Audi-Manager vor Aussage in Dieselaffäre

Akten belasten Winterkorn und Diess

Audi-Manager vor Aussage in Dieselaffäre
In der Dieselaffäre kann es zu neuen Erkenntnissen kommen © dpa

Ein inhaftierter Audi-Manager will in der Dieselaffäre zur Aufklärung beitragen. Derweil geraten der frühere VW-Chef Martin Winterkorn sowie Markenchef Herbert Diess immer stärker ins Visier der Ermittler.

Der seit vergangener Woche wegen der Abgasaffäre inhaftierte Audi-Manager will mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Sein Anwalt Walter Lechner sagte der «Süddeutschen Zeitung»: «Mein Mandant sagt aus. Er kooperiert mit der Staatsanwaltschaft, um seinen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu leisten.» Der Festgenommene war bis zu seiner Beurlaubung 2015 einer der führenden Motorenentwickler bei der Volkswagen-Tochter Audi und ist offenbar stark in die Abgasaffäre verwickelt.

Die Münchener Staatsanwaltschaft hatte am Freitag mitgeteilt, dass ihm Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen werden. Dem «SZ»-Bericht zufolge hat die Staatsanwaltschaft Erkenntnisse, dass er dazu beigetragen hat, die amerikanischen Umweltbehörden jahrelang mit manipulierten Schadstoffwerten über den wahren Abgasausstoß von Diesel-Fahrzeugen zu täuschen. Sein Anwalt sieht die Verantwortung dafür aber nicht bei seinem Mandanten. «Fest steht jedenfalls, dass mein Mandant nicht die unternehmenspolitische Entscheidung hierfür treffen konnte und auch nicht getroffen hat.»

Winterkorn wird schwer belastet

Auch der frühere Konzernchef Martin Winterkorn wird laut der «Bild am Sonntag» zufolge von Kronzeugen und US-Ermittlungsakten schwer belastet. Winterkorn habe mindestens zwei Monate vor Bekanntwerden des Skandals von den Manipulationen erfahren. Ein VW-Abgasspezialist habe dem damaligen VW-Chef sowie VW-Markenchef Herbert Diess bei einem Treffen am 27. Juli 2015 ausführlich die Betrugssoftware erklärt, mit der weltweit etwa elf Millionen Fahrzeuge manipuliert wurden.

«Ich hatte nicht das Gefühl, dass Winterkorn zum ersten Mal davon gehört hat», zitiert die «BamS» den Experten und heutigen Kronzeugen. Das Blatt beruft sich auf «Hunderte Zeugenbefragungen, FBI-Berichte, interne E-Mails und geheime Präsentationen». Volkswagen erklärte dazu auf Nachfrage: «Vor dem Hintergrund laufender Ermittlungen äußern wir uns zu den genannten Sachverhalten inhaltlich nicht.» Winterkorn war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Auch gegen Müller wird ermittelt

Nach Konzernangaben hat die VW-Führungsspitze um den damaligen Konzernchef Winterkorn nur wenige Tage vor Bekanntwerden des Skandals in den USA detailliert von den Manipulationen erfahren. Gegen Winterkorn, Diess, den heutigen VW-Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller sowie den VW-Aufsichtsratschef und ehemaligen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch laufen in Deutschland bereits Ermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Sie sollen den Kapitalmarkt entgegen der Vorschriften nicht rechtzeitig über die Probleme informiert haben.

Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen fast 40 Beschuldigte wegen Betrugsverdachts, auch gegen Winterkorn. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft kündigte an, er werde bis zum Abschluss der Ermittlungen keine Zwischenstände mitteilen und auch keine anderen Informationen kommentieren. Das Bundesverkehrsministerium wollte sich ebenfalls nicht zu dem Bericht äußern.

Die Sitzung vom 27. Juli hatte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur deutlich mehr als ein Dutzend Teilnehmer, dazu kamen weitere Zuhörer wie Büroleiter oder Referenten. Die US-Kanzlei Jones Day, die im VW-Auftrag den Dieselskandal untersucht, habe in diesem Zusammenhang mehr als 50 «Interviews» geführt. Allerdings seien die Aussagen der Teilnehmer widersprüchlich, hieß es. Nicht alle Beteiligten befanden sich durchgehend im Raum; zudem sei das Protokoll der Sitzung nicht von allen unterschrieben worden.

«Sie haben uns erwischt»

Die kalifornische Umweltbehörde CARB war dem «BamS»Bericht zufolge seit Februar 2015 von einem «Defeat Device» ausgegangen und hatte sich mehrfach mit VW-Vertretern getroffen. «Jetzt haben wir Ärger. Sie haben uns erwischt», habe ein VW-Manager nach einem Treffen mit der Behörde am 8. Juli 2015 kommentiert, berichtet das Blatt unter Berufung auf US-Akten. Die Software sollte helfen, die strengen US-Abgasgrenzwerte einzuhalten.

«Winterkorn hat niemanden angewiesen, die Existenz der Software preiszugeben. Und nur Winterkorn konnte diese Entscheidung treffen», zitiert die Zeitung den Kronzeugen. Vielmehr habe der damalige VW-Chef nur genehmigt, das Problem bei Gesprächen mit den US-Behörden «teilweise» offenzulegen. Wie der Kronzeuge nach «BamS»-Informationen sagte, erklärte er selbst schließlich in einem Treffen mit CARB-Vertretern am 19. August 2015 den Betrug.

Wie die «BamS» weiter schreibt, ist Winterkorn, Diess und dem damaligen Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer in einer Sitzung am 25. August 2015 vorgerechnet worden, dass der Skandal den Autobauer allein in den USA bis zu 18,5 Milliarden Dollar kosten könne. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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