VW hat über Rückruf noch nicht entschieden

Gütesiegel «Made in Germany» in Gefahr

VW hat über Rückruf noch nicht entschieden
Produktion bei VW © dpa

In der Abgas-Affäre hat Volkswagen über eine Rückrufaktion der rund elf Millionen betroffenen Dieselfahrzeuge noch nicht entschieden. Derweil sorgen sich Fachleute und Politiker um den Industriestandort Deutschland.

Volkswagen hat über eine Rückrufaktion für die von der Abgas-Affäre betroffenen Dieselwagen noch nicht entschieden - auch genaue Informationen über die fraglichen Modelle gibt es bisher nicht. «So weit sind wir noch nicht, wir kennen ja erst seit gestern die Zahl», sagte ein Konzernsprecher am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Hannover zum gesamten Ausmaß.

Der Skandal um manipulierte Messungen bei Dieselfahrzeugen betrifft nach Konzernangaben weltweit insgesamt rund elf Millionen Wagen mit Motoren vom Typ EA 189. Fragen nach den im Einzelnen betroffenen Modellen blieben zunächst unbeantwortet.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter rief VW auf, alle Autos, die mit der Manipulations-Software ausgerüstet sind, zurückzurufen und umzurüsten. «Wenn das nicht freiwillig geschieht, muss Verkehrsminister Dobrindt Druck machen und Rückruf und Nachrüstung durchsetzen», sagte der Politiker der «Bild»-Zeitung. Künftig müsse das Kraftfahrtbundesamt selbst Abgastests auf Prüfstrecken durchführen.

Maschinenbauer fürchten Image-Verlust

Derweil fürchten Fachleute und Politiker um das gute Image des Gütesiegels «Made in Germany». Der Verband der Maschinenbauer (VDMA) sehe mit Sorge, dass ein Fehlverhalten nun auf die gesamte deutsche Industrie übertragen werden könnte, teilte der Branchenverband am Mittwoch in Frankfurt mit. Rund eine Million Mitarbeiter in Deutschland gäben allein im Maschinenbau jeden Tag ihr Bestes, um die Reputation der Industrie zu verteidigen, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann: «Es gibt keinen Grund, sie jetzt unter Generalverdacht zu stellen. Das schadet nur dem gesamten Standort Deutschland erheblich.» Die Kunden der deutschen Maschinenbauer könnten sich darauf verlassen, dass sie Spitzenleistungen «Made in Germany» bekommen.

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sieht im VW-Betrugsskandal eine Gefahr für den Innovationsstandort Deutschland. «Wir wollen, dass mit offenen Karten gespielt wird. Zur Innovationsfreude eines Landes gehört auch Vertrauen», sagte Kauder am Mittwoch bei einer CDU/CSU-Wirtschaftskonferenz in Berlin. Was in der Automobilindustrie passiert sei, sei ein schwerer Vertrauenslust - «und das könnte für uns durchaus wirtschaftliche Probleme haben». Auf Sensoren, die merken, wenn ein Auto auf dem Prüfstand steht, könne er gut verzichten, meinte Kauder mit Blick auf manipulierte Abgaswerte bei VW-Dieselautos: «Das ist keine Innovation, die wir brauchen.»

VDA-Präsident warnt vor allgemeiner Kritik

Auch der Branchenverband VDA hat die Abgas-Manipulationen bei Volkswagen scharf kritisiert. "Eine missbräuchliche Anwendung einer speziellen Motorensoftware - das geht nun wirklich überhaupt nicht", sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann am Mittwoch auf der IAA in Frankfurt. Der Verband nehme das Thema sehr ernst. Allerdings dürfe nicht der Fehler gemacht werden, die Gesetzesverstöße eines Unternehmens in den USA zu nutzen, um Hunderte von Zulieferern und Herstellern unter Generalverdacht zu stellen.

Gleichzeitig wehrte sich Wissmann gegen die allgemeine Kritik am Treibstoff Diesel: "Es handelt sich hier nicht um ein generelles Diesel-Problem, sondern es handelt sich um die illegale Anwendung einer speziellen Motorsoftware, um Tests zu schönen."

Hoher Dieselanteil in Westeuropa

Unabhängige Institute wie auch der TÜV hätten den Euro 6 Diesel x-fach getestet und dem Treibstoff "absolute Topwerte" bei der Senkung von Schadstoffen bescheinigt. Der Fall in den USA stelle die Abgas-Nachbehandlung und Reinigung beim Diesel nicht generell infrage. Außerdem spiele der Diesel eine große Rolle auf dem Weg, CO2-Emissionen zu reduzieren, betonte Wissmann: "Und deswegen ist der Diesel auch unverzichtbar für die deutsche und internationale Automobilindustrie."

Nach den Angaben des VDA ist jedes zweite Auto, das in Westeuropa neu zugelassen wird, ein Diesel. Der Marktanteil der deutschen Konzernmarken beim Diesel liegt in Westeuropa bei 53 Prozent. (dpa)

Vorheriger ArtikelStrafanzeigen gegen VW auch in Deutschland
Nächster ArtikelSubaru Levorg: Fernab des Mainstreams
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden