VW Phaeton: Ende eines Missverständnisses

Letztes Modell produziert

VW Phaeton: Ende eines Missverständnisses
In Dresden ist der letzte VW Phaeton produziert worden. © dpa

Es ist ein leiser Abschied. In der Gläsernen Manufaktur Dresden rollt an diesem Freitag der vorerst letzt VW Phaeton vom Band. Zukünftig soll der Standort als Schaufenster der E-Mobilität fungieren.

Die Oberklasse-Ära von VW endet leise. In den Geschichtsbüchern des Konzerns wird der 18. März dennoch für immer einen Platz haben: An diesem Freitag läuft in der Gläsernen Manufaktur Dresden der - zumindest vorerst - letzte Phaeton vom Band.

Mitten in der Abgas-Krise mit ihren noch unabsehbaren finanziellen Folgen hat die Vorstandsspitze um Matthias Müller die Reißleine gezogen. Statt "immer größer, schneller und weiter" lautet bei Volkswagen die Parole jetzt "Sparen auf Sicht". Im Aufsichtsrat fällt der Phaeton längst unter die Kategorie "Enttäuschungen".

Die durchsichtigen Hallen der Gläsernen Manufaktur im Herzen Dresdens wirkten in den vergangenen Wochen wie im Wartemodus. Im Auto-Turm, in dem die Luxuskarossen für ihre Besitzer bereitstehen, leerten sich die viele Stellplätze zunehmend. Statt reger Betriebsamkeit bereitete sich das einstige Vorzeigewerk von Europas größtem Autobauer langsam auf das Ende einer nicht einmal 15 Jahre dauernden Epoche vor.

Letzter Phaeton nach China

VW und der Phaeton - in der Wolfsburger Konzernzentrale wurde diese Liaison hinter den Kulissen bereits als Missverständnis abgetan. Schon die Namensgebung wirkt rückblickend schief: Laut Überlieferung des Dichters Ovid war Phaeton einer der ersten Unfallfahrer der Geschichte. Für einen Tag lenkte der Sohn des griechischen Sonnenkönigs Helios den kostbaren Sonnenwagen seines Vaters - doch er verlor die Kontrolle und stürzte in die Tiefen des Alls.

Zurück in die Dresdner Realität. Im Inneren der Manufaktur lief zuletzt nur noch gelegentlich das Fließband. Die Führungen durch die Manufaktur sollen aber auch nach dem Phaeton-Zeitalter angeboten werden. Auf diese in 14 Sprachen übersetzte Dienstleistung war Volkswagen in Dresden immer besonders stolz.

Der letzte Phaeton geht nach China. Laut Manufaktur-Sprecher Carsten Krebs wird der zahlungskräftige Kunde aus Fernost sein Auto aber nicht persönlich abholen. Ganz anders als die glamouröse Eröffnung 2001 mit dem damaligen Vorstandschef Ferdinand Piëch und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geht der Abgesang auf den Luxuswagen leise über die Bühne. Eine Art Party ist für die Mitarbeiter wohl geplant - zum Feiern ist aber niemandem zumute.
Denn die Beschäftigten sind zunächst die Verlierer. Gerade einmal rund 100 der knapp 500 Mitarbeiter sollen noch in Dresden bleiben. "Keiner der Kollegen wird seinen Arbeitsplatz verlieren", heißt es aus der Konzernzentrale. Statt stempeln ist für viele dann pendeln angesagt - zunächst ins 115 Kilometer entfernte VW-Werk Zwickau.

Noch keine dauerhafte Lösung

Eine dauerhafte Lösung gibt es für die Belegschaft noch nicht. Sie hofft auf eine Rückkehr, um den E-Phaeton montieren zu können. Doch ob der wirklich kommt, ist unklar. Kaum war die Vision im Oktober in den Schlagzeilen, wurden schon wieder erste Zweifel laut. Kurz vor dem Produktionsende gibt sich die VW-Zentrale betont optimistisch: "Der Phaeton ist und bleibt ein wesentliches Projekt für Volkswagen. Er ist für die Positionierung der Marke Volkswagen und für die Demonstration unserer technologischen Fähigkeiten unerlässlich." Soll heißen: Der Elektro-Phaeton wird kommen.

VW Logo Phaeton
Ende des Phaeton in Dresden, vorerst dpa

Nur wann und wie? Am 29. März geht der Umbau schon los - am 8. Mai soll es mit einem Übergangskonzept weitergehen: Die verbliebenen Arbeiter sollen dazu die Manufaktur zu einer Art Erlebniswelt umfunktionieren, sozusagen zu einer Art Autostadt im Kleinen. Kultur, Konzerte, Lesungen sollen dann in dem Glas-Ambiente stattfinden. Ein Schaufenster für E-Mobilität und Digitalisierung - die neuen Hoffnungsträger des Konzerns für den Weg aus der Abgas-Krise.

«Wir stehen in engem Kontakt zu den Kollegen in Dresden. Gemeinsam besprechen wir mit dem Markenvorstand das Übergangskonzept und die endgültige Lösung für die Gläserne Manufaktur», sagt Betriebsratschef Bernd Osterloh. Spätestens zum Jahresende wolle der Vorstand das Konzept vorstellen. «Klar ist: Die Gläserne Manufaktur im Herzen Dresdens ist ein absoluter Besuchermagnet und eine Perle für Volkswagen. Wir werden hier sicherlich auch künftig innovative Produkte fertigen und zeigen.»

Ungeachtet dessen sei die Ankündigung vom Auslaufen der Produktion wie eine Traueranzeige formuliert gewesen, sagt ein Beschäftigter. Die Entwicklung kommt freilich nicht überraschend. 2011 rollten noch 11 166 Phaetons vom Band. 2015 waren es nur noch 1924, in diesem Jahr gerade einmal 452.

Nachfrage reicht nicht

Ohne den Verkaufserfolg im fernen China wäre das Aus des Modells wohl schon früher gekommen, heißt es aus der Konzernzentrale. Doch für ein «Weiter so» reichte die Nachfrage aus dem Reich der Mitte eben auch nicht. Ohnehin hat VW mit dem Phideon längst eine Alternative im chinesischen Portfolio. Gerüchte, wonach das Auto irgendwann auch in Europa zu kaufen sein soll, werden aber vehement bestritten. Also auch kein weiterer Grund zur Hoffnung in Dresden.

Aus Konzernkreisen ist zu vernehmen, dass man in 18 Monaten in Dresden auch wieder Autos bauen möchte - auch wenn dann noch kein E-Phaeton am Start ist. Welche genau, sei noch im Fluss. Im vergangenen Dezember hatte VW-Markenchef Herbert Diess Top-Modelle der Marken Porsche, Audi und Bentley genannt. Letztere wurden bereits jetzt in der Manufaktur gebaut, um die Auslastung zu verbessern.

«Der Dresdner Standort ist und bleibt fester Bestandteil der Volkswagen-Familie», betont Krebs. Auch am Sponsoring für Semperoper und Sächsische Staatskapelle soll sich nichts ändern. Zumindest hier dürften die Phaetons weiter das Stadtbild prägen, wenn sie VIPs der Semperoper oder der Musikfestspiele durch die Stadt chauffieren. (dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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