«100 Kilometer für einen Euro, das wäre gigantisch»

Rudolf Krebs, Leiter Elektro-Traktion VW-Konzern

«100 Kilometer für einen Euro, das wäre gigantisch»
Rudolf Krebs neben einem Elektro-Up. © VW

VW sieht sich in der Rolle des Technologieführers bei der Elektromobilität. Im Interview mit der Autogazette spricht Rudolf Krebs, Leiter Elektro-Traktion des Konzerns, über den E-Up, die Konkurrenz und intelligente Kaufanreize.

Der VW-Konzern sieht sich trotz des späten Marktstarts des E-Ups auf dem richtigen Weg, Weltmarktführer bei der Elektromobilität zu werden und die Technologieführerschaft zu übernehmen. «Auch wenn wir nicht die Ersten waren, die ein Elektroauto auf den Markt gebracht haben, werden wir am Ende mehr Luft haben, um das Rennen in diesem Bereich für uns zu entscheiden. Wir gehen davon aus, dass Volkswagen am Ende die Führungsrolle bei der E-Mobilität einnehmen wird», sagte der Leiter Elektro-Traktion des VW-Konzerns, Rudolf Krebs, im Interview mit der Autogazette.

«Wir haben strategisch das Richtige getan»

Wie Krebs hinzufügte, könne man bereits in Ansätzen erkennen, dass VW in der Lage sei, zugleich auch die Weltmarktführerschaft bei der E-Mobilität zu übernehmen. So bringe man mit dem E-Up, dem E-Golf, dem Audi A3 e-tron und dem Porsche Panamera S E-Hybrid gleich vier Fahrzeuge auf den Markt. Da alle diese Modelle auf der Plattformstrategie des Konzerns basierten, könnten diese «Antriebe sehr schnell in bestehende Fahrzeuge und Fahrzeugkonzepte» eingebaut werden.

Der Konzern könnte damit «bei entsprechender Nachfrage bis zu 40 Modelle mit alternativen Antrieben ausrüsten. Wir haben strategisch das Richtige getan, um dieses Ziel der Weltmarktführerschaft bei der Elektromobilität zu erreichen. Hier hat der Volkswagen Konzern enorme Vorteile gegenüber den Mitbewerbern».

«VW hat das Thema keineswegs verschlafen»

Autogazette: Herr Krebs, warum hat VW den Bau von Elektroautos bisher verschlafen und das Feld den ausländischen Herstellern überlassen?

Rudolf Krebs: Volkswagen hat das Thema keineswegs verschlafen, ganz im Gegenteil. Wir wissen seit Mitte der siebziger Jahre sehr genau, wie es um die E-Mobilität steht, denn seit dieser Zeit haben wir kontinuierlich Prototypen aufgebaut und Fahrzeuge teilweise auch in Kleinserie gebracht, so dass wir immer sehr gut beurteilen konnten, was diese Technik zu leisten vermag. Den größten Fehler, den ein Hersteller begehen kann, ist ein nicht ausgereiftes Produkt auf den Markt zu bringen. Das ist nicht der Weg von Volkswagen. Wir bringen erst dann Produkte, wenn diese ausgereift sind und den von Volkswagen gewöhnten Qualitäts- und Sicherheitsstandards vollständig entsprechen. Mit unserem E-Up sind wir jetzt genauso verfahren.

Autogazette: Das heißt, dass die Technologie der Wettbewerber bislang nicht ausgereift war?

Krebs: Das kann ich nicht beurteilen. Fakt ist jedoch, dass sich die Batterietechnologie noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet. Lithium-Ionen-Batterien sind noch nicht so lange im Automotive-Bereich im Einsatz – die Hybride, die bereits jahrelang im Einsatz sind, fahren mit Nickel-Metall-Hydrid-Batterien und steigen erst jetzt auf Lithium-Ionen-Batterien um.

«E-Autos sind auf absehbare Zeit teure Technologie»

VW E-Up
Der Motor im E-Up dpa

Autogazette: Hat der spätere Marktstart bei der E-Mobilität für VW nicht dazu geführt, dass die angestrebte Technologieführerschaft verloren gegangen ist?

