«Biosprit darf Lebensmittel nicht verteuern»

Interview Audi-Entwicklungsvorstand Dick

Das Aus von E10 wäre vermeidbar gewesen, sagt Michael Dick. Im Interview mit der Autogazette spricht der Audi-Entwicklungsvorstand über Leichtbau, alternative Antriebe und eine mögliche Patentklage von Mercedes.

Trotz des Scheiterns der Biokraftstoff-Verordnung E10 wird die deutsche Autoindustrie in der Lage sein, die EU-Klimaschutzvorgaben umzusetzen. «Ich denke schon, dass das erreichbar ist. Dabei sehe ich aber die Gesamtheit aller Hersteller in der Pflicht», sagte Audi-Entwicklungsvorstand Michael Dick im Interview mit der Autogazette. Die EU fordert von den Herstellern bis zum Jahr 2012 die C02-Emissionen auf 120 Gramm pro Kilometer zu reduzieren.

«Andere Dinge in Waagschale werfen»

Dick geht davon aus, dass es der Autoindustrie zur Erreichung der Ziele gelingen wird, die Politik davon zu überzeugen, «noch andere Dinge in die Waagschale zu werfen wie beispielsweise hocheffiziente Klimaanlagen, die für die Umwelt eine Rolle spielen und entsprechend berücksichtigt werden müssen».

Wie der Audi-Vorstand erklärte, müssten Autos rund 125 Kilogramm leichter werden, um am Ende zehn Gramm C02 einzusparen. Auszugleichen sei der Wegfall von E10 laut Dick beispielsweise durch Fahrerassistenz-, durch Verkehrsleit- oder Reifendruckkontrollsysteme und natürlich konsequenten Leichtbau. «Wir wollen die Gewichtsspirale umdrehen - und ein Auto vorstellen, bei dem bei der Gewichtsreduzierung ein Erdbeben durchs Auto geht», sagte Dick. «Wir werden in diesem Jahr mit einem solchen Automobil in Leichtbauweise überraschen.»

«Q5 basiert auf unserem Längsbaukasten»

Der neue Audi Q5 Foto: Audi

Autogazette: Herr Dick, Audi hat große Ziele. Bis zum Jahr 2015 will man 1,5 Millionen Fahrzeuge verkaufen. Welcher Stellenwert hat der auf der Peking-Motorshow vorgestellte Geländewagen Q5?

Michael Dick: Der Q5 hat für uns einen hohen Stellenwert, weil das SUV-Segment beständig wächst. Der Vorteil des Q5 liegt darin, dass er auf unserem neuen modularen Längsbaukasten basiert. Insofern vereinigt er alle Gene, die man bereits beim A4 und A5 sehen konnte. Damit stellt er ein ausgesprochen vielseitiges Fahrzeug dar.

Autogazette: Daimler-Chef Zetsche hat den Mercedes GLK als das wichtigste Modell des Unternehmens in diesem Jahr bezeichnet. Trifft das für Audi auch auf den Q5 zu?

Dick: Mit Sicherheit ist es eines unserer wichtigsten Modelle, weil es ein Schritt in ein neues Segment ist. Aber wir haben in diesem Jahr noch weitere wichtige Schritte vor uns. Damit meine ich die überarbeiteten Modelle A3 und A6. Diese sind für uns ebenso wichtig.

Autogazette: Wie gefällt Ihnen denn der Q5 im Vergleich zum Mercedes GLK, Ihrem wichtigsten Mitkonkurrenten?

Dick (lacht): Das dürfen Sie mich nicht fragen...

Autogazette: ...wieso nicht, die Konkurrenz äußert sich ja auch?

Dick: Ich kann nur für unser Modell sprechen. Mir gefällt der Q5 sehr gut. Wir wollten mit ihm ein emotionales Automobil auf die Räder stellen, was uns gelungen ist.

Nicht brav, sondern emotional

Der neue Audi A3 Foto: Audi

Autogazette: Wirkt der Q5 im Vergleich mit dem GLK nicht ein wenig zu brav?

Dick: Das finde ich überhaupt nicht. Ich finde ihn sehr emotional.

Autogazette: Audi schickt den Q5 im Spätsommer in Europa an den Start. Welchen Absatz wollen Sie erzielen?

