Millionen-Rückruf von Volkswagen

Tiguan und DSG

Millionen-Rückruf von Volkswagen
Rund 800.000 Tiguan-Modelle müssen in die Werkstatt. © VW

Der Volkswagen-Konzern beruft über 2,6 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten. Probleme kann es beim VW Tiguan und dem Amarok geben, zudem spendiert VW einen Ölwechsel.

Europas größter Autobauer Volkswagen sieht sich mit einem der größten Rückrufe in der Konzerngeschichte konfrontiert. Weltweit gibt es Qualitätsprobleme bei gut 2,6 Millionen Fahrzeugen. Es gehe zum einen um 800.000 Tiguan-Modelle, die wegen Reparaturen am Licht zurück in die Werkstätten müssten, teilte VW am Donnerstag mit.

Undichte Kraftstoffleitungen beim VW Amarok

Darüber hinaus meldete VW, freiwillig einen Ölwechsel für weltweit alle Fahrzeuge mit 7-Gang-Doppelkupplungsgetrieben anzubieten, die mit synthetischem Öl befüllt sind. Ein Sprecher sagte, es gehe um 1,6 Millionen Autos über fünf Konzernmarken hinweg.

Auch die Nutzfahrzeugsparte beruft bestimmte Modelle des Amarok in die Werkstätten. Bei den Pickups mit dem 2.0 TDI können Undichtigkeiten an der Kraftstoffleitung im Motorraum auftreten. Die undichten Stellen könnten kein Feuer auslösen, betonte ein Sprecher. «Es riecht aber sehr streng.» Darum werde den weltweit betroffenen 239.000 Modellen vorsorglich ein Scheuerschutz eingebaut. In Deutschland werden 12.359 Halter angeschrieben.

Knapp 150.000 VW Tiguan in Deutschland betroffen

Bei der kompakten Geländelimousine Tiguan sind die Fahrzeuge mit Baudaten von Anfang 2008 bis Mitte 2011 betroffen. Allein in Deutschland gehe es um knapp 150.000 Wagen. Auslöser ist eine mangelhafte Sicherung, die zum teilweisen Ausfall des Lichts führen kann. Volkswagen betonte, dass kein Komplettausfall drohe.

Ob es sich bei dem Rückruf um den größten in der VW-Geschichte handele, wollte ein Konzernsprecher auf Nachfrage nicht näher sagen. Doch schon die 1,6 Millionen DSG-Wagen dürften darauf hindeuten. Für ähnliche Größenordnungen muss man länger im Archiv suchen: Vor gut zehn Jahren hatte VW wegen Frostschäden an Aluminiummotoren mehr als eine Million Autos zurückgerufen - schon damals erwischte es auch die Schwestermarken Seat und Skoda. Nur Wochen später waren 850.000 andere Motoren von Volkswagen und Audi betroffen.

VW bei DSG in der Pflicht

Die Ursachen im aktuellen Fall dürften indes nur zu einem Teil direkt bei Volkswagen liegen. In Konzernkreisen hieß es, die Probleme mit den Tiguan-Sicherungen sowie den Benzinleitungen beim Amarok seien auf Fehler bei Zulieferern zurückzuführen. Bei den DSG-Systemen stehe indes VW selbst in der Pflicht - es ist eine Eigenentwicklung.

Hier kämpfen die Wolfsburger seit geraumer Zeit mit Problemen. In China riefen sie bereits im Frühjahr mehr als 300.000 Wagen zurück, was die Bilanz des Autobauers belastete. Schwierigkeiten machen die Getriebe vor allem in den Metropolen Asiens, da sie die Mischung aus schwülem Klima und vielen Staus nicht gut vertragen. Bislang hatte Volkswagen dafür Rückstellungen im dreistelligen Millionenbereich gebildet. Diese Summe deckt neben den bisherigen Geldpolstern für die DSG-Probleme jedoch auch Risiken im Kraftwerksbau der Tochter MAN ab.

Volkswagens Gewinnprognose nicht in Gefahr

Allerdings mussten die Werkstätten bei den bisherigen Problemen mit dem DSG umfangreicher Hand anlegen. Mechaniker mussten das sogenannte Mechatronikmodul zur Steuerung der Technik austauschen, was etwa drei Stunden in Anspruch nahm. Beim jetzigen Fall muss nur das Öl gewechselt werden. Trotzdem werde der Konzern einigen Besitzern ein Ersatzauto stellen müssen, erwartet der Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler.

Volkswagens Gewinnprognose sieht er dadurch aber nicht in Gefahr. Zwar kalkuliert Pieper in einer groben Schätzung etwa 50 bis 100 Euro Kosten je Auto - das wären insgesamt bis zu 260 Millionen Euro. Allerdings habe der Konzern genügend allgemeine Rückstellungen, um einen solchen Sonderaufwand zu stemmen. Eine Belastung des operativen Gewinns (Ebit) sieht Pieper deswegen nicht. Volkswagen muss im vierten Quartal knapp drei Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern einfahren, um seine Ebit-Prognose zu erreichen. VW hatte sich erst jüngst eine strenge Ausgabendisziplin verordnet, um Kurs zu halten.

Piepers NordLB-Kollege Frank Schwope rechnet mit Kosten im hohen zweistelligen, eher aber im niedrigen dreistelligen Millionenbereich - abhängig davon, wie viele Wagen beim freiwilligen Rückruf tatsächlich in die Werkstatt kommen. Für das Jahresziel des Dax-Riesen sei das zwar ein zusätzlicher Druck, in die Ferne rücke die Prognose damit aber noch lange nicht. Volkswagen will alle Betroffenen anschreiben. (AG/dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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