Kalbfell: Müssen Zukunft der Marke sichern

Karl-Heinz Kalbfell will Maserati in den internationalen Boom-Märkten durch eigene Vertretungen stärken. «Wir müssen die Kommerzialisierung Einzug halten lassen. Auf Abenteuer können wir uns nicht einlassen», sagte der Maserati-Chef der Autogazette.

Autogazette: Herr Kalbfell, dank der Liedzeile «Mein Maserati fährt 310, schwupp, die Polizei hats nicht gesehen» genießt Maserati seit rund 25 Jahren in Deutschland einen gewissen Bekanntheitsgrad. Doch wie viele Menschen in Deutschland kennen den Namen eines Maserati-Modells?

Karl-Heinz Kalbfell: Damit sprechen Sie einen ganz wichtigen Punkt an. Unser Bekanntheitsgrad ist weltweit zwar vergleichbar mit denen großer Firmen, doch mit Blick auf unsere Modellpalette trifft dies nicht zu. Hier müssen wir zukünftig ansetzen, um unsere Modelle der breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen.

Hautnahe Werbung

Autogazette: Wie wollen Sie denn den Bekanntheitsgrad des Angebotes steigern, um damit potenzielle Kunden anzusprechen?

Kalbfell: Im Marketing konzentrieren wir uns auf die klassische Kundenansprache. Dazu gehört die Weitergabe von Informationen durch unsere Kunden an andere potenzielle Maserati-Käufer. Auf der anderen Seite setzen wir auf Kundenveranstaltungen, zu denen wir gezielt potenzielle Kunden einladen. Dort stellen wir die Marke Maserati vor. Wir setzen also auf hautnahe Werbung.

Autogazette: Klassische Werbekampagnen im Fernsehen, Zeitungen oder Internet spielen für Sie keine Rolle?

Kalbfell: So kann man es nicht ganz sagen. Wir haben natürlich nicht die Möglichkeit, klassische Werbung bis zum Exzess zu betreiben, um darauf zu warten, was zurückkommt. Gezielte Werbemaßnahmen haben wir natürlich auch, um aufzuzeigen, was die Maserati zu bieten hat. Da haben wir Kampagnen, die aber über meinungsnahe Medien eingesetzt werden.

Autogazette: Meinungsnahe Medien heißt?

Kalbfell: Wir wollen die potenziellen Kunden dort erreichen, wo sie sich aufhalten, beispielsweise in exklusiven Hotels. Darüber hinaus bieten sich zur Ansprache Magazine oder Inflight-Magazine an. Mit Blick auf unsere bevorstehende Expansion zielen wir auch stärker auf das Business-Umfeld ab, wo wir durch Medien im Bereich Wirtschaft, Kapital, Finanzen Interessenten gewinnen wollen. Die wenigsten wissen, was wir heute anzubieten haben, auch was unsere Preisstruktur betrifft.

Konsolidierungsjahr 2006

Die restaurierten Werkhallen in Modena Foto: an24/Flehmer

Autogazette: Sie sprachen die Expansion bereits an: Nach dem Jahr 1998 mit lediglich 518 verkauften Einheiten weltweit hat Maserati in den vergangenen Jahren Rekordzahlen aufweisen können. Allein im Jahr 2005 wurden 5659 Einheiten verkauft. Wie erklären Sie sich diese Steigerung?

Kalbfell: Man muss sagen, dass seit 1998/99 - als Ferrari Maserati übernommen hatte - zwei entscheidende Dinge passiert sind: Zum einen ist der Name Maserati schlagartig in die Schlagzeilen gekommen, weil sich eine renommierte Firma wie Ferrari mit Maserati beschäftigt hat. Zum anderen ist zum ersten Mal der Aspekt einer zeitgemäßen Industrialisierung in den ganzen Arbeitsprozess gekommen. Die Fabriken sind renoviert worden und auf absolutem Topstandard gebracht worden. Und gerade da müssen wir auf das Image zurückkommen. Viele vermuten hinter dem Namen Maserati eine handwerkliche Fertigung ohne jeden industriellen Hintergrund. Die meisten sind dann überrascht, wenn sie unsere hochmodernen Fertigungsanlagen sehen. Hier stimmen also auch die Vorurteile - überhaupt nicht negativ gemeint - mit der Realität nicht überein.

