«Es wird zuviel Hoffnung in Elektromobilität gelegt»

Enertrag-Vorstand Werner Diwald

«Es wird zuviel Hoffnung in Elektromobilität gelegt»
Enertrag-Vorstand Werner Diwald sieht eine große Zukunft für Wasserstoff. © Enertrag

Der Mobilität ist ein entscheidender Faktor bei der Lösung der Probleme der Stromwirtschaft. Im Interview mit der Autogazette spricht Enertrag-Vorstand Werner Diwald über erneuerbare Energien, die Energiewende und die Chancen von Wasserstoff für die Automobilwirtschaft.

Für Werner Diwald wird mit Blick auf die Mobilität der Zukunft zuviel Hoffnung in die Elektromobilität gelegt. «Neue Antriebstechnologien setzen sich nur dann durch, wenn es dafür auch eine Ressourcensicherheit gibt», sagte Diwald im Interview mit der Autogazette. «Wind und Wasserstoff bieten diese Sicherheit, deshalb wird Wasserstoff auch eine riesige Zukunft haben», fügte der Manager hinzu.

So sei Wasserstoff der Energieträger mit der höchsten Energiedichte überhaupt. Zugleich weise er eine gute Klimabilanz auf. «Er ist ein Energieträger, mit dem wir Erfahrung haben und entsprechend auch die Risiken einschätzen und entsprechend sichere Prognosen abgeben können.»

Ressourcensicherheit durch Wasserstoff

Wie der Enertrag-Vorstand ergänzte, könne die Automobilwirtschaft die Wasserstofftechnologie nur nutzen, «wenn sie Ressourcensicherheit hat und der Preis stimmt. Und diese Sicherheit bietet die Kombination aus Wind und Wasserstoff.» Die Enertrag AG gehört zu den führenden Windstromerzeugern und hat mittlerweile 460 Windenergieanlagen errichtet und wird in seinem im Bau befindlichen Hybridkraftwerk im brandenburgischen Prenzlau CO2-freien Wasserstoff produzieren.

«Erneuerbare Energien am Strommix verdoppeln»

Autogazette: Herr Diwald, nach der Naturkatastrophe in Fukushima diskutiert Deutschland über einen Ausstieg aus der Atomindustrie. Sind Sie zuversichtlich, dass es zu einer schnellen Energiewende kommt?

Werner Diwald: Wir sprechen nicht erst seit Fukushima von der Energiewende. Durch die dortige Naturkatastrophe haben sich jedoch die Perspektiven verschoben. Nun macht sich auch eine Partei wie die CDU/CSU darüber Gedanken, dass die Laufzeitverlängerung vielleicht doch keine so gute Idee war und dass man die Themen Erneuerbare Energien aus dem Energiekonzept der Bundesregierung noch noch konsequenter und schneller umsetzen muss.

Autogazette: Glauben Sie, dass die Zielvorgaben, die im Erneuerbare Energien-Gesetz enthalten sind und die eine deutliche Steigerung der regenerativen Energie am bundesdeutschen Strom-Mix vorsehen, nun früher erreicht werden?

Diwald: Ich glaube nicht, dass es schneller gehen wird. Denn die dort festgelegten Ziele sind bereits vor Fukushima sehr anspruchsvoll gewesen. Danach sollen bis 2050 60 Prozent der Primärenergie durch regenerative Energie erzeugt werden und bis 2020 soll der Anteil an erneuerbaren Energien am Strom-Mix verdoppelt werden.

Autogazette: Was spricht gegen eine schnellere Erreichung dieser Ziele?

Diwald: Wir stoßen schlicht an technologische und demokratische Grenzen. Es müssen nicht nur neue Energie-Erzeugungsanlagen gebaut werden, sondern auch die Infrastruktur. Und hier sind wir bei der Mobilität angekommen. Hier benötige ich nicht nur ein Energie-Einspeisungsgesetz, sondern muss auch für die Speicherung der Energie für die Mobilität einen geeigneten Regulierungsrahmen kurzfristig schaffen. Was wir bisher mit Blick auf nachhaltige Mobilität erleben, ist kein strategisches Vorgehen, sondern nur ein Ausprobieren.