Krebs: Nein, keineswegs. Den Anspruch der Technologieführerschaft haben wir und den halten wir auch weiterhin aufrecht. Doch wir reden bei der E-Mobilität nicht von einem Sprint, sondern von einem Marathon. Auch wenn wir nicht die Ersten waren, die ein Elektroauto auf den Markt gebracht haben, werden wir am Ende mehr Luft haben, um das Rennen in diesem Bereich für uns zu entscheiden. Wir gehen davon aus, dass Volkswagen am Ende die Führungsrolle bei der E-Mobilität einnehmen wird.

Autogazette: Bei der Vorstellung des 26.900 Euro teuren E-Up sagten Sie, dass das das Volkselektro-Auto sei. Überschätzen Sie damit nicht auch die finanziellen Möglichkeiten Ihrer Kunden?

Krebs: Elektroautos sind auf absehbare Zeit eine teure Technologie. Das liegt daran, dass wir – wie auch unsere Mitbewerber - für den Antriebsstrang eines E-Autos circa das Fünffache dessen aufrufen müssen, was ein konventioneller kostet. Dieser Faktor fünf lässt sich nicht wegdrücken, doch sowohl wir, als auch unsere Zulieferer arbeiten intensiv am Thema Kostensenkung.

«Kostensenkungen von 50 Prozent vorstellbar»

So sieht der neue BMW i3 aus.
Der BMW i3 BMW

Autogazette: Ab wann wird es möglich sein, ein Elektroauto wie den E-Up günstiger anbieten zu können?

Krebs: Wenn man das Elektroauto mit anderen Technologien wie beispielsweise Direkteinspritzung, ABS oder ESP vergleicht, dann sind perspektivisch Kostensenkungen von 50 Prozent in den nächsten Jahren vorstellbar. Der Aufpreis eines elektrischen Antriebsstranges kann sich auf den Faktor zwei reduzieren.

Autogazette: Sodass Sie in der Lage wären, einen E-Up im Bereich von 20.000 Euro zu verkaufen?

Krebs: Wir müssten dann schon in einen Bereich von unter 20.000 Euro kommen, und das erscheint uns bis 2020 durchaus realistisch. Dies ist für die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen auch ein wichtiger Schritt.

Autogazette: Laut der aktuellen Aral-Studie erwarten die Kunden für ein Elektroauto einen Durchschnittspreis von 20.300 Euro und eine Reichweite von 350 Kilometern. Kein gutes Zeichen für den Erfolg des E-Up und der Elektromobilität?

Krebs: Wir bringen den E-Up jetzt als erstes Elektrofahrzeug auf den Markt, auf den kurze Zeit später der E-Golf folgt. Parallel arbeiten wir mit unserer tollen Mannschaft kontinuierlich weiter. Wir haben das Know-how, um Schritt für Schritt die Kosten zu senken und dabei Reichweiten zu erhöhen, um Elektrofahrzeugen damit zum Marktdurchbruch zu verhelfen. Aber, wie gesagt, das ist kein Sprint sondern ein Marathonlauf.

Autogazette: Sie lassen den E-Up gegen den BMW i3 antreten. Ist das nicht eine falsche Positionierung, denn das Auto der Münchner dürfte doch eher mit dem Golf vergleichbar sein?

Krebs: Natürlich ist der BMW i3 vom Konzept her ein anderes Auto als der E-Up, doch wenn Sie sich das Innenraumkonzept anschauen, ist der E-Up wie der BMW ein Viersitzer und auch ein Stadtfahrzeug - somit passt diese Positionierung. Wir sind indes mehr auf der konventionelleren Seite geblieben, die Kollegen aus München mehr im Bereich Lifestyle.

«Kostensenkungen von 50 Prozent vorstellbar»

Der VW e-Golf (r.) soll in fünf Jahren autonom einparken.
Nach dem E-Up bringt VW den E-Golf auf den Markt VW

Autogazette: Opel hat den Preis des Ampera um 7600 Euro reduziert. Ist es die richtige Strategie, den Preis eines Elektroautos so drastisch zu senken, um die Elektromobilität nach vorn zu bringen?

Krebs: Es geht immer um den Preis – und der Preis sollte definitiv nicht außerhalb der Reichweite der Kunden liegen.

Autogazette: Ist ein solcher Schritt nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für die E-Mobilität in Deutschland?

