«Kunden tendieren eher zu konservativem Design»

Ekkehard Schwartz, Fahrzeugentwicklung Volvo

«Kunden tendieren eher zu konservativem Design»
Ekkehard Schwartz ist bei Volvo Vice-President Vehicle Engineering. © Volvo

Die Aerodynamik spielt für Volvo in der Fahrzeugentwicklung eine wichtige Rolle. Im Interview mit der Autogazette spricht Ekkehard Schwartz, Vize-Präsident Fahrzeug-Entwicklung bei Volvo, über Verbrauchsreduktion und Cw-Werte von 0,20.

Für den schwedischen Autobauer Volvo spielt Aerodynamik in der Fahrzeug-Entwicklung eine wichtige Rolle. «Die Anforderungen des Gesetzgebers und der Wunsch der Kunden nach weniger Verbrauch haben den Druck erhöht, wettbewerbsfähige Aerodynamik anzubieten», sagte der Vize-Präsident Fahrzeug-Entwicklung bei Volvo, Ekkehard Schwartz, im Interview mit der Autogazette.

Einfluss der CO2-Grenzwerte

Wie Schwartz sagte, würde die Aerodynamik auch durch die strenger werdenden CO2-Grenzwerte seitens des Gesetzgebers verstärkt in den Fokus der Hersteller treten, da man Autos anbieten müsse, «die diesen Vorgaben entsprechen».

«Aerodynamik wurde nicht vernachlässigt»

Autogazette: Hat das Gros der Autobauer die Aerodynamik in den zurückliegenden Jahren vernachlässigt?

Ekkehard Schwartz: Nein, Aerodynamik wurde definitiv nicht vernachlässigt. Im Gegenteil: die Anforderungen des Gesetzgebers und der Wunsch der Kunden nach weniger Verbrauch haben den Druck erhöht, wettbewerbsfähige Aerodynamik anzubieten. Allerdings gibt es darüber hinaus eine Vielzahl von Abwägungen für die Ingenieure, beispielsweise zwischen Fußgängerschutz, Rundumsicht und Design.

Autogazette: Trifft das auch auf Ihr Unternehmen zu?

Schwartz: Ja, alle Hersteller befinden sich mehr oder weniger in der gleichen Position.

Mit dem Concept Coupe gibt Volvo einen Ausblick auf die neue Designsprache.
Das Volvo Concept Coupé Volvo

Autogazette: Warum rückt die Aerodynamik gerade wieder stärker in den Focus der Autobauer. Liegt das vor allem an den strengen CO2-Richtlinien?

Schwartz: Sicherlich, denn aufgrund der strenger werdenden CO2-Grenzwerte müssen wir Autos anbieten, die diesen Vorgaben entsprechen. Zugleich wissen wir, dass die Verbesserung der Aerodynamik ein ausgesprochen kostengünstiger Weg ist, den Verbrauch zu senken. Die Volvo Car Corporation verbessert die Energieeffizienz der Fahrzeuge in verschiedenen Bereichen, einer davon ist die Aerodynamik.

Autogazette: Ist es einfacher und vor allem kostengünstiger, die Effizienz eines Fahrzeuges durch aerodynamische Maßnahmen als durch Leichtbau zu verbessern?

Schwartz: Sowohl als auch. Bekanntermaßen müssen ja die Karosserie und die Fahrgastzelle einbezogen werden. Es ist sehr kosteneffizient, die Basis-Karosserie eines Fahrzeuges aerodynamisch zu gestalten. An dem Punkt, an dem das Design vor seiner Fertigstellung steht, wird es aber komplizierter zwischen Aerodynamik oder Leichtbau zu entscheiden. Aerodynamische Lösungen bieten größere Vorteile bei höherem Tempo. Leichtbaumaßnahmen bieten Vorteile sowohl bei dynamischer Fahrweise als auch beim Fahrverhalten, sind aber weniger effektiv bei konstanter Geschwindigkeit. Die Balance zwischen Leichtbau und einer Verbesserung der Aerodynamik hängt auch davon ab, was für ein Modelltyp designed wird. Umgekehrt wird das Design von möglichen Lösungen beeinflusst. Und nicht zuletzt kann die Entscheidung davon abhängen, welchen Stellenwert die Sichtweite, Geräusche, Vibrationen oder Komfort einnehmen.

«Basis-Form hat sich kaum geändert»

Volvo C30 im Windkanal
Im Windkanal bei Volvo Volvo

Autogazette: Wird die Aerodynamik das Design der Autos in Zukunft nachhaltig verändern?