Autogazette: Sie haben 2004 und 2005 zwei Rekordjahre hinter sich. Wie sehr sind Sie mit den Verkäufen im laufenden Jahr zufrieden?

Kalbfell: Das erste halbe Jahr ist sehr erfreulich gelaufen. Wir haben einen Gutteil des Zieles für 2006 bisher geschafft. Wir werden im Jahr 2007 neue Modelle einführen. Deshalb ist es schwierig, im Auslaufjahr die Ziele zu halten. Wir haben uns deshalb für 2006 ein Konsolidierungsjahr genehmigt. Wenn wir dieses auf dem Niveau von 2005 abschließen können, betrachten wir das Jahr als gelungen. Wir werden uns in diesem Jahr sehr auf den neuen Wachstumsschub 2007/2008/2009 konzentrieren.

Mythisches Renomee in den USA

Maseratis Flaggschiff Quattroporte Foto: Werk

Autogazette: Wie viele neue Modelle werden kommen?

Kalbfell: Das jetzige Coupé wird im kommenden Jahr im Rahmen des Lebenszyklus` ein Nachfolgemodell bekommen. Dann werden wir noch Neuigkeiten beim Quattroporte-Programm erleben. Allerdings haben wir eine Phase des Wachstums hinter uns. Das muss man von der Organisation und den Ressourcen aufarbeiten. Es geht ja nicht nur darum, einfach zu verkaufen. Es geht auch um die Bereiche Aftersales, Händlernetz und Service, Verkaufsmannschaft und nicht zuletzt den Teamgedanken. Dinge, an die man meistens nicht denkt.

Autogazette: Italien ist Fußball-Weltmeister geworden. Hatten Sie im Werk darunter zu leiden, weil die Arbeiter sich mehr für dieses Event als für die Produktion interessiert habe?

Kalbfell: Italien ist in der Region, in der wir arbeiten, sehr diszipliniert. Ich hatte am Morgen nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft mit wenigen Mitarbeitern gerechnet. Aber es war ein Tag wie jeder andere auch, mit einer ganz hohen Professionalität. Wenn Sie zudem dem Fertigungsleiter in die Augen schauen, dann sehen Sie, dass da kein Raum für Spielereien ist. Wir hatten vor der WM Marcelo Lippi in der Fabrik zu Besuch. Da waren die Mannschaften nicht zu halten. Das gehört aber zum Teamgedanken dazu. Um es zusammenzufassen: Keine Auswirkungen.

Autogazette: Maserati ist vor knapp zehn Jahren auf den Markt in Nordamerika zurückgekehrt. Wie viel Anteil hat der Kontinent an den Rekordjahren?

Kalbfell: Für jede Autofirma der Welt, in jeder Größenordnung, ist es einfach wichtig, auf dem nordamerikanischen Markt vertreten zu sein. Wenn Sie auf die Firmen schauen, dann sehen Sie die vorne, die auch in Nordamerika stark sind. Erfreulicherweise hat Maserati in Amerika ein hohes Renommee genossen, ein mythisches Renommee. Wir sind die einzige europäische Firma, die jemals die Indy 500 mit einem europäischen Fahrzeug gewonnen hat. Amerika hat heute rund 40 Prozent Anteil mit steigender Tendenz. Letztes Jahr waren es 37 Prozent, dieses Jahr werden es 42 Prozent sein. Wir verkaufen ungefähr 2400 Maserati in die USA.

Mittlerer Osten ausbaufähig

Der Maserati Gransport Spyder Foto: Werk

Autogazette: Wie ist der Stellenwert von Maserati in den arabischen Ölländern?

