Captain Future

Neue elektronische Helfer von VW

VW will das Autofahren leichter und sicherer machen. Die elektronischen Helfer parken mittlerweile nicht nur ohne Fahrer ein, sondern erkennen auch brenzlige Situationen.

Von Wolfgang Gomoll

Ein Samstagvormittag auf dem Parkplatz eines großen Supermarkts genügt, um automobiles Leiden hautnah zu erleben. Menschen zwängen sich aus ihren Autos, die links und rechts zugeparkt sind. Türen schlagen gegen Blech. Mehr oder weniger laute Flüche begleiten den Kampf um einen Stellplatz. Wenn man einen ergattert, dann ist die Lücke oft verdammt schmal. Grund: Die Autos werden immer breiter, aber die Stellplätze wachsen nicht mit. Doch die Erlösung naht.

Autonomes Fahrzeug

Nachdem VW schon einen funktionierenden halbautomatischen Parkassistenten für parallele Parklücken am Straßenrand in Serie hat, tüfteln die Wolfsburger an einem elektrischen Helfer für quer abzustellende Fahrzeuge. Der soll vollautomatisch per Knopfdruck funktionieren. Der Fahrer steigt aus und das Auto rangiert selbstständig in die Lücke.

Das System besteht hauptsächlich aus serienmäßigen Komponenten, wie etwa Rückfahrkameras vom Touareg und herkömmliche Ultraschall-Parksensoren. «Wir wollen möglichst auf aufwendige und teure Labor-Sensorik verzichten. So hat das System eine größere Chance, in die Serie zu kommen», erklärt Richard Auer, Projektleiter «Autonomes Parken» bei Volkswagen.

Und so funktioniert das Ganze: Der Fahrer steuert das Auto an der Parklücke entlang. Die Kameras in den Außenspiegeln spähen nach einem passenden Platz. Dazu wird der von der jeweiligen Kamera aus verschiedenen Perspektiven aufgezeichnete Videofilm in einem Rechner zu einem 3-D-Bild zusammengesetzt. Ist genug Raum vorhanden, kann der Fahrer bequem aussteigen. Jetzt rangiert das Auto eigenständig in die Nische. Hilfsmittel sind dabei die erwähnten Ultraschall-Sensoren (vorne und hinten), die serienmäßige elektromechanische Lenkung, ein Bremsbooster und ein DSG-Getriebe.

Vernetzung verschiedener Sensoren

Der Park Assist von VW Foto: VW

In der Praxis funktioniert die Technik und dirigiert den Passat souverän in die Parklücke. Notfalls auch mit mehren Zügen. Bei diesem Assistenz-System greift ein Prinzip, das sich bei immer mehr Herstellern durchsetzt: die Vernetzung verschiedener Sensoren zu einer leistungsfähigen Einheit. Ermöglicht wird diese Kommunikation der elektronischen Helfer durch den CAN-BUS, der einen schnellen Datentransfer ermöglicht. Dass die Rechenleistung der Prozessoren in den letzten Jahren extrem zugenommen hat, ist sicher auch kein Hindernis.

Diese Kombination sticht auch beim Parkhaus-Assistenten, der in Zukunft teure Blechschäden an vermeintlich sinnlos herumstehenden Betonsäulen verhindern soll. Der Grundaufbau ist ähnlich eingängig wie beim autonomen Einparken: 16 Ultraschallsensoren (jeweils acht), die entlang der vorderen und hinteren Stoßstange verteilt sind, tasten die Umgebung rund um das Fahrzeug ab und «merken» sich die Position der Hindernisse. Aufgrund von Parametern wie Lenkradeinschlag und Gaspedalstellung wird der Fahrweg berechnet und akustisch sowie visuell per Display-Anzeige vor einem Entlangschrammen gewarnt.

Entlastung auf schmaler Fahrbahn

Im Parkhaus bei relativ geringen Geschwindigkeiten ist so eine Kollision mit einem Betonpfeiler zwar ärgerlich, aber nur bedingt gefährlich. Anders schaut die Sache im fließenden Verkehr aus. Ein stehengebliebenes Auto, das zum Teil auf der Fahrbahn steht oder eine Fahrbahnverengung, wie sie bei Baustellen vorkommt, bringen den Fahrfluss oft ins Stocken. Viele Autofahrer fühlen sich auf der schmalen, nur zwei Meter breiten linken Baustellen-Spur unsicher. Zumal nicht selten ein schlingender Lastwagen auf der rechten Fahrbahn fährt.

Auch hier denken die Wolfsburger bereits über tatkräftige Hilfe nach. Das Forschungsprojekt mit dem Titel «Intelligente Querführung» vereint im Grunde zwei bekannte Fahrassistenz-Systeme in einem: die Automatische Abstands-Regelung (ACC) und der Spurhalte-Assistent (Lane Assist). Garniert wird diese Apparatur mit einer Stereo-Kamera (links und rechts neben dem Innenspiegel) und einem leistungsstarken Steuergerät, das die Vielzahl der Informationen verarbeitet und einen Ausweich- bzw. Fahrweg berechnet.

