der Konzern rund 1,4 Milliarden Euro zur Behebung der Probleme an Gaspedal oder Bremsen spezieller Modelle bereit. Das sich unter den von den Rückrufen betroffenen Modelle auch das Aushängeschild des Unternehmens befindet, der Toyota Prius, macht die Sache noch ärgerlicher.

Auch wenn eine Summe von 1,4 Milliarden Euro eine Ansage sind, wiegt der Imageverlust bei den Kunden durch die Rückrufe deutlich schwerer. „Wir sind die Schweinegrippe in 2010", sagt Technik-Chef Dirk Breuer angesichts des weltweiten Imageschadens. Doch während in den USA derzeit Klagen wegen 34 angeblichen Todesfällen aufgrund der technischen Probleme anhängig sind, st die Lage in Westeuropa entspannter.

Insgesamt sind rund 216.000 Kunden in Deutschland vom klemmenden Gaspedal betroffen, in Europa sind es 1,8 Millionen. "Es ist nur verständlich, wenn uns alle Welt kritisiert", sagt Toyota-Vizepräsident und Geschäftsführer Deutschland Alain Uyttenhoven ganz offen, "aber für uns ist das eine ganz neue Situation." Jahrelang dominierte der japanische Hersteller die Qualitätslisten und muss sich auf einmal mit einem Milliarden-Projekt auseinandersetzen, dass einen rund 30-minütigen Werkstattaufenthalt zur Folge hat.

In USA vor allem Automatikgetriebe

Der Yaris wurde auch zurückbeordert Toyota

In Deutschland läuft der Werkstattaufenthalt im Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt KBA in Flensburg unter einem freiwilligen Rückruf. Der Grund ist einfach, sagt Uyttenhoven. "In den USA gibt es zu fast 100 Prozent Automatikgetriebe, in Westeuropa zu fast einhundert Schaltgetriebe. Bremsen und kuppeln gehört dazu, sodass Unfälle vermieden werden können. Beim Automatikgetriebe ist das anders."

So ist es für den in Burundi geborenen Belgier auch keine Überraschung, dass in Deutschland die Kunden eher verhalten reagieren. Etwas über 2000 Kunden hätten sich über die Hotline informiert. Über die Toyota-Seite im Internet können die Kunden ihre Fahrgestellnummer eingeben, um zu schauen, ob das eigene Auto betroffen sei. "Unsere Kunden sind viel gelassener als es einige Medien herausposaunt haben", sagte Uyttenhoven, der zugleich betont, dass "jeder Rückruf einer zuviel sei." Rund 20 Fälle seien es laut Breuer in Europa, die ein schwerfälliges Gaspedal in den letzten fünf Jahren beanstandet hätten.

Imageschaden wiegt schwer

Ab dem 22. Februar werden die Halter vom KBA angeschrieben, um sich in den Werkstätten den daumengroßen Einsatz in den Werkstätten einsetzen zu lassen, der das Gaspedal dann in gewünschter Weise reagieren lässt. Während in Deutschland gemäßigt reagiert wird, laufen in den USA Klagen ein. Dort werden Unfälle von vor zwei oder drei Jahren dem klemmenden Gaspedal zugeschrieben. In Europa gab es Beschwerden, dass das Gaspedal schwerfällig reagieren würde oder geklemmt hat, rund 20 Fälle in fünf Jahren, sagt Breuer.

Seit dem ersten Februar werden die benötigten Teile gefertigt, rund 10.000 Fahrzeuge könnten pro Tag repariert werden. Uyttenhoven sieht in dem Werkstattaufenthalt etwas Positives. "Der Fehler ist da, man kann nur reparieren, aber die Art und Weise macht den Unterschied."

In zwei bis drei Monaten soll der Rückruf zu den Akten gelegt werden. Der Imageschaden bleibt, auch wenn Uyttenhoven betont, "aus dem Schaden gelernt zu haben" und "sich stärker aufzustellen". Die Hysterie der Schweinegrippe hielt die Deutschen länger im Zaum. Die Zahlen der nächsten Monate werden den Geschäftsführer Deutschland messen wie den ambitionierten Fußballverein an der jeweiligen Liga-Tabelle.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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