Dick: Wir gehen davon aus, dass wir in den kommenden Jahren alle Hände voll zu tun haben, die Nachfrage zu befriedigen.

Autogazette: Sie werden den Q7 in 2009 mit Hybrid-Antrieb auf den Markt bringen. Wann kommt er beim Q5?

Dick: Er wird beim Q5 Ende 2010 kommen. Wir werden das Fahrzeug dann mit der aktuellsten Technologie ausstatten: sprich einer Lithium-Ionen-Batterie. Wir sind kurz davor, einen Kooperationsvertrag mit einem namhaften Batteriehersteller abzuschließen.

Autogazette: Mit wem?

Dick: Das können wir noch nicht verraten.

«Es passt alles in den Baukasten hinein»

Der Audi A4 Foto: Audi

Autogazette: Sie sagten unlängst, dass der A4 frühestens 2020 als Hybrid kommen wird. Wenn der Q5 nun schon 2010 als Hybrid kommt, wird das auch Auswirkungen auf den A4 haben?

Dick: Wir können mit dieser Technik, so bald sie verfügbar ist, kurzfristig auf Markterfordernisse reagieren. Der Q5 basiert auf dem besagten Baukasten, entsprechend passt auch alles hinein.

Autogazette: Was bedeutet das konkret?

Dick: Wir haben für den A4 noch keinen Serieneinsatz für den Hybrid beschlossen.

Autogazette: Gibt es eine Zeitspanne, wann es bei diesem Volumenmodell der Fall sein wird?

Dick: Sie wissen, dass wir nicht nur auf den Hybrid setzen. Es ist für die USA ein wichtiges Thema. Wir sind zunächst gespannt darauf, wie der dortige Markt auf die Einführung des Q7 als Ultra-Low-Emission-Fahrzeug mit Diesel-Motorisierung reagieren wird. Nach der Einführung dieses saubersten Diesel der Welt wird man sehen, ob man überhaupt noch einen Hybrid braucht. Für uns ist der Hybrid nur ein Duchgangsszenario hin zu einer Elektrifizierung des Antriebsstranges.

«Werden sehen, wie sattelfest Termin ist»

Der SUV Q7 von Audi Foto: Audi

Autogazette: Daimler hat den Durchbruch bei den Lithium-Ionen verkündet und wird 2009 mit der M- und S-Klasse die ersten Modelle auf den Markt bringen. Ist die Konkurrenz Ihnen damit nicht enteilt?

Dick: Keinesfalls. Es wird sich herausstellen müssen, wie sattelfest der Termin 2009 ist. Ich weiß sehr wohl, was noch an Entwicklungsarbeit geleistet werden muss. Wenn Audi von 2010 redet, dann reden wir von einem umfassenden Serieneinsatz.

Autogazette: Was verstehen Sie mit Blick auf die Stückzahl unter richtigem Serieneinsatz?

Dick: Wir sind vorbereitet, eine möglicherweise hohe Nachfrage zu befriedigen. Es wird indes zu sehen sein, ob der Kunde bereit sein wird, für eine solche Technologie mehr Geld auszugeben. Wir sind uns bewusst, dass die Investitionen in die C02-Reduktion nur in beschränktem Maße zurückkommen.

Autogazette: Ihre Mitkonkurrenten wie BMW und Mercedes arbeiten an einem Diesel-Hybrid. Wie interessant ist das Thema für Sie?

«Verstehe Diskussion um Diesel-Hybrid nicht»

Dick: Der Hybrid ist aus der Kosten-Nutzen-Perspektive schwierig. Die Diskussion um einen Diesel-Hybrid verstehe ich nicht, denn diese Kombination vereinigt die teuersten Techniken. Ich glaube nicht, dass viele Kunden bereit sein werden, dafür zu bezahlen.

Autogazette: Gibt es für Sie einen Königsweg bei den Antrieben?

Dick: Alle versuchen ihn zu finden, aber bislang sehe ich ihn noch nicht.

Autogazette: Kann die deutsche Autoindustrie nach dem vorläufigen Aus der Biokraftstoff-Verordnung E10 die Vorgaben aus Brüssel noch erfüllen, den C02-Ausstoß bis zum Jahr 2012 auf 120 Gramm pro Kilometer zu reduzieren?

