Wenn die Angst mitfährt

Höhere Panzerauto-Nachfrage

Je ernster die Sicherheitslage, desto besser die Aussicht auf Geschäfte für die Autoindustrie: In vielen Regionen nahm durch Kriege und Alltagskriminalität die Nachfrage nach besonders gesicherten Fahrzeugen zu.

«Auch im vermeintlich zivilen Mitteleuropa fährt immer öfter das Risiko mit», sagt BMW-Manager Ulrich Gut, der in einem Werk in Mexiko für Sonderschutzfahrzeuge zuständig ist. Deshalb seien gepanzerte Fahrzeuge längst nicht mehr nur für Politiker und Großindustrielle sinnvoll. «In Ländern, in denen Raubüberfälle, Entführungen und Straßenkriminalität zur Tagesordnung gehören, ist das Bedürfnis nach Schutz auch bei Privatleuten groß.»

Die Fahrzeughersteller tragen dieser Nachfrage Rechnung und bieten zunehmend sogenannte Leichtpanzer an, mit denen die Insassen gegen solche Straßenkriminalität gewappnet sind. Audi rüstet dafür den A6 auf, Mercedes verkauft die E-Klasse als «Guard»-Ausführung, und bei BMW gibt es neben einem 5er Security nun als einzigen gepanzerten Geländewagen in dieser Klasse auch wieder einen aufgerüsteten X5. Für 49.000 Euro Aufpreis bauen 40 Monteure die Karosserie auseinander, um sie mit mehr als 200 Stahlplatten, Kohlefasermatten und Spezialglas zu verstärken und den Wagen danach wieder zusammenzubauen.

«Mit einer Pistole kommt man nicht weiter»

Allen drei Herstellern gemein ist der integrierte Ansatz: «Schon bei der Entwicklung eines neuen Modells wird die Sonderschutzvariante mitbedacht und -konstruiert», sagt Ulrich Gut. Insbesondere Fahrwerk, Bremsen und Assistenzsysteme würden den erhöhten Belastungen angepasst, erläutert BMW-Sprecher Andreas Lampka. «Egal ob X5 Security oder M3: Sie müssen dieselben Qualitätskriterien erfüllen und dieselbe Erprobung durchlaufen, bevor sie in Produktion gehen.»

Solange es Gangstern um Hab und Gut geht, sei man in solchen Fahrzeugen gut aufgehoben, sagt Ulrich Gut. Mit einer Pistole komme man nicht weiter, fasst er die Vorzüge der sogenannten Beschussklasse B4 zusammen. «Doch wenn es um Leib und Leben geht, braucht es mehr», - zum Beispiel die Schutzklasse B7, die auch terroristische Gefahren minimiert. Dort ist die Modellauswahl bis auf wenige Ausnahmen auf die großen Luxuslimousinen beschränkt. So panzert etwa Audi den A8, BMW plant im nächsten Jahr eine «High Security»-Variante des neuen 7ers und Mercedes hat neben dem G-Modell die S-Klasse im Angebot.

Pullmann-Premiere auf Pariser Autosalon

Darüber hinaus hat bei Mercedes auf dem Pariser Autosalon (4. bis 19. Oktober) ein weiterer Prunkwagen und Panzerschrank Premiere: der neue Pullman. Auf eine Länge von 6,36 Metern gestreckt, werde es diese weitgehend in Handarbeit gefertigte Luxusversion der S-Klasse «für einen hohen sechsstelligen Euro-Betrag» nur mit Panzerung in der höchsten Schutzstufe geben, sagt Mercedes-Sprecher Michael Allner.

Über die Panzerung hinaus wird in die Autos viel Spezialtechnik eingebaut, die selbst James Bond neidisch machen würde. «Reifen, mit denen man auch ohne Luft weiterfahren kann, sind Standard», sagt Audi-Sprecher Udo Rügheimer in Ingolstadt. «Auch Blaulicht, Sirenen, eine Wechselsprechanlage und abhörsichere Telefone sind an der Tagesordnung. Und damit man auch bei schwierigen Verhältnissen schnell flüchten kann, sind alle gepanzerten Audis quattros.» Muss der Wagen im Unglücksfall verlassen werden, ließen sich die Türen außerdem von innen pyrotechnisch abtrennen.

«Gepanzertes Fahrzeug ist nur so gut wie sein Fahrer»

Im gepanzerten A8 ist darüber hinaus der Tank mit einem Spezialmaterial ummantelt, das sich nach einem Einschuss von selbst wieder verschließt. Feuerlöscher bekämpfen Brände im Motorraum. Und sobald Sensoren ein gefährliches Gas wittern, werden alle Luftklappen geschlossen und eine Sauerstoffflasche bläst frische Atemluft in den Innenraum.

Nur mit der Schutzeinrichtung ist es allerdings nicht getan: «Ein gepanzertes Auto ist immer nur so gut wie sein Fahrer», sagt BMW-Instruktor Michael Caspers. Beim Training lernen die VIP-Chauffeure nicht nur, wie sie mit Limousinen umgehen müssen, die so viel wiegen wie Lastwagen. Sie lernen vor allem auch, wie sie in brenzligen Situationen den Überblick behalten und sicher Reißaus nehmen, sagt Caspers: «Denn wer einmal stehen bleibt, hat schon verloren.» (Von Thomas Geiger, dpa)

Keine Beiträge vorhanden