Teilautomatisches Fahren als Ziel

Taucht nun ein Objekt auf oder wird die Fahrbahn enger, lenkt das Auto automatisch in die Mitte der Spur bzw. an dem Objekt vorbei. Das System klappt reibungslos, auch wenn Fahrversuche des Testers, bei denen mit 100 km/h auf ein Hindernis zugefahren wurde, den VW-Ingenieur etwas ins Schwitzen brachte («bei dieser Geschwindigkeit habe ich es noch nicht ausprobiert»). Alle automobilen Kontroll-Freaks können sich entspannt zurücklehnen: Der Fahrer behält immer die Kontrolle und kann den Lenkimpuls mit einer Kraft von mehr als drei Newtonmetern überstimmen.

Der nächste Schritt dieser Entwicklungsreihe dreht bereits auf dem VW-Testgelände in Ehra-Lessien seine Runden. Das Ziel: (teil)automatisches Fahren, das den Fahrer bei Verkehrssituationen, wie etwa Stop-and-Go oder langsamen Kolonnenverkehr, entlastet. Zwar steckt beim «iCar» - immerhin ein Passat Variant - der Kofferraum voller Elektronik, aber der Proband machte durchaus eine gute Figur. Vorherfahrende Autos, die plötzlich bremsten und stehen blieben, wurden zuverlässig erkannt und führten ebenfalls zu einem Verringern der Geschwindigkeit, einem Bremsen bis zum Stillstand bzw. zu einem souveränen Spurwechsel mit Überholmanöver, der ausgelöst wird, indem der Fahrer den Blinker setzt. Dass dieser Autopilot noch ein gutes Stück von der Serienreife entfernt ist, liegt schon alleine in der Komplexität des Verkehrs und der Vielfalt der Informationen und Eventualitäten, die berechnet werden müssen, begründet.

Car-to-Car-Kommunikation

Diese Aufgabe könnte durch das Fortschreiten einer anderen Technologie erleichtert werden. Car-to-Car- bzw. Car-to-X-Kommunikation heißt das Zauberwort. Die europäischen Hersteller haben sich zu einem Forschungskonsortium zusammengeschlossen, das an einheitlichen Standards arbeitet. Autos sollen schon bald «um die Ecke» blicken und durch Wände oder Lastwagen hindurchsehen können. «Unterhalten» sich die Fahrzeuge miteinander, kann der Verkehr intelligent geregelt werden. So werden Staus schon im Entstehen erkannt. Ergänzend dazu hilft die Car-to-X-Komunikation. Sie zeigt zum Beispiel an, wann die Ampel rot wird bzw. wieder grün und macht so den Verkehrsfluss harmonischer, sicherer und effizienter. Ein exaktes Timen der Umschaltphase der Ampel würde den CO2-Ausstoß um etwa 15 Prozent verringern. Dass dann auch schnelles Internet im Auto mit all seinen Annehmlichkeiten möglich sein wird, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

Doch manchmal kann keine Technik der Welt einen Unfall verhindern. Für den unangenehmen Fall der Fälle, dass man ungebremst ein Hindernis torpediert, ist eine Lösung angedacht, die nicht nur Waffenfetischisten erfreuen dürfte. Das Prinzip ist nämlich relativ simpel. Erkennt die Elektronik, bestehend aus einer 24-GHz-Nahkamera, einer 77-GHz-Fernkamera und einer Stereokamera, dass ein Crash unvermeidlich ist, wird eine Vollbremsung eingeleitet. Dazu schießt eine kleine Apparatur am ABS-Steuergerät einen Kolben wie eine Gewehrkugel ab und baut so schlagartig Bremsdruck auf. Diese Prozedur wird in den letzten drei Zehntelsekunden vor dem Einschlag ausgelöst und verringert so die Geschwindigkeit von 55 auf 50 km/h. Hört sich marginal an, macht aber einen großen Unterschied. Die Problematik ähnelt den vorher geschilderten Systemen. Die Elektronik muss zuverlässig entscheiden können, ob eine Vollbremsung nötig ist.

Sehen verbessern

Die beste Vollbremsung ist aber immer noch die, die gar nicht stattfindet. Das wissen natürlich auch die VW-Ingenieure und forschen deshalb, wie man das periphere Sehen des Fahrers, also das aus den Augenwinkeln heraus verbessern kann, ohne den Menschen mit zu viel Informationen zu belasten. Da das menschliche Auge nur einen sehr geringen Ausschnitt scharf sehen kann, stößt auch ein klassisches Head-up-Display mit seinen Piktogrammen und Schriftzeichen schnell an seine Grenzen.

Das Ei des Kolumbus sollen Leuchtdioden sein, die an der Fensterwurzel der Windschutzscheibe und der A-Säule angebracht sind und den Fahrer mit Lichtreflexionen auf mögliche Hindernisse hinweisen, lange bevor es das menschliche Auge erkennen kann. Vom Grundsatz her scheint die Idee logisch, aber noch stören die blitzenden Lichtketten mehr, als dass sie den Fahrer entspannen.

Dass die Tüftelei der Ingenieure das Autofahren bei immer komplexer werdenden Verkehrssituationen einfacher macht, zeigt die Reaktion einer Stewardess, als sie vom automatischen Parkassistenten hörte und mit leuchtenden Augen sagte: «Wie bitte? Ein Auto, das selbstständig ein- und ausparkt? Das ist was für uns Frauen.» Sicher nicht nur für die.

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