Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Winterkorn und Diess

Im VW-Abgasskandal

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Winterkorn und Diess
Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn hat neue Pläne © dpa

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Ermittlungen gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn aufgenommen. Es geht um den Vorwurf, ob die Finanzwelt rechtzeitig über die Abgasaffäre informiert wurde.

Im Abgas-Skandal bei Volkswagen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Marktmanipulation gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess. Gegen die Manager liegt ein Anfangsverdacht vor, die Finanzwelt zu spät über den aufgeflogenen Abgas-Skandal informiert zu haben und so wichtige Informationen für Anleger unterdrückt zu haben. Es geht bei den jetzigen Ermittlungen nicht um Vorgänge rund um das Entstehen der Manipulationen, die schon rund zehn Jahre zurückreichen.

Auslöser des Ermittlungsverfahrens ist den Angaben zufolge eine Strafanzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Sie wacht über die Pflicht von börsennotierten Unternehmen, die Finanzwelt mit sogenannten Adhoc-Mitteilungen rechtzeitig über wichtige Themen zu informieren. Die Staatsanwaltschaft nannte lediglich Ex-VW-Chef Winterkorn als Beschuldigten und sprach darüber hinaus von einem weiteren damaligen Vorstandsmitglied. Nach dpa-Informationen handelt es sich dabei um VW-Markenschef Diess. Weder der Konzern noch die Staatsanwaltschaft äußerten sich zunächst näher dazu. Es geht bei den jetzt begonnenen Ermittlungen um den Umgang mit der Affäre kurz vor deren Auffliegen, nicht um Vorgänge rund um das Entstehen der Manipulationen, die schon rund zehn Jahre zurückreichen.

Ermittlungen erreichen Topetage

Mit dem jüngsten Verdacht erreichen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erstmals die Top-Etage des Autobauers. Die Anklagebehörde sieht den Angaben zufolge genügend Anhaltspunkte dafür, dass der Autobauer womöglich zu spät «über die zu erwartenden erheblichen finanziellen Verluste des Konzerns» informiert haben könnte.

Der Anfangsverdacht der Marktmanipulation geht allerdings über den bloßen Zeitverzug hinaus: Laut Wertpapierhandelsgesetz ist eine Marktmanipulation unter anderem dann gegeben, wenn «unrichtige oder irreführende Angaben» gemacht oder Umstände verschwiegen werden, die zum Beispiel den Kurs einer Aktie erheblich beeinflussen können. Wird die Öffentlichkeit also bewusst nicht informiert, kann laut Gesetz eine Marktmanipulation vorliegen. «Eine Marktmanipulation im Sinne dieser Strafnorm des Wertpapierhandelsgesetzes kann nur vorsätzlich begangen werden», betonte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Die Staatsanwaltschaft ermittelte bisher im Diesel-Skandal bereits gegen 24 mutmaßlich Beteiligte, gegen 17 davon wegen der Stickoxid-Software-Manipulationen, gegen 6 im Zusammenhang mit falschen CO2- und Verbrauchsangaben und zuletzt auch gegen einen Mitarbeiter, der zu einer Datenlöschung aufgerufen haben soll.

Die Diesel-Affäre kochte anfangs als Problem bei der Pkw-Kernmarke hoch und wurde dort bei Vorstandssitzungen auch besprochen. Diess lenkt die Kernmarke seit dem 1. Juli 2015. Oberstaatsanwalt Ziehe sagte, er könne noch nicht absehen, wie lange das Ermittlungsverfahren dauere. «Wir müssen die Beteiligten jetzt natürlich anhören und weitere Zeugen vernehmen», sagte er. Die Staatsanwaltschaft betonte: «Ob sich der genannte Anfangsverdacht verdichtet oder entkräften lässt, hängt von dem Ergebnis der erforderlichen weiteren Ermittlungen ab.» Es gelte wie immer die Unschuldsvermutung.

Beratung durch Anwaltskanzleien geplant

VW-Markenchef Herbert Diess
Herbert Diess, VW-Markenchef dpa

Der niedersächsische Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) begrüßte die Untersuchung: «Für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wird die Staatsanwaltschaft ihre Gründe haben. Die zügige Durchführung der Ermittlungen und ein zügiger Abschluss liegen im allseitigen Interesse.» Er warnte vor voreiligen Schlüssen. Der Volkswagen-Konzern sieht in den jüngsten Vorwürfen der Staatsanwaltschaft keine Hindernisse für den geplanten Ablauf der Hauptversammlung an diesem Mittwoch. "Die Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom heutigen Tage führt keine neuen Tatsachen beziehungsweise Erkenntnisse über eventuelle schwerwiegende Pflichtverletzungen der nunmehr beschuldigten Vorstandsmitglieder an", teilte der Konzern am Montag in Wolfsburg mit. Volkswagen plant, bei dem Anteilseignertreffen am Mittwoch Vorstand und Aufsichtsrat für das Jahr 2015 zu entlasten.

An der Basis für dieses Vorhaben änderten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nichts. Es seien "nach derzeitigem Kenntnisstand keine eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzungen von aktuellen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern festgestellt worden, die einer Entlastung zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstehen würden", teilte Volkswagen mit. Es sei zudem "schon seit längerem geplant", dass "sich Aufsichtsrat und Vorstand vor der Hauptversammlung nochmals durch die genannten Anwaltskanzleien rechtlich beraten lassen, ob es neue Erkenntnisse gibt", die bei der Entlastungsfrage zu berücksichtigen wären. (dpa)


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