Mercedes küsst Renault

Kooperation in Sicht

Was hat Mercedes mit Kooperationen zuletzt nicht für Bauchlandungen erlebt? Die glitzernde Welt AG floppte und auch der weit reichende Einstieg bei Mitsubishi ging in die Brüche. Jetzt gehen Daimler und Renault miteinander ins Bett.

Von Stefan Grundhoff

Es ist lange kein Geheimnis mehr, dass sich Mercedes einen neuen Smart nur mit Hilfe eines Kooperationspartners leisten kann. Die ersten beiden Smart-Generationen rissen gewaltige Löcher in die gut gefüllten Kriegskassen. Doch der Erfolg des kleinen Mercedes-Ablegers Smart blieb bis dato aus. Forfour, Coupé und Roadster wurden längst eingestellt; der geplante SUV schaffte es überhaupt nicht in die smarten Verkaufsräume. So wurde der Fortwo zum Einzelkämpfer. Bei Smart Nummer drei soll alles anders werden.

Künftig an einem Strang

Auch wenn die Dementis aus Stuttgart nicht leiser werden, ist es kein Geheimnis mehr, dass Mercedes und Renault in Sachen Kleinstwagen zukünftig gemeinsam an einem Strang ziehen wollen. Die Verkündigung der Partnerschaft dürfte bereits Mitte April erfolgen. Beide Seiten arbeiten gerade an den letzten Details des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages. Dann fehlt nur noch die Unterschrift der Hauptakteure Dieter Zetsche und Carlos Ghosn. Bereits jetzt ist durchgesickert, dass es neben Planungen für eine neue Kleinwagenplattform auch um Triebwerke, leichte Nutzfahrzeuge und eine Finanzbeteiligung gehen soll. Die Daimler AG wird demnach mit einem Gesamtanteil von deutlich unter fünf Prozent am Renault-Nissan-Konzern beteiligt. Im gleichen Zug steigen die Franko-Asiaten mit dem gleichen Prozentsatz bei dem Stuttgarter Autobauer sein.

Wer glaubt, dass es direkt nach der Unterschrift unter den smarten Kontrakt mit den konkreten Planungen für eine neue Kleinwagenplattform losgehen kann, irrt. Denn bereits seit rund einem Jahr beschnuppern sich die Partner auf beiden Seiten intensiv. Abgesandte von Mercedes machten sich mehrfach auf nach Paris und die Franzosen von Renault-Nissan kamen immer wieder gerne nach Untertürkheim und Sindelfingen, um die geplante Zusammenarbeit auch technisch auf die Rampe zu schieben.

SUV-Pläne hervorgekramt

Smart bleibt Smart Foto: Smart

Nachdem die größten Probleme nunmehr ausgeräumt sind, können die konkreten Arbeiten für die neue Smart-Generation des Jahres 2013 / 2014 nach erfolgreicher Unterschrift unter den Kontrakt losgehen. Im Schwabenland liegen bereits die ersten Designskizzen für den neuen Fortwo in der Schublade. "Fest steht, dass der Smart zukünftig nur als Familie existieren kann", unterstreicht Joachim Schmidt, bei Mercedes verantwortlich für Vertrieb und Marketing. So ist die Konzeption einer viertürigen Version die logische Folge.

Die soll anders als der erste Smart Forfour, den Mitsubishi entwickelte, jedoch mehr sein als ein langweiliger Kleinwagen von der Stange, sondern ein echter Smart. Tridion-Sicherheitszelle und Heckmotor sind für die neuen Versionen von Fortwo und Forfour gesetzt. Und auch die seinerzeit gestrichenen Pläne für einen Smart-SUV kommen wie auf den Schreibtisch. "Wie ein möglicher Kooperationspartner auch heißen mag: Wir werden dafür Sorge tragen, dass der Smart immer ein echter Smart bleibt", gibt sich der Mercedes-Vertriebsvorstand Joachim Schmidt betont zurückhaltend, "doch einen Smart alleine zu machen, ist wirtschaftlich nicht möglich."

Bis zu 400.000 Fahrzeuge pro Jahr

Zum Aufladen an die Steckdose Foto: Smart

Der Smart Fortwo III dürfte gewohnt kurz bleiben. Daher bleibt es auch beim Heckmotor. "Anders kann man ein 2,70 Meter-Auto gar nicht hinbekommen", erklärt Schmidt. Damit der kleinste Mercedes nicht in die Gefahr kommt, als Renault mit einem aufgesetzten Stern wahrgenommen zu werden, werden sich die neuen Smart-Generationen deutlich von den vergleichbaren Renault- und Nissanmodellen unterscheiden. Doch Grundkonstrukt und Heckmotor sind auch bei den Franzosen gesetzt. So kommt Mercedes aus der ebenso kostenintensiven wie misslichen Lage, alle wichtigen Komponenten speziell nur für den Smart entwickeln zu müssen. Denn der aktuelle Smart Fortwo hat mit den volumenstarken Mercedes-Modellen so viele Teile gemeinsam wie ein Großbagger mit einem U-Boot.