Krebs: Ich glaube, dass es ein klares Bekenntnis von GM ist, dieses Auto zum Erfolg zu führen. Damit wollen sie auch die E-Mobilität zum Erfolg führen.

Autogazette: Wie schockiert waren Sie eigentlich, als der Preis des BMW i3 mit knapp unter 35.000 Euro bekanntgegeben wurde?

Krebs: Wir freuen uns über diesen Preis, denn damit zeigen auch unsere Wettbewerber, dass sie das Thema E-Mobilität realistisch einschätzen.

Autogazette: Während BMW nach eigenen Worten mit seinem Leichtbaukonzept des i3 ein revolutionäres Konzept präsentiert, vertraut Volkswagen auf den Modularen Querbaukasten. Welches Konzept ist das bessere?

Krebs: Ich kann hier nicht für BMW sprechen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass unser Weg, die Elektrifizierung über bestehende Plattformen zu gehen, der für uns deutlich kostengünstigere und auch flexiblere ist. Wir können dadurch kurzfristig auf die Nachfrage reagieren, da der E-Up Stoßstange an Stoßstange auf dem gleichen Band wie unser herkömmlicher Up und Eco-Up gebaut wird.

«Sind einen Zentner leichter als der BMW»

Der Audi A3 e-tron bei der Präsentation in Genf.
Der Audi A3 e-tron dpa

Autogazette: Für Sie ein klarer Wettbewerbsvorteil?

Krebs: Absolut. Ohne besondere Leichtbaumaßnahmen wie Carbon sind wir einen Zentner leichter als der BMW und verfügen über Serientechnik, die in jeder Werkstatt repariert werden kann. Mit 11,7 kWh/100 km haben wir zugleich den effizientesten Antrieb.

Autogazette: Um wie viel teurer wäre ein Volkswagen E-Up geworden, wenn Sie nicht auf den Querbaukasten der New Small Family hätten zurückgreifen können?

Krebs: Wenn wir beim E-Up eine ganz neue Entwicklung hätten auf den Weg bringen müssen, wäre ein deutlicher Zusatzaufwand angefallen.

Autogazette: Folglich konnte VW den E-Up auch entsprechend günstiger als den i3 anbieten?

Krebs: Genau. Es ist doch so, dass wir in der ersten Phase der E-Mobilität mit der Fahrzeugreichweite und den Batteriekosten zu kämpfen haben. Deshalb liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit in der Weiterentwicklung des Antriebs und der Batterien. Wir glauben, dass es sinnvoller ist, dass Geld in diesen Bereich zu investieren, um damit unseren Kunden auch attraktive Produktattribute anbieten zu können.

Autogazette: Glauben Sie, dass VW auch bei der Elektromobilität Weltmarktführer werden kann?

Krebs: Ja, und ich denke, dass man das schon in Ansätzen erkennen kann: Wir haben relativ leise unsere Arbeit absolviert. Nun bringen wir gleich vier Autos auf den Markt: den E-Up, den E-Golf, den Audi A3 e-tron und den Porsche Panamera S E-Hybrid. Da die Basis aller dieser Modelle unsere Plattformstrategie ist, können wir diese Antriebe sehr schnell in bestehende Fahrzeuge und Fahrzeugkonzepte einbringen und somit im Konzern bei entsprechender Nachfrage bis zu 40 Modelle mit alternativen Antrieben ausrüsten. Wir haben strategisch das Richtige getan, um dieses Ziel der Weltmarktführerschaft bei der Elektromobilität zu erreichen. Hier hat der Volkswagen Konzern enorme Vorteile gegenüber den Mitbewerbern.

«Können flexibel auf Kundenwünsche reagieren»

Der Porsche Panamera S E-Hybrid beeindruckt durch seine Sparsamkeit.
Der Porsche Panamera Hybrid Porsche

Autogazette: Der VW Konzern hat vor, bis zum Jahr 2018 insgesamt 300.000 Fahrzeuge weltweit mit alternativen Antrieben abzusetzen. Sie rechnen davon mit 100.000 Elektroautos...