Kalbfell: Da sind wir leider erst in den Anfängen. Wir sind zwar vertreten, aber nicht energisch genug. Hier möchten wir wachsen. Wir haben in diesem Jahr in den Regionen Mittlerer Osten, Osteuropa, Asien neue Gebietsleiter eingestellt, die diese Märkte direkt vor Ort betreuen. Wenn man selbst nicht vor Ort ist, dann können die Ziele nicht erreichen werden. Vor allem der mittlere Osten ist sehr, sehr ausbaufähig.

Autogazette: Sind die Autos, die Sie zwischen 90.000 und 130.000 Euro beziffert haben, für den mittleren Osten zu billig?

Kalbfell (lacht): Das hört man natürlich gern. Das ist eine Folge unseres Mythos, jedoch eine Fehleinschätzung. Für uns ist es wichtig, in diesem Segment unseren Position sehr schnell und sehr stark auszubauen. Deshalb müssen wir auch auf die Shoppingliste der entsprechende Kundenpotenziale zu kommen. Wenn einer, der heute einen Zwölfzylinder BMW fährt gar nicht auf die Idee kommt, einen Quattroporte ins Kalkül zu ziehen, dann haben wir ein Problem.

Autogazette: Ähnelt sich dieses eventuelle Problem mit dem des russischen Boom-Marktes?

Kalbfell: Wir sind überall vertreten, aber derzeit noch noch nicht direkt, sondern mit Händlern, die auch Ferrari vertreten. Wir machen aber erste Schritte nicht nur nach nach Russland. Ich habe vor einigen Wochen z.B. in Kiew einen Showroom miteröffnet. Die eigene Präsenz ist wichtig. Man kann nicht einfach mit einem Produkt in einen Markt gehen. Der Kunde erwartet auch den Service und die Erreichbarkeit. In China ist das selbst für die großen Hersteller ein Problem. Kein Kunde ist begeistert, wenn er zwei Tage zur Servicestation fahren muss.

Autogazette: Wie lange dauert der Aufbau der Infrastruktur in einem ausländischen Markt?

Kalbfell: Wir müssen unsere Ressourcen in den einzelnen Ländern nach Prioritäten gezielt einsetzen. Die Expansion von Maserati ist abhängig von der Größe unserer Organisation.

Für Wachstumsschritt gerüstet

Die Qualitätssicherung bei Maserati Foto: an24/Flehmer

Autogazette: Sind die Prioritäten schon gesetzt?

Kalbfell: Wir haben die klassischen Märkte Nordamerika, dann Italien, dann England. In Deutschland kämpfen wir ein bisschen. Da müsste mehr gehen. Das ist auch eine persönliche Aufgabe für mich. Alle weiteren Märkte sind stark ausbaufähig.

Autogazette: Das gehört dann zur zweiten Wachstumsphase nach der bevorstehenden?

Kalbfell: Wir haben bereits begonnen. Schritt für Schritt werden wir der jeweiligen Potentialstärke entsprechend ausbauen.

Autogazette: Sie sprechen von einer zweiten signifikanten Wachstumsphase mit rund 9000 verkauften Einheiten pro Jahr weltweit. Wären damit die Kapazitäten erschöpft?

Kalbfell: Bis knapp in den fünfstelligen Bereich können wir unsere Voraussetzungen ausschöpfen. Für den kommenden Wachstumsschritt sind wir gerüstet.

Stammsitz in Modena reicht

Das Werk in Modena mit dem bekannten Turm Foto: an24/Flehmer

Autogazette: Das heißt, dass es bei dem einen Werk in Modena bleiben wird? Werke in Nordamerika oder Russland stehen nicht zur Debatte?

Kalbfell: Wir werden zunächst das Segment in dem Preisrahmen ausschöpfen. Dann kommen die Investitionen in neue Modelle und in die Organisation. Erst dann könnte man sich - in einer dritten Wachstumsphase - mit dieser Frage beschäftigen.

Autogazette: Sehen Sie im Premiumsegment Nischen wie einen Luxus-Kleinwagen?

