Digitale Beifahrer mit menschlichen Formen

Von der virtuellen Sekretärin bis zum Witze erzählenden Bordroboter – die Technik im Auto wird immer ausgefeilter. Demnächst werden wohl auch Avatare mitfahren.

Elektronische Assistenz- und Bediensysteme im Auto gibt es immer mehr. Sie verbessern den Komfort, entlasten den Fahrer und wachen über seine Sicherheit. Bislang allerdings wirkt die Elektronik meist im Verborgenen und meldet sich nur in besonderen Gefahrensituationen zu Wort. Geht es nach den Entwicklern vor allem der japanischen Autohersteller und deren Designstudien, dann wird Kollege Computer künftig aber tatsächlich zu einem elektronischen Beifahrer und nimmt beinahe humanoide Formen an.

«Schon heute sind in vielen japanischen Navigationssystemen virtuelle Sekretärinnen programmiert, die den Fahrer morgens begrüßen, ihm einen schönen Tag wünschen und erst nach einer höflichen Verbeugung den Bildschirm für die Karte frei machen», sagt der deutsche Designer Tobias Nagel, der bei Nissan in Tokio die künftigen Trends untersucht. Weil Japaner in Millionenstädten wie Tokio auf der einen Seite zunehmend vereinsamen und auf der anderen Seite in technische Spielereien vernarrt seien, würden die Kunden der Zukunft damit aber nicht mehr zufrieden sein, schätzt Nagel.

Deshalb haben die Entwicklungsabteilungen der Hersteller zur Motorshow in Tokio (noch bis zum 11. November) die ersten Autos vorgestellt, in denen alle Assistenzsysteme in einem kleinen Roboter gebündelt sind. Dieser übernimmt damit die Rolle des elektronischen Beifahrers.

Pivo II & Rin

Am weitesten geht dabei Nagels Entwurf Pivo II. Das von vier Elektromotoren in den Radnaben angetriebene Stadtauto trägt im Cockpit einen digitalen Beifahrer, dem die Designer sogar ein Gesicht gegeben haben. Mit Hilfe einer Videoanalyse erkennt der Roboter nach Angaben von Entwickler Takeshi Mitumara nicht nur, wer gerade einsteigt und kann den Fahrer deshalb persönlich begrüßen. Er liest aus den Gesichtszügen auch, ob der Mensch am Steuer gut- oder schlechtgelaunt, ausgeschlafen oder müde ist. «Aus Studien wissen wir, dass ein schlechtgelaunter Fahrer ein höheres Unfallrisiko hat», sagt Mitumara und erklärt, warum der Roboter in solchen Fällen Grimassen schneidet, Witze erzählt und den Fahrer in ein Gespräch verwickelt.

Auch die Entwickler von Toyota sind um das Wohlbefinden ihrer Kunden derart besorgt, dass sie zur Messe die Studie Rin auf die Räder gestellt haben. Gestaltet im Stil eines japanischen Teehauses, soll sie eine Oase der Ruhe und der Stille sein. Welche Atmosphäre gerade passt, entscheidet die Elektronik anhand der Stimmungslage des Fahrers, die über EKG-Sensoren für den Herzschlag am Lenkrad ermittelt wird.

Avatare an Bord

Aber die Japaner sind mit diesem Ansatz nicht ganz alleine. Auch VW denkt über virtuelle Helfer für den Autofahrer nach und hat für den Geländewagen Tiguan die virtuelle Beifahrerin Carla entwickelt. Dieser sogenannte Avatar ist eine digitale und multimediale Betriebsanleitung, die dem Fahrer schnell, einfach und unterhaltsam das neue Navigationssystem nahe bringen soll. In einem interaktiven Dialog mit dem Fahrer demonstriert Carla - unterstützt von animierten Illustrationen - jeden einzelnen Bedienschritt.

Wie man mit Elektronik auch auf anderem Wege die Bedienung eines Autos erleichtern kann, zeigt das Audi Mobile Device in der Studie Metroproject quattro. Denn für den Vorboten des künftigen Kleinwagens A1 haben die Audi-Entwickler den Zündschlüssel in ein elektronisches Zauberkästchen integriert, das zudem als Mobiltelefon, Navigationssystem, MP3-Player und portabler Videomonitor fungiert.

Auch Mercedes spinnt den Faden weiter: Für das Bedienkonzept der Forschungslimousine F700 haben sich die Schwaben von der virtuellen Parallelwelt «Second Life» inspirieren lassen. So wie dort jedermann sein Alter-Ego programmieren kann, gibt es auch in der S-Klasse der Zukunft einen sogenannten Avatar, der die wichtigsten Infotainment-Einstellungen vornimmt. Nicht mehr der Fahrer wählt den Radiosender oder das Navigationsziel. Er überträgt diesen Auftrag vielmehr wie im echten Leben per Sprachkommando seiner Sekretärin, die in der Forschungslimousine allerdings nur ein digitales Wunschbild ist. (Thomas Geiger/dpa)

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