«China ist eben mehr als nur Peking»

VW-China-Chef Karl-Thomas Neumann

«China ist eben mehr als nur Peking»
VW-China-Chef Karl-Thomas Neumann ist seinen Posten los. © VW

Der VW-Konzern rechnet in China mit einem Marktwachstum von acht bis zehn Prozent aus. Im Interview mit der Autogazette spricht China-Chef Karl-Thomas Neumann über die Absatzerwartung und alternative Mobilitätskonzepte.

Der Volkswagen-Konzern rechnet auf dem chinesischen Markt mit einer Verlangsamung des Wachstums. «Die Gründe liegen in der Rücknahme der Kaufanreize seitens der Regierung. Sie hat erkannt, dass sie dieses Wachstum nicht mehr handeln kann», sagte VW-China-Chef Karl-Thomas Neumann im Interview mit der Autogazette. «Das, was wir mit den Zulassungsbeschränkungen in Peking erlebt haben, könnten wir auch in anderen Städten erleben», fügte der Manager hinzu.

Wachstum von acht bis zehn Prozent erwartet

Nachdem der VW-Konzern im Vorjahr mit insgesamt 1,9 Millionen Fahrzeugen ein Plus von 37 Prozent erzielen konnte, rechnet Neumann für 2011 nur noch mit einem moderaten Wachstum: «Wir gehen in China insgesamt von einem Wachstum im Pkw-Markt von acht bis zehn Prozent aus. Ich denke, dass wir mit unserer Prognose nicht zu optimistisch sind.»

Mobilitätskonzepte für den chinesischen Markt

Autogazette: Herr Neumann, Sie haben am Rande der Auto Shanghai auf Ihrem Messestand auf einem Elektroroller von VW Platz genommen. Welche Rolle spielen für den chinesischen Markt derartige alternative Mobilitätskonzepte?

Karl-Thomas Neumann: Eine wichtige. Bei unserem Elektroroller handelt es sich um ein Experiment. Wir wollen sehen, in welcher Form wir innovative Mobilitätskonzepte für den chinesischen Markt schaffen können. Zu diesem Elektroroller gehört nicht nur eine mobile Ladestation, sondern auch eine Smart-Card, mit der man diesen Roller mieten kann. In den kommenden Monaten wollen wir ausprobieren, ob dies vom Markt angenommen wird.

Autogazette: Wann kommt der Elektroroller genau auf den Markt?

Neumann: Es wird ihn in relativ kurzer Zeit geben, da es bereits ein riesiges Interesse von Universitäten als auch von Städten für diesen Elektroroller gibt. Der Volkswagen e-Scooter wird zunächst aber nicht verkauft, sondern soll erst einmal als Renting Concept mit einer Prepaid-Mobility-Card angeboten werden.

Autogazette: Im Gegensatz zu anderen Herstellern versteht sich VW in Deutschland bislang nicht als Mobilitätsanbieter. Welche Bedeutung spielt das Thema Carsharing in China?

Neumann: Zurzeit spielt Carsharing hier für uns keine Rolle. Momentan ist es so, dass die Menschen in China selbst ein Auto besitzen wollen. Doch natürlich sehen wir, dass es wie in Peking Zulassungsbeschränkungen für Neuwagen gibt. Auf diesen Umstand müssen wir eine Antwort finden und das tun wir mit dem Angebot eines Elektro-Rollers. Wenn das ein Erfolg wird, kann man an den nächsten Schritt denken.

Autogazette: Volkswagen konnte im ersten Quartal in China mit 548.400 Autos ein Plus von knapp 20 Prozent erzielen. Hatten Sie mit einer derart deutlichen Steigerung angesichts der seit diesem Jahr geltenden Zulassungsbeschränkungen für Peking gerechnet?

Neumann: Nein. Das Ergebnis zeigt aber: China ist eben mehr als nur Peking. Es gibt noch zahlreiche andere Millionenstädte in China. Dort und im ländlichen Raum sehen wir das Absatzwachstum in den kommenden Jahren. Da unsere Prognose für das Marktwachstum für 2011 bei konservativen acht bis zehn Prozent lag, mussten wir diese auch nach Bekanntgabe der Zulassungsbeschränkungen nicht korrigieren. Wir können gespannt sein, wie sich der Markt weiter entwickelt.

Wachstum nicht mehr zu handeln

Der VW Beetle bei seiner Premiere in Shanghai VW

Autogazette: Der VW-Konzern konnte 2010 zusammen mit Skoda und Audi 1,9 Millionen Autos in China absetzen, das war ein Plus von 37 Prozent. Was erwarten Sie in diesem Jahr?

Neumann: Wir gehen in China insgesamt von einem Wachstum im Pkw-Markt von acht bis zehn Prozent aus. Ich denke, dass wir mit unserer Prognose nicht zu optimistisch sind.

Autogazette: Worauf führen Sie die Verlangsamung des Wachstums zurück, auch auf die Zulassungsbeschränkungen?

