VW up!: Kleiner mit großem Stadt-Durst

Spätstarter im Kleinstwagensegment

VW up!: Kleiner mit großem Stadt-Durst
Der VW Up ist das jüngste Familienmitglied © VW

Volkswagen dringt ins Segment der Kleinstwagen ein. Einmal mehr als Spätstarter unterwegs wird sich der up! wohl schnell an die Spitze des Segments setzen. Dabei kann der Kleine aus Wolfsburg Schwächen nicht verbergen.

Von Thomas Flehmer

Es hat Tradition. VW kommt betritt spät ein neues Segment und überholt die Mitbewerber wie zuletzt beim Tiguan dann in schnellen Schritten – zumindest in Deutschland. Mit dem VW Up will Volkswagen nun die Tradition neu beleben. "Volkswagen kann auch im A00-Segment gutes Geld verdienen", sagt VW-Chef Martin Winterkorn, der den up! als "eine der wichtigsten Neuheiten der letzten Jahre" adelt. Neben der Kernmarke wird der up! Bei Skoda unter dem Namen "Citigo" angeboten und bei Seat "Mii" heißen.

Viel Plaste im Cockpit des VW up!

Der gerade mal 3,54 Meter kleine Viersitzer, der in den kommenden Jahren in verschiedenen Varianten auf den Markt kommen wird, ist vom Design her recht schnuckelig ausgefallen. Ein freundliches Frontgesicht, das ein wenig an den Renault Twingo der ersten Generation erinnert, eine aufsteigende Seitenlinie und eine Glasscheibe als Heckklappe machen Appetit. Die erste Ernüchterung folgt im Innenraum. Selbst in den Topausstattungen "Black" und "White" herrscht eine Plastikwüste über dem Armaturenbrett und an den Seiten. Die in Wagenfarbe gehaltene Zierleiste, die auch das Radio umrahmt, kann den Hauch von billig nicht vertreiben.

Dafür lässt es sich bequem in den Sitzen aushalten. Diese sollten aus Stoff bestehen, das angebotene Lederpaket in "Leder-Optik" sorgt schnell für Schweißtropfen am Rücken. Dank der aufsteigenden Dachlinie haben selbst groß gewachsene Menschen keine Angst, ihrem Kopf Beulen zuzufügen und die Füße einzuklemmen. Auch die Rücksitze sind bequem. Das Kofferraumvolumen des 2007 erstmals als Studie vorgestellten up! liegt mit 251 Litern im oberen Segment-Bereich, viel passt aber auch dort nicht hinein.

VW up! mit zwei Leistungsstufen

Im Innenraum des VW up! ist Sparsamkeit Trumpf VW

Sehr kultiviert in seiner Laufruhe präsentiert sich der neu entwickelte Dreizylinder, den es mit 44 kW/60 PS bzw. 55 kW/75 PS gibt. Der Differenzbetrag von 600 Euro kann eingespart werden, da ein Unterschied zwischen beiden Leistungsstufen des ein Liter großen Aggregats nicht auffällt. Beide haben nämlich das identische Drehmoment von 95 Newtonmetern, die zwischen 3000 und 4300 Umdrehungen anliegen, zur Verfügung. Damit kann der gerade mal 925 Kilogramm leichte up! recht agil im Straßenverkehr mithalten, auch wenn der Spurt zwischen 13,2 und 14,4 Sekunden andauert.

Beim Hochdrehen des Motors bleibt es für Dreizylinder erstaunlich ruhig im Innenraum, lauter wird es beim Stadtautobahntempo zwischen 60 und 80 km/h. Hier macht sich das Fehlen des sechsten Ganges bemerkbar, auch wenn der beim Dreizylinder nicht üblich ist. Bis 160 km/h bzw. 171 km/h kann der Kleinste auf der linken Spur mithalten, sodass Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg richtig anmerkt, dass der up! nicht nur ein reines Stadtauto sei, "sondern auch zwischen den Städten benutzt werden" könne.

VW up! verbraucht viel in der Stadt

Ein Koffer passt gerade so in den VW up! VW

Auf das mit Navigon gemeinsam entwickelte Navi, das per Vernetzung mit dem Auto auch als Bordcomputer und Wegweiser in das Internet fungiert, kann dabei verzichtet werden. Die Bedienung des Touchscreens ist nervig. Mal muss es der Finger, mal der Daumen, mal der Nagel sein, um den kleinen Computer zur Arbeit zu bewegen. Zudem führt das Navi nicht direkt zum Ziel und gab sich im Stadtverkehr von Rom auch recht langsam, sodass einige Abfahrten verfehlt wurden.

Die 355 Euro sollten deshalb eingespart werden, denn sie werden an der Tankstelle gebraucht. Während sich der up! im Stadtautobahntempo mit guten 4,6 Litern Super zufrieden gab, standen nach einer reinen Stadtfahrt 7,9 Liter auf der Uhr. In der Version mit Stopp-Start-System, die erst im kommenden Jahr eingeführt wird, waren es auch noch 6,9 Liter. Viel zu viel für das kleine und leichte Fahrzeug, dessen hohen Verbrauch schon diverse Umweltverbände während der Premierenwoche auf der IAA angeprangert hatten.

Bei 9850 Euro beginnt der VW up!

Über 12.000 Euro wird der VW up! schon kosten VW

Sehr lobenswert ist der Notbrems-Assistent, der bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h das auf ein Hindernis zufahrende Auto abbremst. Dieser Assistent belastet den Einstiegspreis von 9850 Euro mit weiteren 590 Euro. Überhaupt wird wohl nie up! unter 10.000 Euro den Showroom verlassen. Denn die Basisversion "Take up" ist äußerst karg ausgestattet. Wer u.a. auf eine Zentralverriegelung und elektrische Fensterheber Wert legt, muss 800 Euro mehr investieren.

Mit Klimaanlage und CD-Radio-System sind es schon 12.450 Euro in der Version "high up!". Die Sondermodelle "Black" und "White" beginnen bei 13.700 Euro. Kommen dann noch Sonderpakete hinzu, sind die 15.000 Euro geknackt. Dann muss man hinterfragen, ob der up! noch ein Wagen für das Volk ist. Die Kunden selbst – VW erwartet, dass zwei Drittel aller up!-Käufer Neukunden sein werden – werden ab dem 2. Dezember die Tradition bewahren und auch den kleinen Spätstarter aus Wolfsburg ziemlich schnell auf den Segment-Thron heben - zumindest in Deutschland.


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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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