«Die nächste Hängepartie kommt bestimmt»

Opel-Beschäftigte

Mit Skepsis haben die Arbeitnehmer von Opel die überraschende Wende im Streit um Bürgschaften aufgenommen. Neben einem ramponierten Image befürchten die Arbeiter neue Schwierigkeiten in der Zukunft.

Schichtwechsel am Tag nach der Kehrtwende im monatelangen Gezänk um Bürgschaften für den Sanierungskandidaten Opel. Meist in kleinen Grüppchen passieren die Beschäftigten der Opel Eisenach GmbH am Donnerstagmorgen das Werktor. Viele gehen schweigend zu ihren Autos, an denen wegen der Fußball-WM kleine Deutschland- Fahnen flattern. Manche diskutieren noch die neuesten Nachrichten aus Rüsselsheim und Detroit. «Die Marke haben sie auf jeden Fall ramponiert», sagt ein älterer Mann aus dem Karosseriebau.

Marke ramponiert, Vertrauen auch

Als er bei Opel begann, war das 1992 eröffnete Eisenacher Werk mit seinen 2000 Beschäftigten Aushängeschild für den Aufbau Ost, wurde als erfolgreiche Milliarden-Investition des US-Autokonzerns General Motors (GM) gefeiert. «Ich war immer stolz, bei Opel zu arbeiten», sagt der fast 60-Jährige. Enttäuschung klingt bei dem Satz mit. "Was jetzt kommt? Keine Ahnung.» Nicht nur die Marke Opel sei ramponiert, auch das Vertrauen. «Wir waren doch schon einmal gerettet», sagt einer seiner Kollegen ironisch und verweist auf die geplante Übernahme durch den Automobilzulieferer Magna. «Es macht keinen Spaß, immer wieder auf dem Prüfstand zu stehen.»

«Die letzten zwei Jahre haben dem Image so geschadet», schimpft ein Arbeiter aus der Lackiererei. Seinen Namen will er, wie seine Kollegen auch, nicht nennen. Die Ankündigung des Mutterkonzerns GM, die Opel-Rettung mit eigenem Geld zu finanzieren, sieht er jedoch positiv. «Das ist ein Schritt nach vorn, da kommen wir nun hoffentlich aus den Schlagzeilen raus und das Parteien-Hickhack hat ein Ende.» Andere hat die Debatte um Staatshilfen geärgert. «Wir wollten doch kein Geld, wir wollten Bürgschaften.» Da sei es schon besser, dass GM jetzt wieder selbst genug Geld verdiene.

Abgestumpft

Die vielen Monate seit November 2008, als Opel nach Absatzeinbrüchen um Staatshilfe nachsuchte, haben bei den Eisenacher Arbeitern an den Nerven gezerrt. «Jetzt sind wir abgestumpft», bekennt einer von ihnen. «Wem soll man heute überhaupt noch trauen - der Politik, General Motors?», fragt ein anderer.

Nach der Entscheidung von GM und Opel, die Sanierung aus eigener Kraft, mit elf Milliarden Euro an Investitionen und mit den Einkommenszugeständnissen der Belegschaft zu stemmen, hat die Politik eigentlich nichts mehr zu melden. Nicht so in Thüringen. Am Donnerstag machten sich die Eisenacher Geschäftsführung und Betriebsrat Harald Lieske auf den Weg nach Erfurt. Zum Gespräch geladen hatte Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD).

Landesregierung stützt

Die Landesregierung werde alles dafür tun, den Standort Eisenach zu stützen, hatte Machnig am Vortag angekündigt. Von Investitionshilfen ist die Rede, wenn das Corsa-Werk zusätzlich den Zuschlag für den Junior, eine Art Luxus-Kleinwagen, bekommt. Sogar eine vom Land finanzierte Mietfabrik für Opel wird diskutiert.

«Die Thüringer Regierung hat sich ordentlich reingehängt, will auch neue Wege gehen», meint einer der Opelaner anerkennend. Das könnte auch nötig werden. Das Gespräch der Arbeiter kommt schnell auf die nächste drohende Hängepartie. Von Kurzarbeit für die 1700 Beschäftigten nach den Werksferien im Sommer war in der Nachtschicht die Rede. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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