Zwischen Julchen und Giulietta

Alfa Romeo

Zwischen Julchen und Giulietta
Die Giulietta von Alfa Romeo senkt mit Doppelkupplung den Verbrauch © Alfa Romeo

Der Alfa Romeo Giulietta meint es nicht gut mit jedermann. Er ist keine biedere Familienkutsche, obwohl sich der Fünfsitzer nicht verweigert. Im Alltag etwas sperrig, lässt er auf Sonntag hoffen, wenn man die Fahrdynamik auf „D“ schalten kann.

Von Martin Woldt

Es ist eben Tradition oder Geschmack und im Grunde wohl Uma Thurman zu verdanken, dass man diesen Froschblick inzwischen als rassig assoziiert. Aber die Front ist glücklicherweise auch das einzige Detail der Karosse, über das sich im Vergleich zum Vorgänger der Giulietta, dem 147er, leidenschaftlich streiten ließe. In Gänze betrachtet ist es den Italienern wieder einmal sehr eindrucksvoll gelungen, dem Fahrzeug aus allen Blickwinkeln Körperspannung zu verpassen. Und man kann ja auch nicht behaupten, dass so viel knisternde Erotik die Regel in der Golfklasse wäre.

Nerviger Fahrtbeginn

Wahrscheinlich muss keine andere Klasse mit einem so breiten Erwartungsspektrum klarkommen, wie das Segment zwischen 4,20 Meter und 4,40 Meter. Weshalb man im Falle der Giulietta auch nicht ernsthaft von einem Golf-Wettbewerber sprechen kann. Dieser Alfa will sich abgrenzen. Vielmehr gestalten sich auf 4,35 Meter eben jene Konturen zu erogenen Zonen, die man beim Golf eher als beruhigend, vielleicht sogar langweilig empfindet. Dieser Alfa soll sportliche Emotionen wecken. Ihn an gewissen Alltagserfordernissen zu messen, kann nicht immer gut für ihn ausgehen.

Und doch kommt man nicht umhin, denn im Alltag kann man es eben nicht 24 Stunden knistern lassen. Das weiß auch der deutsche Alfinisti und macht daher aus Giulietta im Tagesgebrauch gerne Julchen. Im Namen schwingt schon mit, dass es um Liebe und Verzeihen geht. Etwa wenn Julchen Sekunden nach dem Einsteigen anfängt, entsetzlich zu nerven, nur weil man den Sicherheitsgurt nicht sofort geschlossen hat. Solche Warnhinweise mag man sich wünschen, wenn ein Kernkraftwerk außer Kontrolle zu geraten droht. Hinter dem Steuer aber verflucht man das EuroNCAP-Reglement.

Lohnende Zusatzaufwendungen

Knackoger Po mit hoher Ladekante Foto: Alfa Romeo

Um Geduld und Verständnis geht es auch beim Einparken. Mächtige D-Säulen und und hochgezogene Schultern gestalten die Rückwärtsbewegung ziemlich abenteuerlich. Die Höhe von 1,46 Meter nach unten getrimmt von einem ausladenden Dachkantenspoiler lässt Ausblicken wenig Chancen. Italienische Parkraumverhältnisse mag sich da nicht wünschen. Die wachsende Nähe zur gegnerischen Stoßstange steigert sich zu einer unerträglichen Spannung und wird nur durch piepsende Parksensoren im Zaum gehalten, die aber natürlich nicht serienmäßig und daher vergnügungssteuerpflichtig sind. Bei diesen 360 Euro zu geizen, hieße aber sparen an der falschen Stelle.

Man könnte sich ein paar unschöne Dellen an des Autos schönster Stelle, dem Heck einfangen. Und das wäre wirklich schade. Denn wenn hier der Lack ab ist, leidet das Gesamtkunstwerk. Hier ist die Stelle wo Alltag und Erotik in ihr größtes Spannungsverhältnis geraten. Eine Ladekante so hoch wie einst die Berliner Mauer gab dem Designer alle Freiheiten einen knackigen Fahrzeugpo zu kreieren. Immerhin hat der dahinter liegende Kofferraum mit 350 Liter Stauvolumen wenigstens Standardmaße.

Kleine Macken

Julchen hat auch ihre Eigenheiten. Wie diese Leute, die ihre Zahnpastatube nicht gleichmäßig von hinten leer drücken und sie prinzipiell unverschlossen auf der Spiegelkonsole liegen lassen. Es nützen keine vorsichtigen Hinweise, auch keine Drohungen mit einem Besuch beim Familientherapeuten. Es ist jeden Tag dasselbe. So uneinsichtig ist Julchen auch, wenn man die Zündung abschaltet, ohne den Schlüssel zu ziehen. Die Vorstellung, dass man hier vielleicht nur ruhig sitzen und etwas Radio hören möchte, ist ihr völlig fremd. Sie klappt stets das Navi ein und fährt das Radio runter. Erst muss man wieder anschalten, die Elektronik wieder hochfahren... aber da sind die Staumeldungen längst um die Ecke.

Fahren am Sonntag

DNA-Schalter in der Mittelkonsole Foto. Alfa Romeo

Aber es gibt ja nicht nur den Alltag. Fahren ist Sonntag. Besonders wenn man eine Strecke vor sich hat, auf der man die Fahrdynamikregelung (DNA) in der Mittelkonsole auf D stellen kann. Dann gibt es diesen kleinen Drehzahlruckler, der das Gaspedal empfänglicher, die Lenkung enger und das Fahrwerk etwas straffer macht. Die Phantasie macht zusätzlich den Motorsound noch etwas bullriger und aus Julchen wird wieder Guilietta. (in 7,8 Sekunden – von null auf Tempo 100) Das sind die Momente wo man ihr alles verzeiht. Es gibt nicht viele Fahrwerksregelungen, bei denen man die unterschiedlichen Stufen so klar gegeneinander abgrenzen kann. Das macht das Schalterdrücken zum Erlebnis.

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