Mehrwertsteuererhöhung ermöglichte Schlämmer-Blog

VW-Kampagne

Der Schlämmerblog hat Volkswagen viel Zulauf und viel Kritik beschert. Im Interview mit der Autogazette spricht Ralf Maltzen, Leiter des Internetmarketing von VW, über die Entstehung des Schlämmerblogs und neue Projekte.

Volkswagen hat mit dem Schlämmerblog neue Wege in der Automobil-Werbung beschritten. «Werbung muss immer beim Menschen ankommen. Allein die Videos wurden fast drei Millionen Mal aufgerufen. In den Blog-Charts sind wir mit dem Schlämmerblog die Nummer zwei, bei den Video-Charts bei iTunes sogar die Nummer eins. Daran sehen Sie, wie interessant der Content für den Nutzer ist», sagte der Leiter CRM und Internetmarketing, Ralf Maltzen, der Autogazette.

Erfolg dank Mehrwertsteuererhöhung

Zugleich verteidigte Maltzen die Vorgehensweise, erst spät den Konzern geoutet zu haben. «Bei den meisten viralen Aktionen, bei denen eine Marketingkampagne dahinter steckte, ist das am Ende publik geworden. Deshalb haben wir von Anfang an gesagt, dass wir uns zu einem bestimmten Zeitpunkt outen müssen», so Maltzen, «dieses Outing geschah dann jedoch eine Woche vor dem geplanten Zeitpunkt. Wieso? Weil wir so viele Zugriffe und Einträge hatten. Mit einem derartigen Erfolg hätten wir nicht gerechnet.»

Dabei kam diesem Erolg die Mehrwertsteuererhöhung zugute. «Aufgrund dieses Umstandes war klar, dass die Mitbewerber mit viel herkömmlicher Werbung reagieren würden. Deshalb haben wir uns gefragt, wie wir mit der Marke VW da überhaupt sinnvoll sichtbar sein können. Allein durch klassische Kommunikationsmittel war das nicht möglich, deshalb haben wir auf andere, neue Strategien gesetzt. So kamen wir auf diese neue Idee», sagt Maltzen.

Für die Zukunft wird ein Blog aber nicht unbedingt das Allheilmittel sein. «Werbung muss immer beim Menschen ankommen», sagt Maltzen, «die Botschaft muss die Menschen berühren.» Deshalb könne im nächsten halben Jahr eine ganz andere Maßnahme viel wirkungsvoller sein. «Wir müssen immer sehen, was wirklich wirkt.»

Unterschiedliche Ideen in der Pipeline

Ralf Maltzen Foto: Werk

Autogazette: Horst Schlämmer hat endlich die Führerschein-Prüfung geschafft. Wie geht es nun weiter mit Ihrer Werbefigur?

Ralf Maltzen: Wir überlegen noch in unterschiedliche Richtungen. Gerade haben wir die neue Website «Schlämmer hat Golf» vorgestellt, die begleitet wird von einem Gewinnspiel. Das ist der aktuelle Stand. Nun müssen wir sehen, wie sich die neue Website nach der planmäßigen Abschaltung des Blogs entwickelt.

Autogazette: Als frischer Führerscheinbesitzer und stellvertretender Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts könnte Horst Schlämmer doch eigentlich Autotester werden und den neuen CrossTouran testen, oder?

Maltzen (lacht): Bei uns gibt es unterschiedliche Ideen, was noch kommen kann. Warten wir es mal ab.

Outing von Anfang an geplant

Hape Kerkeling und Horst Schlämmer Foto: dpa

Autogazette: Wie erfolgreich war diese neue Werbeform des Blogs für das Unternehmen?

Maltzen: Allein die Videos wurden fast drei Millionen Mal aufgerufen. In den Blog-Charts sind wir mit dem Schlämmerblog die Nummer zwei, bei den Video-Charts bei iTunes sogar die Nummer eins. Daran sehen Sie, wie interessant der Content für den Nutzer ist.

Autogazette: VW hatte sich anfänglich nicht als Sponsor des Schlämmerblogs geoutet. Hatten Sie angesichts der in diesen Bereichen sensiblen Bloggerszene nicht die Befürchtung, dass das nach hinten los gehen kann?

Maltzen: Natürlich haben wir auch diese Gefahr gesehen. Deshalb gab es von Anfang an feste Parameter, an die wir uns gehalten haben. So haben wir uns zur Maßgabe gesetzt, dass die Blogs nicht redigiert werden; wir haben sie nur dann redigiert, wenn es rechtliche Bedenken zu dem dort Geschriebenem gab. Wenn Sie sich die Blogeinträge anschauen, dann sehen Sie auch durchaus kritische Einträge, wie den: «VW steckt ja dahinter!». Doch kurz darauf folgt ein anderer Eintrag. Dort stand dann: «Okay, aber Spaß macht es trotzdem». Ich gebe aber gerne zu, dass wir mit dieser gesamten Aktion komplett neue Wege im Marketing gegangen sind.

Autogazette: Hat es Sie überrascht, dass die ansonsten doch teilweise sehr harsch reagierende Bloggerszene sehr milde mit VW umgegangen ist?

