Auf der Suche nach dem Sex-Appeal

Besonders in den 80er und frühen 90er Jahren wollten viele anders Auto fahren. Wem BMW zu sportlich, Mercedes zu protzig, Audi zu piefig und der Rest zu öde war, fühlte sich bei Saab gut aufgehoben.

Von Stefan Grundhoff

Saab, Kurzform für Svenska Aeroplan Aktie Bolaget, spielt seit Jahren nur noch mit viel Wohlwollen die Rolle eines charismatischen Exoten. Erinnert man sich heute noch gern an ungelenk einzigartige Cabriolets wie den tollen 900er, den legendären 96er oder den frühzeitlichen Sports-Tourer Saab 99, so ist die Marke kaum wieder zu erkennen. Über die Jahre wurde sie aus der GM-Konzernzentrale weitgehend sinnfrei frei gelutscht von Eigengenen jeglicher Art. In einem der härtesten Segmente, der oberen Mittelklasse, gehört der Saab 9-5 zu den ältesten Autos auf dem europäischen Markt. Keine Chance gegen Hightech-Maschinen wie 5er BMW, Mercedes E-Klasse oder Audi A6. Modellpflegen und Facelifts konnten nicht verhindern, dass der ohnehin nur schwach versprühte Charme des 9-5 längst verpufft ist. Allein sein hoher Preis ist - wie die der anderen Saab-Modelle - mehr als konkurrenzfähig.

Rücken gekehrt

Da merkt irgendwann auch der geneigteste Markenkunde, dass es Zeit ist zu gehen. Viele treue Kunden haben dem 1937 gegründeten Hersteller Saab mittlerweile den Rücken gekehrt. Die einen konnten sich mit dem nur rudimentär vorhandenen GM-Markencharme nicht anfreunden; anderen waren Technik und Design schlicht zu einfallslos. Bereits in der zweiten Hälfte der 90er Jahre waren die Saab-Modelle 900 II und 9000 oftmals nicht mehr das, was der typische Saab-Kunde von ihnen erwartete: sehenswerte Eigenständigkeit, mit der sich der gut betuchte Kunden besser als mit jeder anderen Marke abheben konnte.

War der ehemalige Flugzeugzeughersteller früher für seine technischen Innovationen bekannt gewesen, so gab es jahrelang aus Trollhättan wenig Neues zu berichten. Bei beheizten Sitzen und Scheinwerfer-Wisch-Waschanlagen war man ehemals vorne an, doch zeitgemäße Innovationen wie Xenonlicht oder Navigationssysteme schlummerten beim schwedischen GM-Ableger lange vor sich hin.

Gelungene Modellpflege

Der neue Saab 9-3 Foto: AG/Mertens

Dabei ist es längst nicht so, dass die aktuelle Modellpalette komplett neben der Spur wäre. Die jüngsten Modellpflegen haben dem Volumenmodell Saab 9-3 gut getan. Zumindest von außen präsentiert der sich als Limousine, Kombi und Cabriolet erhältliche 9-3er sehenswerter denn je. Die Saab-Kunden galten lange Jahre als gut betucht und liebten die PS-starken Topmotorisierungen mit dem Namenszusatz Turbo oder Aero. Doch leistungsstarke Modelle bauen längst alle Hersteller. Und die leistungsstarken Turbo-Benziner zerren bei Saab wenig zeitgemäß an der Vorderachse wie eh und je. Die Konkurrenz aus dem Inland macht es mittlerweile nicht nur deutlich PS-stärker, sondern mit Heck- und intelligenten Allradantrieben auch deutlich effektiver.

Ähnlich wie die behäbige Mutter General Motors und der große europäische Bruder Opel scheint Saab nur sehr langsam auf den Pfad der Tugend zurückzufinden. Die Einführung der aktuellen Dieselmotorengeneration brachte einen spürbaren Schub nach vorn. Spät, aber vielleicht nicht zu spät, besann man sich darauf, dass man nicht auf Gedeih und Verderb am Vorderradantrieb festhalten sollte. Der aktuelle Saab 9-3 bekommt im Frühjahr diesen Jahres endlich einen 4x4-Bruder. Das Cabriolet des 9-3 mit Produktionsstandort bei Magna-Steyr in Graz ist nach wie vor das Aushängeschild der Marke. Mit seinem prächtigen vollelektrischen Stoffdach zeigt es, dass Premiumcabriolets auch ohne ein Klappdach bestehen können und zudem noch eine sehr schneidige Figur machen. Bewahrt hat sich Saab immerhin das zwischen den Sitzen positionierte Zündschloss.

Große Turboerfahrung

Das Heck des Saab 9-3 SportCombi Foto: AG/Mertens

In die Hände spielen könnte den Saab-Ingenieuren, dass man auf eine enorme Turbo-Erfahrung zurückblicken kann. Kein anderer Hersteller in Europa setzte derart konsequent auf die Aufladung von verhältnismäßig kleinvolumigen Triebwerken, die längst in aller Munde. Doch die ersten finanzstarken Konkurrenten wie Volkswagen, BMW und Audi haben die Schweden bei der Turbotechnik bereits mit 1,5 bar Ladedruck überholt. Dabei müsste das Kundenpotenzial von Saab größer denn je sein. Die Leute wollen sich insbesondere durch ihr Auto mehr von der Masse abheben als je zuvor.

Doch im Vergleich zu den anderen Premiummarken gab Saab unter GM-Regie in den letzten 15 Jahren kaum Geld für nennenswerte Neuentwicklungen aus. Abgesehen vom wenig überzeugenden US-Modell des Saab 9-7x hat man den SUV-Trend ebenso verschlafen wie den Drang der Kundschaft zu coolen Kompaktwagen oder einem Crossover.

Bleibt abzuwarten, wie die auf der Detroit Motorshow vorgestellte Vision eines Saab 9-4x Realität werden kann. «Dieses Konzeptfahrzeug verkörpert das, was unsere Marke ausmacht», betont Jan-Ake Jonsson, Managing Director Saab Automobile: «Außerdem ist es der nächste wichtige Schritt in unserer Strategie, mit unverwechselbaren Produktangeboten neue Marktsegmente für uns zu erschließen.» Das Design der Studie 9-4x BioPower Concept ist geprägt von klaren Linien und Flächen. Gesicht und Innenraum zeigen Parallelen zum Konzeptfahrzeug Saab Aero X. Getrieben von dem großen Erfolg des E85-Krafststoffs in Skandinavien setzen die Schweden seit Jahren auf das Marketing-Thema Bio-Ethanol. So auch bei der Studie des 9-4x.

Aber nur auf E85 ist im Konzert der großen doch etwas wenig. Der Genfer Salon im März 2008 soll einen Dreh in die richtige Richtung bringen. Hier gibt Saab mit einer Studie einen Ausblick auf eine kompakte Ergänzung der Modellpalette in Richtung 9-1. Eindrucksvolle Studien hat man von Saab in den letzten Jahren viele gesehen. Die Kunden warten auf reale Modelle für heute und morgen.

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