Moderne Autos werden immer leiser

Ein satter Motorsound gehört einfach dazu. Doch nicht jedes Geräusch sorgt beim Fahrer für Begeisterung. Vielmehr kann es beim Fahrer Stress auslösen.

Von Thomas Geiger

Das Auto fährt auf leisen Sohlen in die Zukunft. Zwar beschäftigen die Hersteller hunderte Ingenieure, die sich wie Komponisten um den passenden Motorsound bemühen. Doch vor allem störende Nebengeräusche werden zunehmend eliminiert. «Natürlich will niemand in einem Sportwagen auf das Röhren seines Sechszylinders verzichten», sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenorganisation KÜS in Losheim am See im Saarland. «Aber Wind- und Reifengeräusche oder das Pfeifen eines Lüfters braucht keiner.»

Lärm sorgt für Stress

Marmit bestätigt Untersuchungsergebnisse von Wahrnehmungsexperten wie Götz Renner, der bei Mercedes in Stuttgart die Kundenforschung in der Pkw-Entwicklung leitet: «Ein hoher Geräuschpegel stört nicht nur das Wohlgefühl an Bord, sondern kann tatsächlich zum Stress werden und die Leistungsfähigkeit des Fahrers beeinträchtigen.» Um das zu vermeiden, drehen die Hersteller und ihre Zulieferer an zahlreichen Stellschrauben, die ein Auto leiser machen können.

Einen wichtigen Einfluss haben zum Beispiel die Reifen, die beim Abrollen auf der Fahrbahn ein innen wie außen deutlich wahrnehmbares Geräusch erzeugen. «Vor allem dank neuer Materialien aber auch durch die Veränderung der Reifenprofile ist dieses Geräusch in den letzten 20 Jahren um rund die Hälfte reduziert worden», sagt Ernst-Ulrich Saemann aus dem Geräuschlabor des Reifenherstellers Continental in Hannover. Die Möglichkeiten zur Geräuschdämmung seien aber weitgehend ausgereizt: «Weder beim Material noch bei der Reifengeometrie können wir in den nächsten Jahren deutliche Änderungen erwarten.»

Fahrbahnoberfläche entscheidend

Saemann gibt deshalb den Staffelstab an die Straßenbauer weiter: «Eine Einflussgröße ist die Fahrbahnoberfläche: So genannte offenporige Flüsterasphalte könnten durchaus helfen, die von Pkw abgestrahlten Geräusche deutlich zu verringern.» Fortschritte haben die Entwickler auch bei den Motorengeräuschen gemacht: «Noch vor zehn Jahren war ein Dieselmotor deutlich von einem Benziner zu unterscheiden. Heute ist das nicht mehr unbedingt der Fall», erläutert Klaus Wenzlawski aus der Entwicklung des Zulieferers Siemens VDO in Regensburg. Ein Rezept gegen das typische «Nageln» sei, die eingespritzte Kraftstoffmenge in Portionen aufzuteilen.

«Die so genannte Piezo-Einspritztechnik zeigt hier deutliche Vorteile und macht heute schon drei Vor- und zwei Haupteinspritzungen möglich», sagt Wenzlawski. In Zukunft sollen es noch mehr werden: «Bald werden wir mit Hilfe des »Combustion Managers« bis zu sieben einzelne, positionierbare Einspritzungen aus einer Gesamtzahl von elf möglichen auszuwählen.» Dadurch entstehe im Zylinder ein sanfterer Druckanstieg, mit dem laute Verbrennungsgeräusche unterbunden werden.

Lüfter untersuchen

Aber nicht nur die großen Geräuschverursacher wie Motor und Reifen haben die Entwickler im Blick. Selbst Details werden mit Mikroskop und Schallmessung verbessert. So sind laut Bosch-Sprecher Thomas Knoll in Stuttgart «eine weitere, nicht zu unterschätzende Quelle lästiger Geräusche die Generatoren oder Lichtmaschinen». Deshalb werden deren Lüfter von Geräuschdesignern untersucht. «Sie verbessern beispielsweise die Konstruktion des Lüfters, um ihnen bei gleicher oder verbesserter Kühlleistung das Pfeifen abzugewöhnen.»

«Geräusche, die die Autohersteller nicht vermeiden können, versuchen sie zumindest zu dämmen», sagt Peter Büttrich vom Glashersteller-Verband AAGMA in Großröhrsdorf (Sachsen). «Dabei spielt die Verglasung eine besonders wichtige Rolle.» Vor allem für die komfortorientierte Oberklasse und für Fahrzeuge mit besonders großen Frontscheiben haben die Zulieferer ein spezielles Akustikglas entwickelt, in dem zusätzliche Dämmstoffe eingearbeitet sind. Scheiben aus diesem Material, die von vielen Marken serienmäßig oder gegen Aufpreis angeboten werden, lassen weniger Schall in den Innenraum dringen als konventionelles Einscheiben-Sicherheitsglas oder Verbundglas.

Bei der Arbeit am «Flüsterauto» haben die Entwickler allerdings ein gravierendes Problem: Zu leise darf das Fahrzeug auch nicht werden. Das lehrt die Erfahrung mit den Prototypen, die von einer Brennstoffzellen angetrieben werden. «Dann sind die Autos so leise, dass man nur noch die Reifen- und die Windgeräusche hören kann», sagt ein Mercedes-Entwickler und berichtet aus dem Stadtverkehr von unaufmerksamen Passanten, die solche flüsterleisen Autos oft erst in letzter Sekunde wahrnehmen und dann häufig erschrocken sind. (dpa)

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