Für 90 Minuten der Armut entfliehen

Sozialprojekte in Südafrika

Die Fußball-WM ist zu Ende. Doch die Probleme von Südafrika bleiben. Die Armut in den Townships ist enorm, die Zahl der HIV-Infizierten ist erschreckend. Entsprechend wichtig sind Sozialprojekte. Auch der VW-Konzern engagiert sich am Kap

Von Frank Mertens

"Wenn ich Fußball spiele, fühle ich mich wie ein Star." Der Junge, der das sagt, heißt Thulani. Er ist 14 Jahre alt. Zusammen mit seiner Tante und neun Cousins lebt er im New Brighton Township in der Nähe von Port Elizabeth, einem der Austragungsorte der an diesem Sonntag zu Ende gegangenen Fußball-Weltmeisterschaft.

Leben in Armut

Mit seinen Verwandten teilt sich Thulani ein Haus, was diesen Namen nicht verdient: Es ist eine Bretterhütte mit einem Schlafzimmer, einem Wohnraum, Küche und Bad. So sehen die meisten Häuser in den Townships, den Armenvierteln von Südafrika aus. Ein Bett hat Thulani nicht, meist schläft er auf dem Fußboden in der Küche. Seine Eltern, die nicht mehr zusammen wohnen und im Großraum von Port Elizabeth leben, kümmern sich kaum um den Jungen. Erst durch den Sport, so berichtet Claudia Berker, Projektleiterin beim Kinderhilfswerk Terres des Hommes, wurde Thulani aus seinem tristen Alltag gerissen.

VW-Chef Winterkorn bei der Übergabe der Busse
Martin Winterkorn (vorn) bei der Übergabe der Busse AG/Mertens

Berkel betreut das Projekt "Chance to Play", ein Projekt, mit dem Spiel- und Sportmöglichkeiten für Kinder geschaffen werden, die in Armut aufwachsen müssen. Es ist ein Vorhaben, das der Konzernbetriebsrat von Volkswagen im Jahr 2008 zusammen mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und dem Kinderhilfswerk gestartet hat.

Hütte in KwaLanga
Eine Hütte in KwaLanga AG/Mertens

Bei "Chance to Play" geht es jedoch um mehr als das reine Sportreiben. "Natürlich sollen die Kinder Spaß am Sport haben, doch wir wollen mehr: Wir wollen über den Sport die Kinder erreichen, um mit ihnen über den Umgang mit Gewalt, mit dem Drogenkonsum, vor allem aber über den Schutz vor HIV und AIDS zu sprechen", sagt Berkel.

HIV-Rate von 30 Prozent

Nach den amtlichen Statistiken leben in Südafrika weltweit die meisten HIV-Infizierten, rund 5.3 Millionen Menschen haben das Virus, darunter 220.000 Kinder im Alter unter 15 Jahren. Allein 2008 sind 250.000 Südafrikaner an AIDS gestorben. In den Townships von Port Elizabeth liegt die HIV-Rate bei 30 Prozent. Angesichts dieser Zahlen wird klar, wie wichtig die Aufklärungsarbeit unter den Jugendlichen durch dieses Projekt ist.

Dort, wo die Jugendlichen so gut wie keine Perspektive haben, bietet "Chance to Play" ihnen einen Momente der Unbekümmertheit – und manchmal sogar mehr, wie bei Thulani. Er besucht dank der Unterstützung durch die Geldgeber dieses Projektes mittlerweile eine High School in New Brighton und nimmt regelmäßig am Fußballtraining teil.

Sporttreiben mit südafrikanischen Schülern
Sporttreiben mit südafrikanischen Schülern Sandy Coffey

Damit noch mehr Kinder als bisher von der Arbeit von "Chance to Play" profitieren können, hat VW Südafrika am Rande der Fußball-WM drei weitere Soccer-Busse samt Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Bis zum Jahr 2012 haben sich die Verantwortlichen zum Ziel gesetzt, damit insgesamt 40.000 Kinder zu erreichen. Zur Übergabe der Busse war auch VW-Chef Martin Winterkorn nach KwaLanga angereist, einem der ärmsten Viertel in der Nähe von Uitenhage.

Winterkorn überreichte dabei zugleich einen Scheck in Höhe von 20 Millionen Rand (zwei Millionen Euro) für den Bau eines Jugendzentrums. Diese Investition deckt neben den Baukosten auch die Unterhaltskosten für vier Jahre ab. "Wir bieten nicht nur 6000 Arbeitsplätze in der Region, sondern wir nehmen auch unsere gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst", betonte Winterkorn.

Vielzahl von Sozialprojekten

Eine Familie in KwaLanga
Eine junge Familie in KwaLanga AG/Mertens

"Chance to Play" ist dabei nur eines von einer Vielzahl von Sozialprojekten, die VW Südafrika unterstützt. Ein weiteres ist GUSCO. Dahinter verbirgt sich eine Kooperative von 28 Frauen, die pro Woche 9000 Einkaufstaschen nähen und sie in einer Supermarktkette für einen Stückpreis von 7,95 Rand verkaufen. Dafür stellt VW Südafrika das Gebäude zur Verfügung.

Das Geschäft der Kooperative läuft so gut, dass die Frauen expandieren wollen. "Wir planen eine Steigerung der Produktion bis zu 40.000 Taschen pro Monat", berichtet Annette Breda, eine von 23 Eigentümerinnen von GUSCO.

Frauen nähen Tüten bei GUSCO
Frauen nähen Tüten bei GUSCO Sandy Coffey

Der Verdienst der Frauen liegt übrigens bei 4000 Rand im Monat, rund 400 Euro. Dass ist mehr als der Durchschnittsverdienst in Südafrika, der sich auf 300 Euro beläuft. Entsprechend zufrieden sind die Frauen, die zumeist die Alleinverdiener in der Familie sind, auch mit ihrem Job. Die Zufriedenheit kommt auch daher, dass sie eigenverantwortlich arbeiten.

Frauen der Kooperative GUSCO bei der Produktion von Taschen
23 Frauen sind Eigentümerinnen von GUSCO AG/Mertens

Auch wenn nach dem Finale der Fußball-WM am Sonntag das Interesse an Südafrika wieder nachlassen wird, eines bleibt: Das Engagement von Unternehmen wie VW oder NGO´s, die unabhängig von Großereignissen sich sozial in diesem Land mit seinem Menschen engagieren.

Viele Projekte erscheinen angesichts der grenzenlos erscheinenden Probleme in Südafrika zwar nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein - für Einzelschicksale wie dem von Thulani bedeuten sie aber mehr, viel mehr. Thulani hat wieder eine Perspektive auf ein Leben jenseits der schieren Armut und ein Leben hoffentlich ohne HIV.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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