Energiewende macht nur europaweit Sinn

Windanlage von Enertrag Enertrag

Autogazette: Sehen Sie es als problematisch an, dass Deutschland zwar über die Energiewende diskutiert, in Ländern wie Frankreich das Thema aber kaum diese Bedeutung spielt?

Diwald: Wenn man über eine Energiewende spricht, muss man das europaweit tun. Was hilft es, wenn man in Deutschland zu einer Energiewende kommt, in den Nachbarländern aber nicht. Wer wirklich mit der Energiewende weiterkommen will, muss dies als europäisches, besser noch als globales Thema ansehen. Wichtig ist aber, dass einer mit den richtigen Schritten anfängt. Darin liegen ja auch große Chancen, wie man an den 300.000 Arbeitsplätzen im Bereich der Erneuerbaren Energien in Deutschland sieht.

Autogazette: Die Windkraft stellt derzeit 6,5 Prozent des Gesamtstrombedarfs in Deutschland. Was kann Windkraft prozentual für den Gesamtstrombedarf leisten?

Diwald: Die Windkraft trägt mittlerweile schon elf Prozent zum Gesamtstrombedarf bei. Wenn man es rein physikalisch-meteorologisch betrachtet, kann durch Windkraft und Solarenergie die Welt mit Strom versorgt werden. Das Angebot an Wind- und Sonnenenergie läge sogar 300 Mal höher als der benötigte Bedarf. Wir müssen dieses Potenzial nur nutzen.

Autogazette: Doch auch Sie stehen vor Akzeptanzproblemen. Wer will schon Strommasten oder Windkrafträder vor seiner Haustür haben?

Diwald: Natürlich stehen auch wir vor derartigen Akzeptanzproblemen, doch noch mehr stehen wir vor technologischen Herausforderungen. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen, weil uns sonst die Zeit davon läuft. Die notwendigen Diskussionen über die Akzeptanz dürfen nicht dazu führen, dass wir die notwendigen Schritte nicht oder sie zu spät unternehmen. Wir müssen in den nächsten 30 bis 40 Jahren die Energiewende zu großen Teilen vollzogen haben, ansonsten stellen wir in Deutschland unseren Status als wohlhabende Industrienation infrage.

«Es geht um strategische Entscheidungen»

Autogazette: Wenn Sie von technologischen Herausforderungen sprechen, meinen Sie die Speicherung...

Diwald: ...ja, die Speicherung, aber auch das Leitungsnetz. Es geht hier um strategische Entscheidungen, da Strom sich nur schwer speichern lässt. Wir müssen wegkommen von einer diffusen Diskussion in den einzelnen Energiesektoren, wo die einen über Biogas, die anderen über Windkraft, die andern über Mobilität, die anderen über Stromlinien diskutieren. So bietet das bestehende Erdgasnetz für aus Windenergie erzeugten Wasserstoff eine hervorragende Übertragungsmöglichkeit für Erneuerbare Energien – wir sitzen sozusagen bereits auf dem viel diskutierten „Super-Grid“. Wir müssen lernen, Wärme, Mobilität und Stromwirtschaft so intelligent zu kombinieren, dass es volkswirtschaftlich Sinn macht. Sie werden überrascht sein, wie einfach sich das ein oder andere Problem dann lösen lässt.

Autogazette: Welche Rolle spielt dabei die Mobilität?

Diwald: Die Mobilität ist meines Erachtens der Schlüssel für die Lösung der Probleme der Stromwirtschaft. Windenergie ist genügend vorhanden, wir können sie auch gut prognostizieren. Aber wir können sie nicht verändern. Wenn Sie keinen Wind haben, haben Sie keinen Wind. Wenn es dunkel ist, haben Sie keine Sonnenenergie. Wenn Sie dann aber auf der Netzseite Energie benötigen, haben Sie ein massives Problem.

