«Qashqai hat Potenzial zum Knallerauto»

Rainer Landwehr sieht Nissan trotz einer Absatzdelle auf dem richtigen Weg. Im Interview mit der Autogazette verrät der Geschäftsführer vom Nissan Center Europe, warum die Marke demnächst wieder positive Schlagzeilen schreiben wird.

Der japanische Autobauer Nissan hat im ersten Quartal 2007 einen Absatzverlust von 31,8 Prozent hinnehmen müssen. Rainer Landwehr ist trotzdem überzeugt, dass der Konzern sorgenfrei in die Zukunft schauen kann. «Die Automobilindustrie ist derzeit kein Fleck, an dem man sich ausruhen kann. Aber im Vergleich zu anderen Herstellern würde ich Nissan ganz klar auf der Winnerseite sehen», sagte der Geschäftsführer vom Nissan Center Europe der Autogazette.

Kleines Schlagloch

Obwohl Nissan-Chef Carlos Ghosn von einem Schlagloch sprach, in das Nissan hineingeraten war, zeigt sich Landwehr zuversichtlich: «Das Schlagloch ist - wenn überhaupt - sehr klein und aus dem Blickwinkel unseres obersten Dienstherren vorhanden. Im Großen und Ganzen geht es der Firma wirklich gut.»

Optimismus verbreitet die erfolgreiche Markteinführung des Nissan Qashqai, sowie die Neuordnung des Händlernetzes, das Nissan seit dem vergangenen Jahr umstrukturiert. Zudem arbeitet Nissan mit Allianz-Partner Renault an alternativen Antriebslösungen der Zukunft. «Die alternative Antriebstechnologie wird gemeinsam vorangetrieben, die Frage ist dann: Wer bekommt zuerst den Zuschlag?», so Landwehr.

Viele Privatkunden

Nissan 350 Z Foto: Werk

Autogazette: Herr Landwehr, macht es eigentlich derzeit Spaß, Geschäftsführer vom Nissan Center Europe zu sein?

Rainer Landwehr (lacht): Es macht immer Spaß, Geschäftsführer zu sein. Es ist sicherlich aber momentan eine heraufordernde Zeit. Es wird derzeit viel umgesetzt und auf den Weg gebracht. Grundsätzlich muss man aber mit Spaß und Freude bei der Sache sein.

Autogazette: Nisann verzeichnet massive Einbrüche. In Deutschland ging der Verkauf im Vergleich zum 1. Quartal des Vorjahres um 31,8 Prozent zurück...

Landwehr: ... da gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Der eine Grund ist im Markt selbst begründet. Ich nennen hier die vorgezogenen Käufe im letzten viertel Jahr 2006 wegen der ab Januar 2007 erhöhten Mehrwertsteuer. Das haben vor allem Privatkunden genutzt, weniger die Geschäftskunden. Aber da wir bei Nissan so viele Privatkunden haben, ist der klassische Mechanismus eingetreten.

Autogazette: Allein mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer lässt sich dieser Einbruch aber nicht erklären?

Landwehr: Es gibt auch noch noch hausgemachte Tiefen, von denen ich zwei erwähnen möchte: Zum einen unsere Neuausrichtung und Neuorientierung des Händlernetzes. Wir haben im Februar etwa 200 Standorte vom Netz genommen. Das ist ein Prozess, der nicht in einem Monat bewältigt ist, sondern längere Zeit in Anspruch nimmt. Zum anderen haben wir in Europa sämtliche Computersysteme vereinheitlicht, was auch ein paar Probleme verursacht hat..

Neustrukturierung des Händlernetzes

Nissan X-Trail Foto: AG/Flehmer

Autogazette: Wie soll Ihr Händlernetz zukünftig ausschauen?

Landwehr: Wir haben einen sehr klaren Plan. Nach der Kündigung, die wir vor zwölf Monaten ausgesprochen haben, haben wir 200 Standorte verloren. Wir haben aber bereits 80 neue Händler installiert und werden in diesem Jahr erneut 80 neue Standort eröffnen, so dass wir im ersten Quartal 2008 wieder die Zahl 200 erreichen werden, allerdings mit einer anderen Qualität.

Autogazette: Carlos Ghosn sagte, Nissan sei in ein Schlagloch gefahren, liege aber noch nicht im Graben? Wie tief steckt Nissan denn im Schlagloch drin?

Landwehr: Die Company zählt ja weltweit noch zu den wirklich guten Firmen mit einer Umsatzrendite von sieben Prozent und mehreren Milliarden Euro Gewinn. Da kann man nun wahrlich nicht von einer Krise sprechen. Das Schlagloch ist - wenn überhaupt - sehr klein und aus dem Blickwinkel unseres obersten Dienstherren vorhanden. Im Großen und Ganzen geht es der Firma wirklich gut.

«Ganz klar auf der Winnerseite»

Carlos Ghosn Foto: dpa

Autogazette: Das heißt, Sie teilen die Ansicht Ihres obersten Dienstherren überhaupt nicht?

Landwehr: Dass das Geschäft nicht einfach ist, ist ganz klar. Die Automobilindustrie ist derzeit kein Fleck, an dem man sich ausruhen kann. Aber im Vergleich zu anderen Herstellern würde ich Nissan ganz klar auf der Winnerseite sehen.

