Aprilia Tuono V4 1100: Ein Bike wie ein Donnerhall

Aprilia Tuono V4 1100: Ein Bike wie ein Donnerhall
Gutes Handling: die Aprilia Tuono V4 1100 Factory © Aprilia/Maccabelli

Aprilia hat die Tuono V4 1100 mit einem semiaktiven Fahrwerk ausgestattet. Das ist eine feine Sache, hat aber leider auch seinen Preis.

Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist die letzte Testfahrt mit der Aprilia Tuono V4 1100 her. Das Gefühl, das sich seinerzeit während einer Tagestour im Trentino einstellte, ist bis heute präsent geblieben: Die Tuono, italienisch für Donner, faszinierte als Gesamtpaket aus Motor, Fahrwerk und Sound.

Große Auswirkungen auf das Produktionsvolumen im norditalienischen Werk Noale hatte diese Faszination zum Bedauern von Aprilia nicht: Die Stückzahlen wollten nicht so recht wachsen, natürlich auch eine Folge des Preises von 18.500 Euro für die feine Factory-Version. Nun steigt der Preis auf fast 20.000 Euro. Doch zugleich wächst die Begehrlichkeit, denn nun umfasst der Lieferumfang der Factory-Version semiaktive Fahrwerkselemente des Nobelherstellers Öhlins.

Aprilia mit 165 PS Leistung

Es gibt nur eine Handvoll Motorräder der Kategorie Hypernaked mit einer Motorleistung von mindestens 165 PS, allen (stückzahlmäßig) voran die BMW S 1000 R und die KTM 1290 Super Duke R. Mit sogar 175 PS rangiert die Aprilia ganz vorne, mehr noch gewinnt sie jedoch durch ihr animierendes Wesen.

Die Federwege an der Aprilia Tuono V4 1100 Factory sind einstellbar. Foto: Aprilia/Maccabelli

Der akustisch, sagen wir’s mal vornehm, sehr präsente Sound, der dem Endschalldämpfer entströmt, lässt zwar die Überlegung aufkommen, ob Aprilia von der Euro4 befreit ist, gefällt aber dennoch: Ihr V4-Motor mit fast 1100 Kubikzentimetern Hubraum ist eine Art Garantie für Dauergrinsen beim Fahrer, „Smile-by-Wire“ sozusagen. Fast egal, bei welcher Drehzahl der Gasgriff betätigt wird: Akustik wie Dynamik der Tuono V4 1100 sind einzigartig.

So reizvoll die enorme Motorleistung der Tuono V4 1100 ist: Ohne das adäquate Fahrwerk wäre sie nicht viel wert. Insbesondere die neuen, semiaktiven Komponenten, die vom Branchen-Guru Öhlins bezogen werden, heben das Gesamtpaket der Aprilia Tuono V4 1100 auf ein neues Niveau.

Die schon bisher ausgezeichnete Handlichkeit scheint noch ein wenig gesteigert zu sein, vor allem aber überzeugt die Fähigkeit von Gabel und Federbein, selbst schlechtere Wegstrecken zugleich stabil wie agil zu passieren. Die Tuono saugt sich förmlich am Asphalt fest. Das verbaute System bietet dabei die Möglichkeit, die Fahrwerkseinstellung innerhalb von drei Modi in 31 Stufen manuell zu fixieren, der Fahrer kann aber auch unter drei unterschiedlichen Automatik-Funktionen wählen. Innerhalb dieser A-Funktionen lassen sich zusätzlich mehrere Parameter – beispielsweise das Verhalten der Gabel beim harten Bremsen – in zehn Stufen individualisieren.

Suboptimale Einstellmöglichkeiten

Das Tüpfelchen auf dem i wäre es, wenn Aprilia dem Fahrer die Möglichkeit böte, zwischen den Fahrwerks-Grundstufen auch während der Fahrt zu wählen, also beispielsweise bei einer kopfsteingepflasterten Ortsdurchfahrt mittels Sofort-Knopfdruck von der eingestellten straffsten auf die komfortabelste Abstimmung zu wechseln. Doch dazu muss man derzeit anhalten.

Dass Aprilia hier so restriktiv vorgeht, verwundert angesichts der Fülle von Informationen, die das TFT-Display bereithält: Geboten ist so ziemlich alles bis hin zur Anzeige von Brems-Intensität, Motorlast und aktueller Schräglage. Diese drei genannten Werte eben dann abzulesen, wenn sie Maximalwerte anzeigen, ist uns nicht gelungen – ein Argument, das für die aufpreispflichtige Aprilia Multimedia Plattform spricht. Mit ihrer Hilfe wird das Fahrer-Smartphone zum Allwissenheitsgerät; nach Fahrtende lassen sich dann bei Bedarf auch sämtliche Werte anzeigen, die im Lauf der Fahrt aufgezeichnet worden sind.

Vorzügliche Bremsanlage

Die Aprilia Tuono V4 1100 Factory. Foto: Aprilia/Maccabelli

Nicht weniger gelungen als Motor, Fahrwerk, die vorzügliche Bremsanlage (drei Scheiben mit Radialsätteln, ABS mit Kurvenfunktion) und die gesamten Assistenzsysteme ist die Ergonomie der 209 Kilogramm wiegenden Tuono: Der breite Lenker bietet optimalen Zugriff, der in 82,5 Zentimetern Höhe montierte Sitz lässt viel Bewegungsspielraum zu und ist ausreichend komfortabel, der kleine Windschild bricht zumindest den Fahrtwind-Orkan. Auch die Schalter und Hebel sowie das Bordcomputer-Menü gefallen. Ein Highlight stellt der Quickshifter dar. Nachlässig mit den Kunden geht Aprilia jedoch bei den Punkten Reifenventile (nicht abgewinkelt), Blinkerrückstellung und Scheinwerker-/Blinkerbestückung mit altertümlichen Glühlampen um. Bei diesen drei Punkten ist noch Luft nach oben.

Es gibt nur wenige Motorräder, deren Gesamtpaket so überzeugend gelungen ist wie das der Aprilia Tuono V4 1100. 19.990 Euro kostet sie – viel Geld zweifellos. Verglichen mit der gut 1000 Euro günstigeren Vorgängerin ist sie diesen Aufpreis auf jeden Fall wert. (SP-X)

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