Autogazette: Wie kann denn Energie besser gespeichert werden?

Diwald: Wenn Sie Strom erst speichern, um dann wieder Strom zu produzieren, ist das aufgrund der Umwandlungsprozesse relativ teuer. Also müssen wir möglichst immer genug Strom aus Erneuerbaren Energien genau im Moment des Bedarfs haben. Wenn wir überproportional viele Windkraftwerke installieren wäre dieses der Fall. Gleichzeitig hätten wir dann aber auch viel Strom, wenn wir ihn nicht brauchen. Hier kommt die Mobilität als Problemlöser ins Spiel. Im Verkehr können wir die gespeicherte Energie volkswirtschaftlich viel effektiver als im stationären Stromsektor nutzen.

Batterien von E-Autos reichen nicht als Zwischenspeicher

Der Opel Hydrogen4 von Enertrag an einer Wasserstofftankstelle Enertrag

Autogazette: Hier könnten doch Elektroautos als Zwischenspeicher benutzt werden?

Diwald: Das hört sich ja nett an, dass die Batterien der Elektroautos diesen Strom zwischenspeichern. Doch wenn man sich mit den Größen auseinandersetzt, die an Energie wirklich anfällt, stellt man sehr schnell fest, dass die Batterien von Elektroautos dafür nicht reichen. Die zu bewegenden Energiemengen sind schlicht zu groß. Wenn man das feststellt, kommt man schnell zum Wasserstoff als Energieträger.

Autogazette: Wo liegen die Vorteile des Wasserstoffs?

Diwald: Er ist der Energieträger mit der höchsten Energiedichte überhaupt, zugleich ist er für die Umwelt ein sehr sicherer Energieträger. Es ist ein Energieträger, der eine gute Klimabilanz aufweist, er ist ein Energieträger, mit dem wir Erfahrung haben, auch die Risiken einschätzen und entsprechend sichere Prognosen abgeben können.

Autogazette: Enertrag errichtet gerade in Prenzlau ein Hybridkraftwerk, in dem man CO2-freien Wasserstoff produzieren kann...

Diwald: ...ja, Prenzlau wird die erste Anlage sein, die im industriellen Maßstab im freien Feld funktioniert. Dort können wir zugleich testen, wie sich diese Anlage als Zwischenspeicher verhält. Im ersten Schritt werden wir mit der Anlage die Prognosegenauigkeit für den Folgetag erhöhen und so zu einer sicheren, preiswerten und umweltfreundlichen Energieversorgung beitragen.

Autogazette: Diesen CO2-freien Wasserstoff nutzen Sie bereits für nachhaltige Mobilität?

Diwald: Ja, das tun wir, wenngleich noch im kleinen Rahmen. Doch wenn man sich die Probleme der Energiewirtschaft der nächsten 20 Jahre anschaut, dann wird die Mobilität der Treiber sein, nicht die stationäre Energieerzeugung. Die Automobilwirtschaft kann Wasserstofftechnologie nur nutzen, wenn sie Ressourcensicherheit hat und der Preis stimmt. Und diese Sicherheit bietet die Kombination aus Wind und Wasserstoff.

Autogazette: Doch das ändert nichts an der fehlenden Infrastruktur an Wasserstofftankstellen.

Diwald: Ja, sicherlich, aber umgekehrt ist es so, dass wir für den CO2-frei produzierten Wasserstoff mit Blick auf die Mobilität gar nicht die Abnehmer haben, denn die Hersteller warten mit dem Marktstart ihrer Fahrzeuge ja solange ab, bis alle Rahmenbedingungen geschaffen sind.

«Wasserstoff wird eine riesige Zukunft haben»

Ein Elektro-Smart an der Ladestation Daimler

Autogazette: Bis wann rechnen Sie mit einer ausreichenden Infrastruktur an Wasserstofftankstellen?