Maltzen: Absolut. Bei den meisten viralen Aktionen, bei denen eine Marketingkampagne dahinter steckte, ist das am Ende publik geworden. Deshalb haben wir von Anfang an gesagt, dass wir uns zu einem bestimmten Zeitpunkt outen müssen. Dieses Outing geschah dann jedoch eine Woche vor dem geplanten Zeitpunkt. Wieso? Weil wir so viele Zugriffe und Einträge hatten. Mit einem derartigen Erfolg hätten wir nicht gerechnet.

Einsparung gegenüber anderen Kampagnen

Autogazette: Wann wurde denn das Outing-Video gedreht?

Maltzen: Wir haben alle Videos bereits im Januar gedreht - auch das Outing-Video.

Autogazette: Gibt es denn noch neue Videos, die in der Pipeline sind?

Maltzen: Nein, wir haben keine neuen Videos mehr in der Pipeline, sie sind alle veröffentlicht.

Autogazette: Wie hoch war der Marketingaufwand beim Schlämmerblog im Vergleich zu anderen Kampagnen?

Maltzen: Über Geld sprechen wir natürlich nicht. Wenn ich einen TV-Spot mache, dann bedeutetet das: Marke-Marke-Produkt-Produkt. Beim Schlämmerblog hingegen mache ich keine direkte Werbung. Hier produziere ich Content, in dem die Marke vorkommt. Das ist ein komplett anderer Ansatz. Natürlich sind die Produktionskosten für die Videos hoch. So unprofessionell sie auch ausschauen, was durchaus gewollt ist, so professionell wurden sie produziert. Ich hoffe, dass hilft Ihnen?

Autogazette: Nicht wirklich, helfen Sie uns weiter, auch ohne Nennung eines konkreten Betrages?

Maltzen: Okay, ich habe nur über die Produktionskosten gesprochen. Die sind unbestritten vorhanden. Doch dafür habe ich keine Mediakosten. Wir haben also keine Kosten um die Spots an die Zielgruppe zu bringen. Die Botschaft - in diesem Falle die Videos - waren so interessant, dass die Menschen sich die aktiv ansehen wollten. Und das knapp drei Millionen mal. Dahinter steckt eine riesige Einsparung gegenüber einer normalen Werbekampagne.

Werbung muss beim Menschen ankommen

Autogazette: Wird man in Zukunft aufgrund des Erfolges stärker auf Werbeformen wie den Schlämmerblog setzen als auf herkömmliche Werbung?

Maltzen: Ja. Werbung muss immer beim Menschen ankommen, deshalb müssen wir sehen, in welcher Marktsituation wir uns befinden, um anzukommen. Die Botschaft muss die Menschen berühren. In diesem Fall haben wir einen Blog genommen. Doch vielleicht müssen wir in einem halben Jahr eine andere Maßnahme auf den Weg bringen. Wir müssen immer sehen, was wirklich wirkt.

Autogazette: Es ging von Anfang an also nur um eine reine Online-Kampagne?

Maltzen: Ja, am Anfang war es als reine Online-Kampagne gedacht gewesen. Denn was wir gemacht haben, hat so noch niemand vor uns gemacht.

Autogazette: Wo sehen Sie Mitbewerber bei der Online-Werbung?

Maltzen: Zu Mitbewerbern äußere ich mich grundsätzlich nicht. Aber wenn man sich zehn Werbespots anschaut, dann ist die Botschaft immer die gleiche, nämlich: «Unser Produkt ist gut.» Doch welche Botschaft bleibt haften? Nur die, von der man berührt wird. Deshalb richten wir uns bei allen Ausgangsüberlegungen danach, dass unsere Interessenten und Kunden den Volkswagen typischen «Twinkle in the eye» sehen. Das ist sympathisch, lässt die Botschaft besser transportieren und beim Menschen haften.

Strategisch geplant

Autogazette: Ihre bisherige Werbebotschaft hieß: «Aus Liebe zum Automobil». Horst Schlämmer wirbt mit «Volkswagen, da weißte Bescheid»...

Maltzen: ...das ist die künstlerische Freiheit von Herrn Kerkeling. Er ist übrigens nicht darauf angesprungen, dass er ein Teil einer Marketingaktion sein soll, sondern er ist auf eine Idee angesprungen, die er persönlich klasse fand. Das sieht man auch in den Spots. Da fällt nicht die Klappe und er sagt seinen 30-Sekünder auf, sondern es macht ihm selbst viel Spaß und das ist Teil des Erfolges.

Autogazette: Wie entstand die Idee zum Schlämmerblog eigentlich?

Maltzen: Die ganze Idee wurde natürlich strategisch geplant. Wir saßen im Herbst des vergangenen Jahres zusammen und haben uns über die bevorstehende Mehrwertsteuererhöhung unterhalten, die im Automobilmarkt zu einer spürbaren Kaufpreiserhöhung führen wird. Aufgrund dieses Umstandes war klar, dass die Mitbewerber mit viel herkömmlicher Werbung reagieren würden. Deshalb haben wir uns gefragt, wie wir mit der Marke VW da überhaupt sinnvoll sichtbar sein können. Allein durch klassische Kommunikationsmittel war das nicht möglich, deshalb haben wir auf andere, neue Strategien gesetzt. So kamen wir auf diese neue Idee.

Das Interview mit Ralf Maltzen führte Frank Mertens

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