Fahren wie von Geisterhand

Testfahrroboter

Der Testfahrer hat ausgedient. Daimler setzt zur Erprobung seiner neuen Modelle und Assistenzsysteme auf das automatisierte Fahren. Roboter übernehmen die Aufgaben des Menschen

Der Testfahrer hat ausgedient. Mercedes erprobt in Sindelfingen Roboter, die viel präziser arbeiten und besser vergleichbare Ergebnisse liefern. Die künstlichen Fahrer sind für die Entwicklung künftiger Assistenzsysteme und andere Sicherheitsfeatures unverzichtbar.

Erprobung künftiger Modelle

Für das "automatisierte Fahren" wurde in Sindelfingen extra ein 20 000 Quadratmeter großes Gelände geschaffen. Mercedes erprobt dort künftige Modelle und Modellvarianten. Die Testwagen absolvieren ihre Manöver mittels GPS-Navigation zentimetergenau und zeitlich auf die Sekunde abgestimmt. Nicht zuletzt können so alle denkbaren Testszenarien in der Realität ablaufen, ohne einen Menschen zu gefährden.

Wie von Geisterhand gesteuert sausen die Limousinen über den Platz, mal eng hintereinander in der Kolonne, mal bei waghalsigen Überholmanövern oder im Kreuzungsverkehr haarscharf aneinander vorbei. Der Roboter am Steuer erledigt alle Aufgaben ohne Nerven zu zeigen - er besitzt ja keine. Auf dem Fahrersitz bedient er über ein Gestänge Lenkrad, Gaspedal und Bremse, als würde ein Mensch die S-Klasse-Limousine fahren.

Hohe Präzision

Jeder Vorgang wird mit hoher Präzision ausgeführt und auf den Millimeter wiederholt, wie auch die Reifenspuren auf dem Asphalt beweisen. Immer wieder wird zwischendurch programmiert, geprüft und abgestimmt. Der Autopilot erinnert an sein Pendant im Flugzeug. Instrumente und Geräte messen und melden jede Abweichung vom Fahrprogramm. Von einer Leitzentrale, die wie ein kleiner Flugplatz-Tower aussieht, können die Versuchsingenieure jederzeit direkt auf die Fahrzeuge zugreifen.

Die Testfahr-Roboter sind aber nicht nur genauer als der Mensch, sondern auch physisch deutlich belastbarer. Sie entlasten ihre Kollegen aus Fleisch und Blut zum Beispiel bei der schnellen Fahrt über eine Bergkuppe. Sie wird mit Hilfe einer Rampe nachgestellt. Die schweren Limousinen heben beim Sprung über die schanzenartige Rampe komplett ab und krachen dann auf den Boden, ohne dass der Airbag auslösen darf. Für eine Wirbelsäule wäre das purer Stress.

Künftige, komplexere Assistenzsysteme verlangen nach noch mehr Genauigkeit und die braucht Mercedes, um seine Kompetenz auf dem Sicherheitssektor zu behalten und interne Anforderungen zu erfüllen. Längst liegen die Herausforderungen weit über der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, wie Ulrich Mellinghoff, Leiter Sicherheit und Erprobung bei Mercedes betont. (mid)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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