Volvo: 180 PS aus drei Zylindern

Motorenoffensive geht weiter

Volvo: 180 PS aus drei Zylindern
Der Volvo V40 ist mit einem neuen Dreizylinder unterwegs. © Volvo

Volvo hat gerade erst seine neuen Vierzylinder-Motoren eingeführt und einen neuen Plug-in-Hybriden für den XC90 präsentiert. Doch die Motorenoffensive geht weiter: Die Schweden arbeiten an einem leistungsstarken Dreizylinder – es ist Downsizing pur.

Die Entwicklungsabteilungen der großen Auto-Konzerne gleichen militärischen Sperrgebieten. Videoüberwachung, Ausweiskontrolle, misstrauisch blickende Begleiter, versiegelte Foto-Handys. Umso erstaunlicher, dass Volvo jetzt einen bislang wohlgehüteten Schleier ein wenig lupfte.

Eine Neuerung, mit der man wohl zur Eröffnung eines Flughafens in der deutschen Hauptstadt vorfahren könnte. Denn das dazugehörige Auto wird erst 2017 erscheinen. Wie die Kompaktklasse der Schweden aussehen wird, die zusammen mit der chinesischen Mutterfirma Geely entwickelt wird, bleibt weiter ein Geheimnis. Doch der revolutionäre Benzinmotor durchläuft jetzt schon die ersten Tests.

Downsizing pur

Am Rande des Entwicklungszentrums auf einer Insel vor Göteborg gibt es eine kleine Rennstrecke. Wir sitzen in einem scheinbar ganz normalen Volvo V40, dem skandinavischen Golf-Rivalen. Drähte mit Anschlüssen für Notebooks ragen aus der Mittelkonsole, daneben Aufkleber mit Hinweisen für die Testfahrer. Vorne unter der Haube schnurrt das neue kleine Herz, das bald Großes leisten soll. Nur 1,5 Liter Hubraum, verteilt auf gerade mal drei Zylinder. Downsizing pur also, eine selbstauferlegte Schrumpfkur, um so wenig wie möglich kostbaren Kraftstoff zu verbrauchen und kommende Abgasnormen locker zu erfüllen. Ein Sparauto also, das sich da über die schmale, kurvenreiche Piste schlängelt. Vernunft statt Spaß, Entschleunigung statt Rasanz?

Von wegen: Die Dreifaltigkeit im Motorraum liefert gut 133 kW/180 PS an die Vorderräder. „Wir haben die moderne Turbotechnologie unserer Vierzylinder-Triebwerke modifiziert und an den kleineren Hubraum angepasst“, erklärt Michael Fleiss, der Chef der Motorenentwicklung. „Besonders stolz sind wir darauf, dass nach nur 48 Wochen der erste neue Motor nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch schon in einem realen Fahrzeug problemlos lief“. Der Ingenieur, der über VW und Bentley zu Volvo kam, spricht von verringerter Reibung in den Laufbuchsen der einzelnen Zylinder, von computergesteuerter Benzineinspritzung und weiteren technischen Raffinessen, die sein Team in rekordverdächtiger Zeit bewältigte.

Laufruhe auf Niveau eines Vierzylinders

Der Volvo Dreizylinder.
Der Dreizylinder von Volvo Volvo

„Die größte Herausforderung war, die Laufruhe des Dreizylinders auf das Niveau eines Vierzylinders zu bringen“, berichtet Fleiss. Denn die ungerade Zahl von Zylindern führt nun mal zu Vibrationen, die sich je nach Drehzahl unterschiedlich auswirken und als recht raues Geräusch in den Ohren der Insassen ankommen. Eine besondere Ausgleichwelle musste her, die diese unerwünschten Schwingungen wirksam abfängt. „Wir haben immer wieder getüftelt, ausprobiert und Lösungen auch mal verworfen“, erinnert sich Michael Fleiss. „Der heutige Entwicklungsstand ist schon sehr gut, aber wir arbeiten weiter. Wir haben ja noch ein wenig Zeit bis zum Serienstart“.

Ein Hauch von Selbstzweifel, den die Testrunden auf der kurvenreichen Piste nicht bestätigen. Der starke Kleine im bekannten Blechkleid klingt kernig, aber nicht unrund. Beim Gasgeben nach einer engen Kurve zurück auf die Gerade kommt er mit Esprit auf Touren, das gefürchtete „Turboloch“ wird schnell überbrückt. Der durch die Abgase angetriebene Kraftspender setzt derzeit noch etwas härter ein, als man es von seinen vierzylindrigen Kollegen her gewohnt ist. Danach aber hängt er perfekt am Gas, sofern man ihn mittels des rechten Pedals bei Laune hält. „An dem zu ungestümen Antritt des Turbo feilen wir noch“, räumt Fleiss an und verspricht Abhilfe.

Umgekehrt reicht die Durchzugskraft aber auch fürs ruhige Gleiten mit frühem Hochschalten, um dem Turbo längere Verschnaufpausen zu gestatten. Bei dieser Fahrweise, die dem Alltagsverkehr näher kommt als das Rumtoben auf der Rennstrecke, verhält sich der Dreizylinder so sanft wie seine größeren Kollegen. Niemand würde ahnen, dass was „Ungerades“ zwischen Stoßfänger und Windschutzscheibe Dienst tut.

Trend in Autoindustrie

Mit der Reduzierung auf drei Zylinder steht Volvo nicht alleine. Zum Beispiel Ford oder VW bieten solche Triebwerke, inzwischen auch BMW - wie zum Beispiel beim 218 i Active Tourer mit seinen 100 kW/136 PS. Das Erstaunliche an der rein schwedischen Entwicklung ist die Leistungsspanne des Dreizylinders: Wenn er in künftigen Kompakt-Volvos oder auch in den Einstiegsversionen des kommenden S60 eingebaut wird, reicht er von etwa 88 kW/120 PS bis eben hin zu den gerade getesteten 133 kW/180 PS. Das sparsamste Modell soll sich mit deutlich weniger als 100 Gramm CO2 pro Kilometer begnügen. Genaue Werte werden noch nicht verraten. Auch die Kombination mit Plug-in-Hybrid-Antrieb ist nach Volvo-Aussagen problemlos möglich und wird zeitgleich auf den Markt kommen.

Das ganze Projekt ist Teil der Volvo-Strategie, sich nicht mehr weiter am „Zylinderzählen“ (so Entwicklungsvorstand Peter Mertens) zu beteiligen. Für die größeren Modellreichen vom S60 bis hin zum großen SUV XC90 oder der künftigen Edellimousine S90 kommen ausschließlich Vierzylinder-Motoren mit zwei Litern Hubraum – sowohl Diesel als auch Benziner - zum Einsatz. Ihr Pendant bei den kleineren Baureihen wie dem nächsten V40 sind - zumindest für die Benzinmotoren - die jetzt enthüllten Dreizylinder mit 1,5 Litern Hubraum. „Das ermöglicht uns, unseren Kunden mehr Leistung bei gleichzeitig erheblich reduziertem Verbrauch zu bieten“, sagt Peter Mertens und fügt selbstbewusst hinzu: „Damit haben wir die Führung in der Motorentechnologie übernommen“. (SP-X)

Vorheriger ArtikelFord bringt neuen Focus RS
Nächster ArtikelAudi RS 3 Sportback: Nase vorn
Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

Keine Beiträge vorhanden