«Wer Klimaschutz will, der muss das Auto sauberer machen»

Autogipfel der Grünen

«Wer Klimaschutz will, der muss das Auto sauberer machen»
Grünen-Parteichef Cem Özdemir beim Autogipfel © AG/Mertens

Die Grünen wollen die Elektromobilität voranbringen und schmutzige Diesel sauberer machen. Wie das gelingen soll, darum ging es am Mittwoch beim Autogipfel der Partei in der Henrich-Böll-Stiftung in Berlin.

Von Frank Mertens

Der Termin für den Autogipfel der Grünen an diesem Mittwoch in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin hätte nicht besser gewählt sein können. Nur einen Tag nach der Bekanntgabe der Testergebnisse des Umweltbundesamtes (UBA) zu erhöhten Stickoxid-Werten bei modernen Dieselfahrzeugen fragte die Partei: „Wohin steuert die Automobilindustrie?“

Vor dem Hintergrund der am Dienstag publizierten Ergebnisse des UBA, nach dem selbst moderne EU6-Diesel den Stickoxid-Grenzwert von 80 Milligramm um ein Vielfaches überschreiten, könnte man schnell antworten: „In die falsche Richtung“.

Umweltpolitischer Verantwortung stellen

Doch um schnelle Antworten ging es den Grünen nicht. Sie treibt die Sorge um, dass die Autoindustrie den Anschluss an die Trends der Zukunft verpasst. „Wir Grüne im Bundestag wollen sichergehen, dass unsere Industrie auch in Zukunft vorne mitfährt“, heißt es in der „Clean Car Roadmap“ der Grünen. Mit diesem Strategiepapier wollen die Grünen aufzeigen, wie sie sich die Autoindustrie der Zukunft vorstellen. Sie wollen eine Industrie, die sich ihrer umweltpolitischen Verantwortung stellt. „Wer Klimaschutz will, der muss das Auto sauberer machen“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter.

Deshalb sprechen sich die Grünen auch nach wie vor für einen Zulassungsstopp für fossile Verbrennungsmotoren ab 2030 aus. Nur so könnte erreicht werden, dass die Klimaschutzziele für Deutschland, die für den Verkehrssektor bis 2050 eine annähernde Klimaneutralität vorsehen, auch erreicht werden können, wie Grünen-Fraktions-Vize Oliver Krischer sagte. Auf dem Weg zu einer emissionsfreien Mobilität müssten von der Politik entsprechende steuerliche und infrastrukturelle Maßnahmen getroffen werden.

Forderung nach Bonus-Malus-System

Cem Özdemir (r.) auf dem Grünen Autogipfel
Nicole Maisch, Wilko Stark und Cem Özdemir (v.l.) AG/Mertens

Dazu gehört für Parteichef Cem Özdemir (er kam mit dem Dienstfahrrad zur Böll-Stiftung) beispielsweise, dass die Kaufprämie für Elektroautos nicht fortgesetzt wird. Sie hätte ohnehin nicht für den erhofften Nachfragschub bei der Elektromobilität gesorgt. So seien bis zum 31. März gerade einmal etwas mehr als 15.300 Anträge auf die Kaufprämie eingegangen und mit heute gerade einmal 25.000 auf deutschen Straßen fahrenden E-Autos sei man weit vom Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 entfernt. Deshalb sprechen sich die Grünen für ein Bonus-Malus-System bei der Kfz-Steuer aus, wie Özdemir sagte. Spritschlucker wie SUVs würden demnach eine höhere Steuer zahlen als Elektrofahrzeuge, die eine Steuergutschrift erhielten.

Ein solches Bonus-Malus-System wird auch von Wilko Stark von Daimler begrüßt, der beim Autobauer für die Strategieplanung verantwortlich ist. Ein solches System könnte die Nachfrage nach emissionsfreien Fahrzeugen durchaus erhöhen. Wie Stark sagte, würde Daimler massiv in Zukunftstechnologien investieren, allein in die E-Mobilität zehn Milliarden Euro. Bis 2022 plane man, seinen Kunden zehn elektrische Fahrzeuge anzubieten. „In jeder Baureihe mindestens eines.“ Derzeit bietet Daimler seinen Kunden neben der B-Klasse und dem Smart indes nur zwei vollelektrische Modelle an. Ende des Jahres wird man zudem noch ein Brennstoffzellenfahrzeug auf den Markt bringen, unterstrich Stark die Anstrengungen von Daimler bei der nachhaltigen Mobilität. Doch letztlich würde der Kunde entscheiden, ob er einen Diesel, einen Benziner, einen Plug-in-Hybriden oder ein Elektroauto kauft.

Doch derzeit stehen die Kunden nicht nur bei Daimler auf Autos mit Verbrennungsmotor, allen voran auf SUVs. Bei Daimler entfielen im zurückliegenden Jahr vom Gesamtabsatz fast ein Drittel der Verkäufe auf SUVs (706.000 Einheiten). Das Gros dieser Kunde dürfte von einem Bonus-Malus-System indes wenig halten.

Ausbau der Infrastruktur

Jürgen Resch (l.) auf dem Grünen Autogipfel
Jürgen Resch (l.) und Oliver Krischer AG/Mertens

Um den Absatz bei der E-Mobilität deutlich anzuschieben, sprechen sich die Grünen für einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur aus, „und das nicht nur in der Stadt“, wie Özdemir sagte, „sondern auch auf dem Land“. Dazu gehörten auch einheitliche Bezahlsysteme.

Mit Blick auf die Gesundheitsgefahren durch erhöhte Stickoxidwerte beim Diesel sprechen sich die Grünen für strenge und unabhängige Abgaskontrollen aus. Dafür zuständig sein sollte nicht mehr das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), sondern das UBA. Wer bei den Abgaswerten trickse, der müsse dafür kräftig zur Kasse gebeten werden. Der Bundesregierung und allen voran Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) werfen die Grünen vor, den Pfusch beim Diesel aussitzen zu wollen.

Dass saubere Diesel möglich sind, beweist beispielsweise Daimler mit seiner neuen Dieselgeneration (intern OM 654 genannt). Sie würden bereits heute die Vorgaben der praxisnahen Real Driving Emissions (RDE) erfüllen, wie Stark sagte. Dass Daimler mit diesen neuen Dieseln die Grenzwerte einhalten, hätten auch Tests der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ergeben, wie deren Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte. Diesel, die die Grenzwerte auch im Realbetrieb einhalten und nicht nur im Labor, seien also möglich, wenn denn die Hersteller auch bereit seien, entsprechend zu investieren.

Wie Resch sagte, würde die Umrüstung eines EU5-Diesels auf die EU6-Abgasnorm zwischen 500 und 1000 Euro kosten. Der DUH-Chef forderte die Autoindustrie deshalb auf, die neun Millionen von Fahrverboten betroffenen Diesel entsprechend zurückzunehmen und umzurüsten. „Das Geld wäre da, die Autos sauberer zu machen“, sagte Resch mit Blick auf die Gewinne der Branche. Dass sich mit Blick auf den Schadstoffausstoß etwas zum Besseren wendet, da hat Resch seine Zweifel. „Seit EU3 haben wir immer schlechtere Fahrzeuge.“

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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