Kalbfell: Das sehe ich nicht. Vieles, was größere Hersteller vor haben zu kreieren, ist ziemlich artifiziell. Da sollen die ruhig dran arbeiten. Je mehr und je erfolgreicher die gesetzten Spieler in den gehoben Limousinen sind, desto größer ist unsere Chance im klassischen Bereich. Je mehr zum Beispiel S-Klasse auf der Straße sind, desto gewöhnlicher wird ihr Auftritt. Da steht Maserati Gewehr bei Fuß.

Autogazette: Das heißt, Sie haben das Gewehr nicht nur am Fuß, sondern schon in der Hand?

Kalbfell: Mir geht es um die Differenzierung. Das ist eine völlig natürliche Entwicklung. Nicht alle möchten das fahren, was schon überall gefahren wird. Die Frage ist die Attraktivität und die Kraft der Marke. Unsere Herausforderung besteht darin, die potenziellen Kunden davon zu überzeugen, dass sie keine Einbußen haben gegenüber ihrer bisherigen Marke.

Sportwagen flankieren Angebot

Der Maserati MC 12 Foto: Werk

Autogazette: Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander. Die sozialen Verhältnisse in Deutschland kommen doch Anbietern wie Maserati entgegen?

Kalbfell: Sie können Emotionales anbieten oder etwas Rationales. Da sind wir natürlich ganz klar besetzt. Dass sich die Einkommensfrage positiv entwickelt, ist überhaupt keine Frage. Aber je mehr Auswahl die Umworbenen in dem Segment haben, um so kritischer ist die Auswahl. Die Voraussetzungen für das Geschäft sind besser, aber die Anforderungen werden sich verschärfen.

Autogazette: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird einen Maserati-Interessenten wohl nicht vom Kauf abhalten?

Kalbfell: Das wird nicht das größte Auswahlkriterium sein. Ein Automobil dieser Kategorie ist ein Ausdruck der Persönlichkeit.

Autogazette: Der Quattroporte ist das Flaggschiff von Maserati. Wird der Gran Sport Spyder angesichts eines Trends zum Cabrio diese Rolle übernehmen?

Kalbfell: Wir haben uns etabliert im Segment großer Geschäftslimousinen. Da können viele nur träumen davon. Diese Position wird Maserati nie aufgeben. Das ist eine sehr eigenständige Position. Die Sportwagen, die wir im Angebot haben, flankieren dieses Angebot.

Keine Kürübungen

Das Maserati Coupe Foto: Werk

Autogazette: Maserati begeht 2014 den 100. Geburtstag. Wird es extra für dieses Jubiläum ein eigenes Modell geben?

Kalbfell (lacht): Ich muss lachen, aber Sie haben vollkommen recht. Doch im Moment sind alle Kürübungen hinten angestellt, weil wir einen großen Schritt vor uns haben, der uns alle fesselt. Das sind Aufgaben, die auf irgendwelchen Listen derzeit geparkt sind und zu einer gewissen Zeit bearbeitet werden. Und nachdem wir jetzt sehr stark mit Prioritäten arbeiten müssen, sind solche Kürübungen eher hinderlich. Denn auf diese stürzt man sich hauptsächlich. Wer möchte schon das profane Tagesgeschäft machen? Im Moment sind wir sehr zugedeckt mit Aufgaben, die sehr herausfordernd sind für die nächste Phase.

Autogazette: Die Kürübung Comeback in der Formel 1 wird es also nicht geben?

Kalbfell: Das steht überhaupt nicht zur Debatte. In unserer Größenordnung ist es außerhalb jeglicher Diskussion, ist aber auch nicht notwendig für uns. Bei Maserati müssen wir die Kommerzialisierung Einzug halten lassen. Auch wenn viele Freunde der Marke mit Wehmut an die alten Zeiten zurückdenken, sollte man akzeptieren, dass wir mit Maserati Geld verdienen müssen. Auf Abenteuer können wir uns nicht einlassen. Wir müssen die Zukunft dieser fantastischen Marke sichern.

Das Interview mit Karl-Heinz Kalbfell führte Thomas Flehmer

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