Dick: Ich denke schon, dass das erreichbar ist. Dabei sehe ich aber die Gesamtheit aller Hersteller in der Pflicht. Als Premiumhersteller haben wir ein besonderes Päckchen zu tragen. Aber ich gehe davon aus, dass wir die Politik überzeugen können, noch andere Dinge in die Waagschale zu werfen wie beispielsweise hocheffiziente Klimaanlagen, die für die Umwelt eine Rolle spielen und entsprechend berücksichtigt werden müssen.

«Haben viele Ideen»

Die Karosserie des Audi TT Foto: Audi

Autogazette: Mit welchen Maßnahmen können Sie den Wegfall von E10 zur C02-Reduktion um 10 Gramm pro Kilometer ausgleichen?

Dick: Man kann einen Ausgleich durch Fahrerassistenz-, durch Verkehrsleit- oder Reifendruckkontrol-Systeme schaffen. Zudem kann man durch Car-to-Car-Communication die Verkehrsleitsysteme unterstützen. Hier haben wir viele Ideen.

Autogazette: Werden dieses Maßnahmen dazu führen, dass die Autos teurer werden?

Dick: Nicht zwangsläufig, weil es sich teilweise um softwarebasierte Systeme handelt. Die Hardware ist an Bord, sodass es energetisch integriert werden kann.

Autogazette: Um wie viel leichter muss ein Auto werden, um am Ende zehn Gramm weniger C02 zu emittieren?

Dick: Es sind ca. 125 Kilogramm, je nachdem ob als Otto oder Diesel angetrieben.

«Wollen Gewichtsspirale umdrehen»

Der Audi A8 Foto: Audi

Autogazette: Womit wir beim Leichtbau wären...

Dick: ...ja, ein für uns wichtiges Thema. Wir sind hier Trendsetter und haben mit dem A8 auch ein Auto in Aluminiumbauweise und mit dem TT in Mischbauweise im Programm. Wir wollen die Gewichtsspirale umdrehen - und ein Auto vorstellen, bei dem bei der Gewichtsreduzierung ein Erdbeben durchs Auto geht. Die ist nur durch Karosserie-Leichtbau zu realisieren,

Autogazette: Wobei der Leichtbau dazu führt, dass auch andere Komponenten leichter werden.

Dick: Natürlich, mit einer leichteren Karosserie können wir entsprechend die Bremsen, die Motoren und die Lastgruppen der Achsen eine Nummer kleiner machen. Zudem kann das Getriebe länger übersetzt werden, da ich weniger Masse zu bewegen habe. Lassen Sie sich überraschen: Wir werden in diesem Jahr mit einem solchen Automobil in Leichtbauweise überraschen.

Autogazette: Führen Sie das bitte weiter aus.

Dick (lacht): Jetzt?

Autogazette: Ja!

Dick: Wir machen Weihnachten ein Gespräch mit Probefahrt.

«Setzen auf Biokraftstoffe der zweiten Generation»

Autogazette: Muss die Bundesregierung ihre Biokraftstoff-Strategie vor dem Hintergrund der schlechten Ökobilanz von Biokraftstoffen der ersten Generation überdenken?

Dick: Wir setzen auf Biokraftstoffe der zweiten Generation - hier gibt es seit kurzem eine Kooperation mit Choren. Mit dem Werk in Freiberg sind wir erstmals in der Lage, dass ganze Thema in größerem Maßstab und unter Nachhaltigkeitsaspekten darzustellen. Es darf nicht so sein, dass sich Lebensmittel durch Biosprit verteuern. Entsprechend muss man das Thema Biokraftstoffe der ersten Generation abhaken.

Autogazette: Wer ist denn Schuld an dem E10-Desaster? Die Bundesregierung oder die Hersteller?

Dick: Es ist bisher leider versäumt worden, die Interessen-Verbände einzubeziehen. So hätte von Anfang an der ADAC mit ins Boot geholt werden müssen.

«Gerüchte werden sich in Luft auflösen»

Autogazette: Was ist dran an den Gerüchten, dass Sie unerlaubt die Blue-Tec-Technologie von Mercedes benutzen und nun sogar mit einer Klage rechnen müssen?

Dick: Es ist wie Sie sagen: Es sind Gerüchte und ich bin sicher, dass sie sich in Luft auflösen werden.

Das Interview mit Michael Dick führte Frank Mertens

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