Fahrt in eine ungewisse Zukunft

Opel

Opel wartet auf die staatliche Finanzspritze. Während sich Opel-Chef Nick Reilly optimistisch gibt, sehen die Vorzeichen für eine gesicherte Zukunft nicht ganz so gut aus.

Von Christian Ebner

Opel-Chef Nick Reilly übt sich nach dem Burgfrieden mit seinen Beschäftigten weiter in Optimismus: Zwei Millionen Autos werde Opel künftig pro Jahr bauen und - wichtiger noch - auch verkaufen können, wenn man dem Unternehmen eine faire Chance einräume. Darunter versteht der Opel-Sanierer gemeinsam mit Betriebsratschef Klaus Franz öffentliche Bürgschaften über 1,8 Milliarden Euro, wobei der größere Teil von der Bundesrepublik und den vier Bundesländern mit Opelwerken kommen soll. Gemeinsam verweisen sie auf die Opfer, zu denen sich die Beschäftigten bereit erklärt haben. Doch die Zukunft der angeschlagenen General-Motors- Tochter im hart umkämpften Automarkt Europa ist mehr als ungewiss.

Auf der Suche nach neuen Kunden

«Wir wachsen mit neuen Modellen und neuen Märkten», erklärt am Dienstag ein Opel-Sprecher in Rüsselsheim und beschreibt hoffnungsfroh die Modell-Offensive in den kommenden Jahren: Die noch jungen Insignia und Astra liefen bestens, bald starte zudem der bei Familien und Rentnern beliebte Meriva in einer neuen Version. Reilly hat zudem einen neuen Kleinstwagen und ein Cabrio angekündigt. Neue Opel-Kunden will der Autobauer trotz weltweiter Überkapazitäten in Nordafrika, in Russland und in China finden.

Was die neuen und technisch durchaus anspruchsvollen Modelle von denen der Konkurrenz unterscheidet, bleibe für den Kunden allerdings unklar, kritisiert Professor Markus Voeth aus Hohenheim. Die ramponierte Marke hätte sich nach seinem Dafürhalten komplett neu erfinden müssen, statt sich über Monate und Jahre zum Mittelpunkt von Subventionsdiskussionen zu machen. Das führe nur zu weiterer Verunsicherung der Kunden und Druck auf die Preise. Vom Reilly-Leitbild des «grünen Volumenherstellers» ist Opel jedenfalls noch weit entfernt.

«Opel ist eine Marke im Sinkflug»

Tatsächlich gehen die Marktanteile der Marke mit dem Blitz seit Jahren kontinuierlich zurück. Im Jahr eins nach der Abwrackprämie verkaufte Opel bis April auf seinem wichtigsten Markt Deutschland 36,4 Prozent weniger Autos, mit 6,6 Prozent Marktanteil war der einstmalige VW-Rivale nur noch auf Platz fünf der Zulassungszahlen, hart verfolgt vom US-Konkurrenten Ford. In Europa sieht es nicht viel besser aus. Wie da eine annähernde Verdoppelung der jetzigen Absatzzahlen bis 2015 gelingen soll, bleibt unklar.

«Opel ist eine Marke im Sinkflug», schreibt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, der schon länger gegen staatliche Subventionen für die GM-Tochter argumentiert. Der jüngst wiedererstarkte US- Konzern könne seine Europatochter mit zuletzt 48 000 Beschäftigten aus eigener Kraft retten und habe zudem offenbar ausreichend Kapital, sein Produktionsvolumen in China um mehr als 400 000 Fahrzeuge pro Jahr auszubauen. Es sei wenig verständlich, warum solch ein Unternehmen in Europa Kreditbürgschaften benötige.

Alleinstellungsmerkmal mit Ampera

Einzig das Elektroauto Opel Ampera, das als Chevrolet Volt schon in diesem Jahr auf dem US-Markt startet, ist so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal für GM. Doch das in Rüsselsheim entwickelte und zunächst ausschließlich in Detroit gebaute Produkt ist schwierig zu erklären: Der flotte Ampera fährt nur die ersten 60 Kilometer mit hoffentlich regenerativ gewonnenem Strom aus der Steckdose, danach greift ein handelsüblicher, benzingetriebener Opel-Motor als Generator ein und sorgt für eine Reichweite von rund 500 Kilometern.

Das ist zwar viel weiter als bei reinen Elektrofahrzeugen und macht den Ampera durchaus zum möglichen Familienvehikel, erschwert aber auch die Diskussion um die Wirtschaftlichkeit. In einem normalen Autoleben könnten 70 bis 80 Prozent der Strecken allein mit Strom gefahren werden, erwartet Opel und hat daraus einen Benzinverbrauch von 1,6 Litern auf 100 Kilometer und einen Co2-Ausstoß von weniger als 40 Gramm errechnet. Die Ersparnis muss der Käufer aber großteils vorfinanzieren, denn die imposante Ampera-Batterie treibt den Preis für den Wagen in Astra-Größe voraussichtlich auf über 40.000 Euro.

5000 Euro weniger pro Jahr

Bleiben die neuen Märkte, die von den Experten skeptisch betrachtet werden: In Russland hat das gescheiterte Opel-Joint- Venture mit Magna und der Sberbank viel politisches Porzellan zerschlagen. In Nordafrika gibt es nach Voeths Meinung nur schwache, «pulverisierte Märkte». In China hat GM viele eigene Pläne, die im Zweifel auch ohne die europäische Tochter auskommen.

Opel/Vauxhall bleibe langfristig auf den stagnierenden Markt in Europa angewiesen, sagt der FH-Professor Stefan Bratzel aus Bergisch Gladbach. Und das bedeute einen weiter verschärften Wettbewerb über die Produktionskosten. Die Beschäftigten haben für die kommenden fünf Jahre auf rund 1,3 Milliarden Euro verzichtet, um künftige Investitionen zu ermöglichen. Jeder Opelaner hat damit im Jahr rund 5000 Euro weniger auf dem Lohnzettel, soviel ist schon vor der Berliner Entscheidung über die Milliardenbürgschaft sicher. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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