Autoschlüssel mutieren zu Info-Centern

Der alte Bart-Schlüssel hat längst ausgedient. Die modernen Türöffner vereinen immer mehr Funktionen auf sich und sind längst zu Designobjekten geworden.

Autofahrer haben immer häufiger ein «Schlüsselerlebnis» in der Hosentasche. «Seit einigen Jahren schenken die Hersteller dem symbolischen Wert eines Schlüssels immer mehr Beachtung», sagt Ulrich Müller, der beim Zulieferer Huf Hülsbeck & Fürst in Velbert (Nordrhein-Westfalen) die Produktentwicklung leitet. «Deshalb wird nicht nur in neue Funktionen, sondern auch in das Design investiert.» Käufer eines Neuwagens erhalten nicht einfach ein Stück Metall im Kunststoffmantel, sondern oft ein regelrechtes Kleinkunstwerk, das auch als Handschmeichler taugt. Nur wenn so ein Schlüssel einmal verloren geht, wird aus Freude schnell Frust.

Zahlreiche Funktionen

«Natürlich sind moderne Türöffner mit vielen Funktionen und ausgefallenen Formen teurer als der alte Bartschlüssel, den man in jedem Baumarkt nachmachen lassen kann», sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenorganisation KÜS in Losheim am See (Saarland). Dafür sind sie allerdings auch sicherer: «Elektronische Verriegelungssysteme müssen mindestens 50.000 Varianten haben, wo beim mechanischen Schlüssel nur 1000 verschiedene Schlüssel pro Baureihe reichen», ergänzt KÜS-Ingenieur Thorsten Helfen.

Ohne Bart

Die jüngste Neuheit gibt es bei Audi. Nach der Konkurrenz von Mercedes und BMW haben nun auch die Ingolstädter für den A5 einen Schlüssel ohne sichtbaren Bart entwickelt. Das mit verchromtem Kunststoff ummantelte Hightech-Klötzchen wird nach Angaben von Audi-Sprecher Jochen Grüten in einen Schlitz im Armaturenbrett geschoben und startet das Auto durch Drücken statt Drehen. Dass der neue Schlüssel relativ groß und schwer ist, ohne eine mechanische Funktion zu erfüllen, sei eine Frage des Geschmacks, argumentiert Designchef Stefan Sielaff: «Das ist ein kleines Beispiel dafür, wie man ein altes Werkzeug stilistisch elegant erneuert».

Doch Audi hat beim A5-Schlüssel nicht nur die Form geändert, sondern auch die Funktionen erweitert. Nun speichert der Chip auch den aktuellen Kilometerstand oder Warnmeldungen aus dem Cockpit. «Das erleichtert und beschleunigt beim Service die Annahme des Fahrzeugs durch den Kundendienstmitarbeiter», erläutert Audi-Sprecher Grüten.

«Sprechende» Schlüssel

Autoschlüssel bekommen jedoch nicht nur ein Gedächtnis, sie lernen auch «Sprechen». «Mussten Autofahrer bislang am Türgriff ziehen, bevor sie wussten, dass ihr Wagen verschlossen ist, hält heute der Schlüssel diese Information für sie bereit», erläutert Enno Pflug vom Zulieferer Siemens VDO mit Sitz in Regensburg. «Ein Knopfdruck genügt, und auf eine Entfernung von bis zu 100 Metern zeigen grüne oder rote Leuchtdioden an, ob der Wagen verriegelt ist», erläutert Pflug. Mit dem «bidirektionalen Schlüssel» kann je nach System auch geprüft werden, ob das Licht noch brennt oder das Radio noch spielt.

Eingesetzt wird diese Technik zum Beispiel im Schlüssel des neuen Volvo S80, den die Schweden «Personal Car Communicator» nennen. Zusammen mit einem Sensor im Fahrzeug kann der Schlüssel laut Volvo auch erkennen, ob sich Langfinger am Wagen zu schaffen gemacht haben oder gar noch im Innenraum sind.

Kompliziertes System

Allerdings erhöhen solche Zusatzfunktionen den technischen Aufwand und die Zahl der Bauteile: «Waren die ersten Schlüssel noch aus einem Stück Blech gefräst, kommt ein moderner Zündschlüssel heute mitsamt der Sende- und Empfangstechnik, aller Elektronik und den Elementen auf der Platine auf an die hundert Einzelteile», sagt Huf-Entwickler Müller. Ein Bart gehöre übrigens noch immer dazu. Zwar ist er meist im Gehäuse verborgen. Doch falls die Elektronik einmal streikt oder die Batterien leer sind, gibt es eine mechanische Rückfalllösung.

«An diesem Schließzylinder für Notfälle setzen Diebe häufig an», sagt Müller. Damit der Notschlüssel selten zum Einsatz kommt, treiben die Hersteller großen Aufwand. So ist zum Beispiel der Funkschlüssel bei Land Rover wasserdicht und funktioniert noch, wenn man ihn zum Schwimmen in der Badehose verstaut. Jaguar bestückt ihn im neuen XK mit einem Akku, der bei der Fahrt geladen wird. Solche Lösungen treiben auch den Preis in die Höhe, so dass ein Hightech-Schlüssel schnell das Zehnfache eines normalen Funkschlüssels kosten kann.

Aus massivem Gold

«Neben der Funktion wird die Form des Schlüssels immer wichtiger», erläutert Entwickler Müller. Er soll angenehm in der Hand liegen, weshalb edles Material eingesetzt wird. Oft ist das Gehäuse verchromt oder mit Zierleisten belegt. Und während bei anderen Komponenten im Auto an jedem Gramm gespart wird, kann ein Schlüssel nicht schwer genug sein. Bei Porsche etwa ist er wie ein Cayenne geformt, bei dem sogar die Scheinwerfer leuchten. Auch über Lack in Wagenfarbe denken die Entwickler nach. Sogar mit massivem Gold haben die Experten bei Huf Hülsbeck & Fürst schon gearbeitet, so Müller: «Aber das war bislang nur eine Einzelanfertigung für einen besonders prominenten und schillernden Kunden.» (dpa)



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