Diwald: Ich gehe davon aus, dass es 2020 soweit sein wird. Bis dahin sollten wir wie bei den Erdgastankstellen auch über 1000 Wasserstofftankstellen verfügen. Doch wir dürfen uns nicht erst im Jahr 2020 fragen, woher CO2-freier Wasserstoff kommt, das müssen wir heute tun. Neue Antriebstechnologien setzen sich nur dann durch, wenn es dafür auch eine Ressourcensicherheit gibt. Wie gesagt: Wind und Wasserstoff bieten diese Sicherheit, deshalb wird Wasserstoff auch eine riesige Zukunft haben.

Autogazette: Im Gegensatz zum klassischen E-Auto bietet es auch keine Einschränkungen wie lange Ladezeiten...

Diwald: ...sicherlich ein wichtiger Punkt. Wie bisher kann ich mein Auto in drei Minuten mit Wasserstoff betanken, muss es nicht bis zu acht Stunden zur Aufladung an die Steckdose hängen. Vor allem bin ich uneingeschränkt mobil in meiner Reichweite und bin klimafreundlich unterwegs. Wir bei Enertrag fahren bereits seit dem vergangenen Jahr einen Opel Hydrogen4. Er ist zuverlässig, es ist kein Unterschied zu einem herkömmlichen Auto feststellbar.

Autogazette: Ärgert es Sie, dass derzeit jeder über Elektroautos spricht, doch kaum jemand über Wasserstofffahrzeuge?

Diwald: Ärgern tut es mich nicht. Was wir mit Blick auf die Elektrofahrzeuge an Erfahrungen sammeln, lässt sich 1:1 für die Wasserstofffahrzeuge anwenden. Doch es wird zu viel Hoffnung in die Elektromobilität gelegt und zu wenig über die Stromwirtschaft diskutiert. Wir werden nicht nur Elektroautos mit regenerativen Energien betreiben müssen, sondern auch andere Verkehrsmittel wie Flugzeuge oder die Bahn.

Autogazette: Das bedeutet doch, dass der von Ihnen skizzierte Nutzen des Wasserstoffs nicht überall gleich gesehen wird?

Diwald: Das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass für die Bereiche Verkehr, nachhaltige Mobilität und Stromwirtschaft der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen von Wasserstoff sofort gegeben wäre.

Günstigerer Kilopreis möglich

Autogazette: Ist der Kilopreis von 8,50 Euro für Wasserstoff denn derzeit nicht noch zu hoch?

Diwald: Wieso? Wenn eine Mercedes B-Klasse 0,9 Kilogramm Wasserstoff verbraucht, dann komme ich bei einem Wind-Wasserstoff-Erzeugungspreis von 8,50 Euro je nach Versteuerung auf einen Preis von 12 bis 13 Euro für 100 Kilometer. Vergleicht man das mit dem Dieselpreis, dann bin ich bei der gleichen Summe. Doch ich kann bereits schon heute sagen, was ich 2020 für 100 Kilometer zu zahlen habe. Wasserstoff bietet eine bezahlbare Mobilität und bietet sichere Rahmendaten für unsere Industrie. Eine bessere Industriepolitik kann es gar nicht geben, als dass man auf Wasserstoff setzt.

Autogazette: Inwieweit kann der Preis des Kilo Wasserstoff perspektivisch noch gesenkt werden?

Diwald: Ich denke, dass man ihn zukünftig noch zwischen 25 bis 30 Prozent senken kann. Bei 7,50 Euro wäre man auf keinem guten Level.

Autogazette: Wenn es einen Trend zum Brennstoffzellenfahrzeug geben würde, könnte die Industrie denn ausreichend Wasserstoff bereitstellen?

Diwald: Wir könnten bis zum Jahr 2020 ausreichend Wasserstoff zur Verfügung stellen. Das stellt kein Problem dar, bereits in 2011 werden wir beispielsweise an Total unseren Wasserstoff liefern und bereiten für den neuen Berliner Airport BBI ein weiteres Projekt mit Total vor.

Das Interview mit Werner Diwald führte Frank Mertens

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