Krebs: ...genau genommen definieren wir die 300.000 Fahrzeuge als Elektrofahrzeuge und zählen hier sowohl reine E-Fahrzeuge als auch Plug-In Hybride dazu – also Autos, die per Stecker geladen werden können. Die Plug-In Hybride verbinden dabei das Beste aus zwei Welten und bieten volle Langstreckentauglichkeit, so dass wir bei diesem Antrieb zunächst größere Absatzchancen in Europa sehen. Dies kann aber aufgrund der jeweiligen politischen Rahmenbedingungen und Mobilitätsanforderungen in den einzelnen Märkten und Regionen sehr unterschiedlich ausfallen. Unsere Werke sind daher so aufgestellt, dass wir flexibel auf die Kundenwünsche bei den alternativen Antrieben reagieren können.

Autogazette: Ein großes Zutrauen in die E-Mobilität sieht aber anders aus?

Krebs: Wie gesagt: Es braucht Zeit – wie bei jeder neuen innovativen Technologie. Doch nachdem wir unseren Preis publiziert haben, bekommen wir bereits eine Vielzahl von Anfragen von Handwerksbetrieben oder kleinen Betrieben in den Städten, die ihren ganzen Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umstellen wollen. Diese Kunden sind schon jetzt bereit, dafür mehr zu bezahlen.

Autogazette: Der EU Umweltausschuss diskutiert derzeit mit Blick auf die CO2-Grenzwerte im Jahr 2025 einen Zielkorridor zwischen 68 und 75 g/km. Hätte so etwas das Einheitsauto zur Folge?

Krebs: Wenn Sie von einem CO2-Wert von 68 g/km sprechen, bewegen wir uns in der Zweiliter-Region. Selbst progressivste Motorenentwickler sagen, dass das sehr schwer wird - und dann würden wir auch nur noch Zweisitzer fahren. Die Mobilität, die wir heute gewohnt sind, wäre damit nicht mehr möglich. Bereits 95 g/km sind ein strammer Wert, denn damit liegt man bereits in einer Größenordnung von drei Litern Kraftstoffverbrauch.

Autogazette: Braucht es für die Erreichung des 95-Gramm-Ziels Supercredits, also die Mehrfachanrechnung von Elektroautos?

Krebs: Wir würden uns freuen, wenn wir Supercredits bekommen würden. Denn ich bin der Überzeugung, dass dies ein politisches Steuerinstrument sein könnte, um mit Hightech-Antrieben schneller auf den Markt zu kommen. Man darf bei dieser Diskussion aber nicht nur uns sehen: denn für Premiumhersteller ist es noch anspruchsvoller als für uns, ein Ziel von 95 g/km zu erreichen.

«Der Kunde muss den Diesel-Effekt spüren»

Rudolf Krebs lädt einen VW E-Up auf.
Billigerer Strom als Kaufanreiz für E-Autos VW

Autogazette: Welche Förderung müsste es seitens der Politik geben, um der E-Mobilität einen Push zu verleihen?

Krebs: Ich bin kein Freund einer Kaufprämie. Ich würde mir wünschen, dass es einen besseren Zugang zu den Städten geben würde, Fahrer eines Elektroautos frei parken könnten und ausreichend Lademöglichkeiten haben. Im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität arbeiten wir derzeit an einem von uns eingebrachten Konzept, dass für Elektroautos ein verbilligter Stromtarif eingeführt werden sollte. Ein Elektroauto ist eine Effizienztechnologie und unsere Energiepolitik ist immer danach ausgerichtet, effiziente Technologie zu fördern. Warum also nicht auch Elektroautos? Ich verstehe nicht, weshalb die Nutzer eines E-Autos auch die EEG-Umlage mitbezahlen müssen.

Autogazette: 100 Kilometer kosten im E-Up rund 3,04 Euro. Was würde billigerer Strom für den Preis bedeuten?

Krebs: Lassen Sie mich ein Beispiel aus Japan nennen. Hier kostete vor einem Dreivierteljahr die Kilowattstunde im Tagtarif 27 Cent, im Nachttarif neun Cent. Hier könnten Sie diese Strecke von 100 Kilometer statt mit drei Euro nun mit einem Euro zurücklegen. 100 Kilometer für einen Euro, das wäre gigantisch. Das wäre ein wirklicher Kaufanreiz. Wir brauchen nicht die Einmalbeflügelung durch eine Kaufprämie, sondern der Kunde muss den Dieseleffekt spüren: Ich zahle einmal mehr, aber ich spare bei jedem Nachladen der Batterie.

Das Interview mit Rudolf Krebs führte Frank Mertens

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