Drama vor dem Schlussakt

Staatsbürgschaft für Opel

Das Drama um Opel beschäftigt seit eineinhalb Jahren die Republik. Jetzt sieht es so aus, als ob die Bundesregierung kein Staatsgeld herausrücken will. Der Betriebsrat sieht schwarz für den Autobauer.

Von Tim Braune und Harald Schmidt

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle blieb in der Höhle des Löwen ganz locker. Es sei ja ein offenes Geheimnis, was er von der Milliardenbürgschaft für Opel halte, sagte der FDP- Mann am Dienstag bei einem Besuch im Hauptquartier des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin-Mitte.

Dank Köhler günstiger Zeitpunkt

Inzwischen deutet viel auf ein Nein der Regierung hin. Gewerkschaften und Betriebsräte warnen zwar vor dramatischen Folgen für den Autobauer - doch Brüderle will ein Signal setzen, dass sich der Staat mit dem Abflauen der Krise wieder aus der Wirtschaft heraushält.

Eine endgültige Entscheidung könnte schon in den nächsten Tagen fallen. Für die Regierung wäre der Zeitpunkt günstig, das leidige Thema möglichst geräuschlos abzuräumen. Denn Deutschland verdaut gerade den Rücktritt des Bundespräsidenten. Gleichzeitig wird die Koalition am kommenden Montag ihr Milliarden-Sparpaket mit tiefen Einschnitten auch im Sozialbereich auf den Tisch legen.

Unsicherheitsfaktor Angela Merkel

Wie reagiert die Bundeskanzlerin? Foto: dpa

Wenn alle den Gürtel enger schnallen müssen, könne der Staat einem Industriekonzern nicht unter die Arme greifen, sagen Koalitionspolitiker. Sie fühlen sich von unabhängigen Beratern bestärkt, die nach den Worten von Brüderle starke Bauchschmerzen bei einer Rettungsaktion für Opel hätten.

Ein Unsicherheitsfaktor bleibt: Wie verhält sich die Kanzlerin? Angela Merkel hat in den vergangenen Wochen zum Thema Opel geschwiegen. Sie hatte andere, größere Sorgen. Es könnte aber durchaus sein, dass die CDU-Chefin zu einem früheren Zeitpunkt ihren Parteifreunden in den Opel-Ländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen Hilfe für den Autobauer, an dem Zehntausende Jobs hängen, versprochen hat

Reilly geht von Bürgschaft aus

Opel-Chef Nick Reilly
Optimistischer Opel-Chef Nick Reilly Foto: Opel

Für Opel-Chef Nick Reilly wäre ein Nein aus Berlin eine bittere Niederlage. Seit der Brite im November 2009 das Steuer bei dem angeschlagenen Autobauer übernahm, verbreitete er Optimismus.

Er versprach, alle deutschen Werke zu erhalten und Milliarden in neue Modelle und Technologien zu investieren - vorausgesetzt, sein Kampf für Staatshilfen ist von Erfolg gekrönt. Zumindest nach außen bleibt der Manager vorerst bei dieser Sicht der Dinge. Er ließ einen Sprecher ausrichten: «Reilly geht davon aus, dass wir eine Bürgschaft bekommen. Daher befassen wir uns nicht mit anderen Szenarien.»

Drei Werke zur Disposition

Das Opel-Werk in Eisenach Foto: dpa

Hingegen malt der Betriebsrat bereits schwarz: Die drei deutschen Werke in Bochum, Eisenach und Kaiserslautern stünden zur Disposition, wenn die US-Mutter General Motors (GM) ohne Staatshilfen nach knallharten Gesichtspunkten sanieren müsste, sagte der Eisenacher Betriebsratschef Harald Lieske.

Ähnlich äußerte sich sein Bochumer Kollege Rainer Einenkel: «Es gibt einen Finanzplan für die europäischen Werke, der 3,7 Milliarden Euro umfasst. Wenn ein Teil dieses Geldes nicht kommt, müssen die Pläne möglicherweise überdacht werden. Dann werden Länder, die Geld dazugeben, Vorteile haben.»

Experten raten ab

Auto-Experten raten schon länger von staatlicher Unterstützung ab. «Ich glaube, dass Bürgschaften für Opel sehr schwer zu begründen wären», sagte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. GM werde 2010 dank der boomenden Geschäfte auf den Hauptabsatzmärkten USA und China kräftige Gewinne von bis zu zwei Milliarden Dollar einfahren.

Daneben spreche die deutsche Staatsverschuldung gegen Hilfen: «Es ist schwer vorstellbar, von den Bürgern enorme Sparanstrengungen zu verlangen, und andererseits einem Unternehmen zu helfen, das sich eigentlich selbst helfen könnte», sagte Bratzel.

Beschädigtes Image

Der Duisburger Experte Ferdinand Dudenhöffer rät Opel sogar, selbst auf Staatshilfen zu verzichten. Die Diskussion belaste das Bild des Herstellers in der Öffentlichkeit: «Selbst wenn sie gewährt würden - Staatshilfen machen aus Opel eine Verlierer-Marke.»

Wie schwer das Image beschädigt sei, zeige der ständige sinkende Marktanteil Opels auf zuletzt 6,6 Prozent in Deutschland im April. Das sei der schlechteste Wert seit mehr als 40 Jahren. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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