Schwartz: Die Geschichte hat gezeigt, dass Autos, die radikal anders designed wurden, kommerziell nicht den erhofften Erfolg gebracht haben. Die Mehrheit der Kunden tendiert eher zu einem konservativen Design, was man daran sehen kann, dass sich die Basis-Form des Autos in den zurückliegenden 20 Jahren kaum geändert hat. Der Cw-Wert der Autos wurde zumeist durch eine bessere Detailarbeit und vor allem durch größere Aufmerksamkeit beim Unterboden reduziert. Die Herausforderung für die Designer liegt darin, die Aerodynamik mit einem attraktiven Design zu verbinden. So lange das Design keine radikale Verbesserung der Energieeffizienz bringt, wird es sich evolutionär statt revolutionär entwickeln.

Autogazette: Ist das Einliter-Auto VW XL1 mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,189 wegweisend für zukünftige Fahrzeuggenerationen oder ist es nur eine Fingerübung für Designer und Aerodynamiker?

Schwartz: Das Auto besitzt augenscheinlich eine effiziente Form und ist sehr gut designed. Es zeigt, welche Kompromisse gemacht werden mussten zwischen den Ansprüchen der Kunden und der Ingenieure, um einen solch niedrigen Aerodynamik-Wert zu erzielen. Es gibt einen Einblick in die Arbeit der Ingenieure und Designer, doch die Aerodynamik hinter diesem Projekt ist nicht neu.

«Kennen Vorteile der Tropfenform»

Autogazette: Hat die Tropfenform bei zukünftigen Fahrzeugen wieder eine Perspektive?

Schwartz: Nochmals, das hängt entscheidend davon ab, wie der Markt auf solche neuen Formen und Designs reagiert. Wir kennen bereits die Vorteile der Tropfenform, aber das muss in Einklang mit der Sicherheit, Sichtweite, dem Komfort gebracht werden, welche die Kunden heute und in der Zukunft erwarten.

Autogazette: Wo liegt für Sie der größte Zielkonflikt zwischen Design und Aerodynamik?

Schwartz: Wir sehen es eher so, dass wir keinen Konflikt zwischen Aerodynamik und Design annehmen und stattdessen die potentiellen Gemeinsamkeiten herausfinden wollen. Man kann aber schon sagen, dass das Heck des Autos die größte Herausforderung ist, wo der Luftstrom sich von der Karosserie separiert: hier geht es um beides, aerodynamische Effizienz und Design.

Autogazette: Stellen die steigenden Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit wie beispielsweise Fußgängerschutz die Aerodynamik vor besondere Probleme?

Schwartz: Bis zu einem gewissen Grad ja. Denn die Fußgängersicherheit kann das Design des Autos an der Front signifikant bestimmen. Die Höhe der Motorhaube ist davon beeinflusst und dies kann wiederum zu einer insgesamt größeren Front führen, weil dann auch die Fahrerposition weiter nach oben gelegt werden müsste.

«Cw-Werte von unter 0,20 sind möglich»

Volvo V40 Cross Country
Der Volvo V40 Cross Country Volvo

Autogazette: Der Rumpler-Tropfenwagen von 1921 kam auf einen Cw-Wert von 0,28. Vergleicht man das mit den Luftwiderstandsbeiwerten der heutigen Fahrzeuge, dann haben sich seither keine Quantensprünge vollzogen. Herrschte in der Aerodynamik in den zurückliegenden 92 Jahren eher Stillstand statt Fortschritt?

Schwartz: Der Rumpler-Tropfenwagen ist ein fantastisches Beispiel für eine gute Aerodymik und Praktikabilität in den 20er Jahren. Die Front ist größer als bei modernen Autos und das Design unterschied sich radikal von dem anderer Autos zu dieser Zeit. Das zeigt wieder, dass dem Kunden ein attraktives Design geboten werden muss. Die Aerodynamik hat viele Jahre im Dornröschenschlaf gelegen, jetzt aber ist sie wieder lebendig und trägt zur Energieeinsparung bei.

Autogazette: Der Mercedes CLA ist derzeit mit einem Cw-Wert von 0,22 der Aerodynamik-Champion unter den Serienfahrzeugen. Welche Reduktion ist zukünftig noch vorstellbar?

Schwartz: Dieser Mercedes verfügt über eine außergewöhnlich gute Aerodynamik und zeigt, dass Cw-Werte von unter 0,25 möglich sind mit einem konventionellen Design. Dieses Auto weist aus Ingenieur-Sicht verschiedene Kompromisse auf, die akzeptabel oder nicht akzeptabel für andere Modelle sein können. Das Erreichen eines Cw-Wertes von 0,20 ist möglich, wenn die Kompromisse noch extremer, aber dennoch akzeptabel sind. Um Autos für vier Personen mit einem Cw-Wert von 0,20 und darunter zu entwickeln, dazu bedarf es signifikanter Änderungen am Package und dem Design. Ob die Kunden das akzeptieren wird man sehen.

Das Fragen stellten Thomas Flehmer und Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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