Neumann: Die Gründe liegen in der Rücknahme der Kaufanreize seitens der Regierung. Sie hat erkannt, dass sie dieses Wachstum nicht mehr händeln kann. Das, was wir mit den Zulassungsbeschränkungen in Peking erlebt haben, könnten wir auch in anderen Städten erleben.

Autogazette: Erfreuen kann Sie dieser regulatorische Eingriff seitens des Staates ins Marktgeschehen wohl kaum?

Neumann: Natürlich wäre es mir lieber, wenn es nicht so wäre. Andererseits hätten wir auch nicht die Kapazitäten, noch mehr Autos zu verkaufen. Jedes Auto, das wir bauen, ist bereits verkauft.

Autogazette: Wie viele Autos könnten Sie denn maximal nach den 1,9 Millionen des Vorjahres verkaufen?

Neumann: Das hängt von unseren Produktionskapazitäten ab, die derzeit nur bei 1,5 Millionen Autos liegen. Wir haben den jüngsten Verkaufsrekord nur mit Sonderschichten und einer optimalen Auslastung unserer Fabriken in China geschafft. Ich denke, dass wir so dieses Jahr sicher über zwei Millionen Autos verkaufen werden.

«Seat ist eine besondere Marke»

Der E-Lavida in Shanghai VW

Autogazette: Was erwarten Sie von der Einführung von Seat auf dem chinesischen Markt?

Neumann: Eine Menge. Es ist eine besondere Marke, eine sehr emotionale. Das kommt, wie die ersten Reaktionen zeigen, bei den Chinesen gut an. Deshalb wird Seat auch eine eigene Händlerkette bekommen.

Autogazette: Sie überlegen, eventuell eine lokale Marke in China zu entwickeln. Wie weit sind die Planungen gekommen?

Neumann: Es ist richtig, dass die chinesische Regierung einheimische Marken fördern will. Doch das bedeutet nicht, dass wir deshalb um jeden Preis eine neue Marke gründen müssen. Derzeit sind wir dabei zu prüfen, ob es Marktsegmente gibt, in der eine eigene Marke für uns Sinn macht. Das kann beispielsweise das Lowcost-Segment sein, muss es aber nicht. Wenn wir nach der laufenden Prüfung zum Ergebnis kommen, dass wir mit einer eigenen Marke zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können, machen wir das. Wenn nicht, dann nicht.

Autogazette: Wann ist denn mit einer Entscheidung zu rechnen?

Neumann: Derzeit kann ich das noch nicht sagen. Es gibt verschiedene Optionen, die für uns interessant sein können. Wir gackern nicht, bevor wir Eier gelegt haben. Wir wissen noch nicht einmal, ob ein Ei kommt.

Autogazette: Die chinesische Regierung will Lizenzen für Elektroautos nur dann vergeben, wenn dahinter eine einheimische Marke steht. Bedeutet das, dass Sie im Jahr 2013 Ihre ersten E-Autos nicht als VW auf den Markt bringen?

Neumann: Nein, das bedeutet es nicht. Sie benötigen eine Lizenz, um ein New Energy Vehicle in China zu fertigen, dafür benötigen sie aber keine eigene Marke. Es reicht, wenn Sie die Batterie und/oder die Elektronik oder den Motor in China fertigen.

«Das sind reine Planspiele»

Autogazette: China als auch Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bei der Elektromobilität Weltleitmarkt zu werden. Welches Land hat die besten Chancen, dieses Ziel zu erreichen?

Neumann: Ich glaube, dass China hier die größeren Chancen hat. Wir reden über den Weltleitmarkt und China ist der weltdominierende Markt. Die Chinesen sind gerade dabei, ein 100-Milliarden-Yuan-Programm beispielsweise für die Infrastruktur und die Entwicklung zu beschließen. Das sind Beträge, über die man in Deutschland lange diskutiert, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.


Karl-Thomas Neumann VW

Autogazette: Herr Winterkorn will bis 2018 drei Prozent des Gesamtabsatzes mit Elektroautos bestreiten. Wie viele E-Autos wollen Sie bis dahin auf dem chinesischen Markt verkaufen?

Neumann: Das wüsste ich auch gern. Doch wenn ich unterstelle, dass im Jahr 2020 in China fünf Millionen Elektroautos fahren – dass ist die Zahl, die sich die Regierung wünscht – dann würden wir davon gerne 20 Prozent stellen. Doch das sind reine Planspiele, weil wir heute nicht wissen, welche Incentives es gibt, wenn unsere E-Autos ab 2013 auf den Markt kommen.

Autogazette: Welches Elektroauto werden Sie 2013 auf den Markt bringen, den E-Lavida?

Neumann: Wir haben bisher nicht verraten, welches Elektroauto wir auf den Markt bringen werden - und das werde ich auch jetzt nicht tun. Unsere beiden Joint Ventures werden aber auf jeden Fall je ein E-Auto anbieten. Daneben haben wir natürlich die Option auch Autos zu importieren, die der Konzern auf anderen Märkten im Angebot hat.

Das Interview mit Karl-Thomas Neumann führte Frank Mertens

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