Amerikaner geißeln Toyota zu Unrecht

Selbst Schuld

Können die US-Amerikaner kein Auto fahren? Toyota scheint nur eine geringe Mitschuld an der Pannenserie zu tragen. Eine Regierungsstudie zeigt stattdessen Fahrfehler als Hauptursache auf. Für Toyota nur ein schwacher Trost.

Von Daniel Schnettler

Eigentlich wäre eine dicke Entschuldigung fällig. US-amerikanische Politiker und Medien haben Toyota über Monate verfolgt. Fast täglich prasselten neue Vorwürfe auf das Unternehmen ein: Die Japaner sollten am Tod vieler Menschen Schuld sein, weil sie technische Defekte verschwiegen hätten. Die Nation hatte ihren Feind. Die Verkäufe brachen ein, Toyota erlebte die schwerste Krise der Unternehmensgeschichte.

Scharfe Angriffe

Nun stellt sich heraus, dass es die Fahrer waren, die ihre Autos nicht unter Kontrolle hatten. Toyota trifft nach einer am Dienstag vorgelegten Regierungsstudie an den meisten Unfällen überhaupt keine Schuld. Doch das öffentliche Amerika nimmt von diesem Fakt kaum Notiz. Die Nachricht findet sich, wenn überhaupt, auf den hinteren Seiten der Zeitungen. Als Toyota am Pranger stand, landete das Unternehmen fast täglich auf den Titelseiten.

Konzernchef Akio Toyoda persönlich musste sich öffentlich demütigen lassen. Politiker griffen den Enkel des Konzerngründers bei einer Anhörung vor dem US-Kongress scharf an - mit vielen herzzerreißenden Geschichten von Toten und Verletzten und wenig handfesten Beweisen. Der höfliche Japaner hatte dem Tribunal wenig entgegenzusetzen. Jedes Wort der Verteidigung wurde gleich als Verhöhnung der Unfallopfer ausgelegt.

LaHood an der Spitze der Toyota-Jäger

Die Kongressabgeordneten nutzen die Toyota-Anhörungen als Bühne zur Selbstdarstellung, schließlich ging das Drama live auf Sendung und vor den Bildschirmen saßen die Wähler, die einen Schuldigen suchten und Genugtuung forderten. Verkehrsminister Ray LaHood setzte sich an die Spitze der Toyota-Jäger - und lenkte damit von eigenen Fehlern ab. Die ihm unterstellte Verkehrssicherheitsbehörde hatte nur zögerlich auf die Unfallberichte bei Toyota reagiert.

Denn es gab sie tatsächlich, die klemmenden Gaspedale und rutschenden Fußmatten und die Unfälle. Das streitet selbst Toyota nicht ab und rief deshalb rund acht Millionen Wagen weltweit zurück, die meisten davon in den Vereinigten Staaten.

Eigentor durch Studie

Am besten dokumentiert ist das tragische Schicksal des Polizisten Mark Saylor und seiner Familie. Als die Fußmatte das Gaspedal seines Lexus blockierte und der Wagen mit mehr als 160 Stundenkilometern von der Fahrbahn abkam, starben der 45-Jährige, seine Frau Cleofe (45), seine Tochter Mahala (13) und Schwager Chris Lastrella (38). Der Mitschnitt des Handynotrufs hielt das schreckliche Geschehen fest.

In den meisten Fällen aber, so die Studie, machten die Menschen die tödlichen Fehler. Die Auswertung von 58 Unfalldatenschreibern zeigt, dass die Fahrer in mindestens 35 Unfällen überhaupt nicht auf die Bremse getreten hatten; in anderen Fällen bremsten sie nur halbherzig oder schlicht zu spät. Dabei hatte Verkehrsminister LaHood mit der Studie eigentlich nachweisen wollen, dass Toyota schwere Fehlfunktionen in der Elektronik verheimlicht.

Leiden an den Folgen

Der japanische Hersteller leidet noch immer unter den Folgen der öffentlichen Hatz. Obwohl der Automarkt allgemein boomt, lagen die Toyota-Verkäufe in den USA im Juli um drei Prozent unter denen des Vorjahresmonats. Und selbst das gelang nur mit satten Rabatten. Seine über Jahre erkämpfte Stellung als drittgrößter Autoverkäufer in den USA hat Toyota an Ford verloren.

Dafür läuft das Geschäft in anderen Teilen der Welt besser denn je. Toyota konnte vor allem in seinen asiatischen Nachbarländern kräftig zulegen und zuletzt wieder einen Milliardengewinn einfahren. Mehrere Studien bescheinigen den Wagen eine anhaltend gute Qualität. Scheinbar sind die US-Autofahrer die einzigen, die ihre Toyotas nicht im Griff haben. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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