Wenn Daimler und Renault-Nissan in drei bis vier Jahren gemeinsame Kleinwagenprojekte auf den Markt bringen, lassen sich endlich auch die Stückzahlen rechnen. Im Gespräch sind mittelfristig 300.000 bis 400.000 Kleinstfahrzeuge pro Jahr. Bisher dümpelte man bei Smart mit maximal 100.000 Fahrzeugen herum, für die das neue Invest nicht lohnen würde. Bei der Produktion der Fahrzeuge selbst werden Mercedes und Renault jedoch getrennte Wege gehen. Die neuen Modelle Smart Fortwo und Forfour kommen aus dem bekannten Werk in Hambach. Bei Renault-Nissan sollen eigene Werke für die Cityflitzer genutzt werden.

Motoren von Renault

Anders sieht das bei den Triebwerken aus. Hier scheint bereits festzustehen, dass die Motoren ausschließlich bei Renault vom Band laufen. "Bestandteil einer Kooperation wären natürlich auch die Motoren", sagt Schmidt. Bis zuletzt hatte BMW kräftig um Mercedes-Benz geworben. Doch die ingenieursgetriebenen Bayern patzten in ihrer Lieblingsdisziplin – dem Motorenbau. Anders als bei der Motorenkooperation mit PSA (Peugeot / Citroen), die mittlerweile ebenfalls die kleinen Vierzylinder-Benziner der Münchner verbauen, konnte man die Schwaben mit neuen, kleinen Triebwerken nicht gewinnen. Mercedes waren die präsentierten Dreizylinder mit Turboaufladung, variabler Ventilsteuerung und insbesondere wegen des Hubraums von knapp 1,5 Litern zu groß. Bei Smart ist man kleiner unterwegs. Knapp 1,0 bis 1,2 Liter sind das Maß der zukünftigen Dinge. Die Entwicklung eines Dreizylinders allein erschien den Mercedes-Verantwortlichen unter technischer Leitung von Entwicklungs-Chef Dr. Thomas Weber zu aufwändig. Wenn schon neue Motoren, dann soll das Grundkonstrukt sowohl mit drei als auch mit vier Brennkammern möglich sein.

"Solche Motoren könnten dann auch in die nächste Generation A- und B-Klasse Einzug halten", sagt Schmidt. Die Nachfolger von A- und B-Klasse werden im kommenden Jahr vorgestellt. Sie stehen auf der neuen MFA-Plattform und bekommen zum Start neue Mercedes-Triebwerke. Doch eine Auffrischung der Palette mit kleinen, aufgeladenen Triebwerken aus der Mercedes-Renault-Kooperation scheint im Laufe des Modellzyklus wahrscheinlich. Damit will man die Vorteile nutzen, die gerade Hersteller wie VW / Audi oder Fiat aktuell mit ihren zukünftigen Triebwerksgenerationen vorleben. Groß ist die Angst, dass der Kleinwagenzug an Daimler vorbeifährt, während Konzerne wie Volkswagen, Fiat oder Toyota in die Vollen gehen. Netter Nebeneffekt: der kleine Dreizylinder, der zusammen mit Renault-Nissan entwickelt wird, könnte zudem als Range-Extender in verschiedenen Mercedes-Modellen eingesetzt werden.

Vorbild BMW/PSA

Kangoo könnte Plattform bieten Foto: Renault

Bei den Triebwerken selbst soll sich der Premiumhersteller Mercedes klar von dem Volumenproduzenten Renault abheben. Die neuen Drei- und Vierzylinder bekommen die gleiche technische Basis. Entwickelt werden sie mit Direkteinspritzung, variabler Ventilsteuerung und Turboaufladung. Doch je nach Fahrzeugklasse und Hersteller wird speziell entschieden, mit was die verbauten Motoren ausgestattet werden. Ähnlich läuft es derzeit auch bei BMW / PSA. Nicht ganz unwichtig war bei Mercedes bei der Auswahl des zukünftigen Partners, dass die neuen Modelle auch elektrifiziert werden. Renault setzt seit rund einem Jahr voll auf das Thema Elektroantrieb. Zwar wird darüber nicht nur in der Mercedes-Konzernzentrale auch die Stirn gerunzelt; doch fest steht, dass die neuen Smart-Modelle dem Vorbild des Smart Fortwo ed folgend sämtlich auch eine Elektroversion bekommen wollen.

Neben den neuen Smart-Generationen wollen Zetsche und Ghosn auch bei leichten Nutzfahrzeugen miteinander kooperieren. Im Gespräch ist ein leichter Lieferwagen, für die neue Kangoo-Generation die gemeinsame Basis sein könnte. Zwar ist man in Stuttgart von dem individuellen Design des französischen Grundmodells wenig angetan, doch das Mercedes-Designcenter hat mit der Neuauflage der R-Klasse erst gezeigt, was aus mäßigen Vorgaben noch zu machen ist.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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