Autogazette: Kritische Stimmen sagen, Carlos Ghosn habe Nissan ein wenig vernächlässigt. Sehen Sie die Doppelrolle von Carlos Ghosn als förder- oder eher als hinderlich an?

Landwehr:: Es ist eine interessante und gute Konstellation, weil es eine Person gibt, die zwei Weltunternehmen führt. Das klingt zunächst vermessen, aber es gibt auf jeder Seite operative Verantwortliche, die das Tagesgeschäft für die beiden Marken selbstverantwortlich steuern. Carlos Ghosn fungiert als Bindeglied zwischen beiden Marken und versucht, möglichst viele Synergien zu schaffen.

Anfang durch Qashqai

Der Nissan Qashqai Foto: press-inform

Autogazette: 33 neue Modelle sind für die nächsten drei Jahre angekündigt worden. Reicht das allein aus, um den Umschwung einleiten zu können?

Landwehr: Wir gehen davon aus. In Deutschland und Europa werden wir eine ganze Reihe von neuen Produkten bekommen. Der Qashqai hat den Anfang gemacht, der X-Trail kommt jetzt. Wir sind ganz positiv gestimmt.

Autogazette: Können Sie den positiven Aspekt beschreiben. Sie müssen ja mit einem Auto herauskommen, dass sich von der Masse abhebt...

Landwehr: ... ich habe die begründete Hoffnung, dass der Qashqai das Potenzial hat, ein Knallerauto zu werden. Er ist extrem gut in Deutschland und Europa angelaufen. Wir sind sehr angenehm überrascht. Wir haben in Deutschland bis jetzt ungefähr 12.000 Bestellungen vorliegen, europaweit sind mehr als 60.000 Bestellungen eingegangen. Das ist für unsere Verhältnisse und für den kurzen Zeitraum sehr, sehr viel.

Autogazette: 12.000 Bestellungen, aber Sie haben im ersten Quartal nur 2300 verkauft...

Landwehr: ...wir haben zu viele Fahrzeugbestellungen vorliegen. Wir müssen erst bauen.

Überlegungen zum Billigauto

Dacia Logan Foto: Werk

Autogazette: Bei Renault ist vor allem der Logan zum Schlager avanciert. Nissan denkt auch über ein Billigauto nach. Wie weit sind diese Pläne fortgeschritten?

Landwehr: Ein Unternehmen in der Größenordnung von Nissan muss in alle Segmente schauen. Es gibt Überlegungen, die viele andere Hersteller wahrscheinlich auch machen, ob es sich lohnt, in das unterste Preissegment einzusteigen. Konkreter kann ich das nicht kommentieren.

Autogazette: Es wurde von einer «mexikanischen Lösung» gesprochen, also auf den Logan wird - wie in Mexiko - einfach ein Nissan-Logo montiert, und dann geht es ab. Ist das auf Europa übertragbar?

Landwehr: Es ist selbstverständlich, dass die Marktsegmente genau abgesucht werden, um zu sehen, ob es einen Platz für Nissan gibt. Wie das dann genau aussieht, kann ich nicht sagen.

«Hybrid am ehesten vermarktbar»

Hybridauto Nissan Altima Foto: Werk

Autogazette: In Amerika gibt es bereits Nissan-Fahrzeuge mit Hybridantrieb, in Europa fehlen diese Modelle...

Landwehr: ...Nissan setzt auf eine Zweistufen-Strategie. Zum einen versuchen wir, viel an der Antriebstechnologie zu optimieren. So gibt es jeden Nissan mit einem stufenlosen Automatikgetriebe, was zu Verminderungen beim CO2-Ausstoß zwischen sechs und acht Prozent führt. Natürlich werden wir auch mit Hybridfahrzeugen kommen, nicht sofort, aber in zwei, drei Jahren.

Autogazette: Ist der Weg zur Brennstoffzelle für Sie mit Hybridantrieb vorgezeichnet, oder haben Sie auch noch andere Lösungen?

Landwehr: Es gibt natürlich mehrere Möglichkeiten. Die Hybridtechnologie ist dabei diejenige, die am ehesten vermarktbar ist, weil die Infrastruktur vorhanden ist. Wir müssen keine seperaten Tankstellen haben. Es gibt auch Wasserstoff-Technologie, ein sehr wichtiges Thema, an dem Nissan dran ist. Das Problem ist hier die Vermarktbarkeit.

Autogazette: Renault hatte vor kurzem in einem so genannten Umwelt-Atelier zahlreiche Lösungen alternativer Antriebe vorgestellt. Wird sich Nissan beim französischen Allianzpartner bedienen können?

Landwehr (lacht): Es könnte durchaus sein, dass Renault sich auch bei uns bedient hat. Das weiß man nie so genau in einer Allianz. Das ist aber ein klassisches Beispiel, bei der die Allianz zusammenarbeitet. Die alternative Antriebstechnologie wird gemeinsam vorangetrieben, die Frage ist dann: Wer bekommt zuerst den Zuschlag?

Das Interview mit Rainer Landwehr führte Thomas Flehmer

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