«GM hat keine Liquiditätskrise»

Interview GM-Vize Bob Lutz

General Motors wird aufgrund der Absatzkrise auf dem US-Markt Mitarbeiter abbauen. «Es wird tiefe Einschnitte in den USA geben», sagte GM-Vize Bob Lutz im Interview mit der Autogazette.

Der Autobauer General Motors hat aufgrund der dramatischen Absatzkrise in den USA ein milliardenschweres Sanierungsprogramm angekündigt. Mit einer Liquiditätsproblem habe das allerdings nichts zu tun, wie GM-Vize Bob Lutz im Interview mit der Autogazette sagte. «GM hat keine Liquiditätskrise. Wir wollen aber auch keine bekommen. Deshalb haben wir uns zu diesem Sanierungsprogramm entschlossen», sagte Lutz.

Ausreichend Kapital vorhanden

«GM verfügt momentan über eine Liquiditätsverfügbarkeit von 24 Milliarden US-Dollar. Rechnet man die zehn Milliarden US-Dollar hinzu, die wir in den nächsten zwei Jahren erzielen wollen, sind es sogar 34 Milliarden», fügte Lutz hinzu. Im Rahmen des Sanierungsprogramms wird der Konzern auch Mitarbeiter abbauen. Dabei werde es «tiefe Einschnitte in den USA geben», kündigte Lutz an.

«GM hat keine Liquiditätskrise»

Autogazette: Herr Lutz, angesichts der Absatzkrise in den USA wird GM erstmals seit 1922 keine Dividende an seine Aktionäre ausschütten. Hat das Unternehmen ein Liquiditätsproblem?

Bob Lutz: Nachdem wir bei den Verkäufen für SUV´s und Pick-Ups starke Einbrüche hinnehmen mussten, mussten wir reagieren. Denn gerade mit diesen Fahrzeugen haben wir immer gute Deckungsbeiträge erzielt. Es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite Mitarbeiter entlassen und Gehälter kürzen und auf der anderen Seite Millionen von Dollar an die Aktionäre ausschütten. Mit einem Liquiditätsproblem hat das nichts zu tun.

Autogazette: GM hat gerade ein milliardenschweres Sanierungsprogramm angekündigt. Mit ihm soll die Liquidität des Konzerns bis 2009 um 15 Milliarden US-Dollar (9,39 Milliarden Euro) verbessert werden. Warum sind solche Maßnahmen nötig, wenn es kein Liquiditätsproblem gibt?

Lutz: Ich sage es gerne noch einmal: GM hat keine Liquiditätskrise. Wir wollen aber auch keine bekommen. Deshalb haben wir uns zu diesem Sanierungsprogramm entschlossen. GM verfügt momentan über eine Liquiditätsverfügbarkeit von 24 Milliarden US-Dollar. Rechnet man die zehn Milliarden US-Dollar hinzu, die wir in den nächsten zwei Jahren erzielen wollen, sind es sogar 34 Milliarden. Daneben planen wir mit weiteren fünf Milliarden US-Dollar aus Verkäufen von Firmenteilen, die wir zukünftig nicht mehr benötigen.

«Straffung der Mitarbeiterstruktur«

Der Pick-Up Chevrolet Silverado Foto: GM

Autogazette: Das Sanierungsprogramm umfasst für 2009 auch eine Reduzierung der 40.000 Verwaltungs-Angestellten in den USA und Kanada um einige Tausend Stellen. Wie viele Stellen sollen genau wegfallen?

Lutz: Es wird eine weltweite Straffung der Mitarbeiterstruktur geben, davon sind nicht nur Lohn- sondern auch Gehaltsempfänger betroffen.

Autogazette: Können Sie sagen, wie viele der 40.000 Angestellten gehen müssen?

Lutz: Wir haben noch keine exakten Zahlen bekannt gegeben, doch es wird tiefe Einschnitte in den USA geben.

Autogazette: Wird es Entlassungen geben oder sollen die Beschäftigten gegen Abfindungen beispielsweise in den Vorruhestand gehen?

Lutz: Wir hoffen, dass wir ohne Zwangsmaßnahmen auskommen werden.

Autogazette: Wird GM Europa von den Einsparplänen in den USA betroffen sein?

Lutz: Es geht um die Liquidität des gesamten Konzerns, entsprechend müssen auch andere Regionen von GM ihren Beitrag leisten, ohne allerdings Mitarbeiter zu entlassen.

»Investitionszusage für Opel bleibt«

Autogazette: Die Investitionen für Opel in Höhe von neun Milliarden Euro in den kommen fünf Jahren bleiben davon aber unberührt?

Lutz: Absolut, bei dieser Investitionszusage für Opel bleibt es. Das einzige, was vielleicht geschehen kann, ist, dass sich Investitionen verzögern können.

Autogazette: Ihr Entwicklungsetat bleibt ebenfalls unangetastet?

Lutz: Auch der Entwicklungsetat bleibt von den Einsparungen unberührt. Schließlich sprechen wir hier von Investitionen, die GM die Zukunft sichern. Wir werden diese Investitionen also weder stornieren noch hinausschieben. Da von diesen Investitionen in neue Fahrzeuge natürlich auch unsere GM-Unternehmen in anderen Ländern profitieren, werden sie jedoch auch ihren Beitrag zur Liquidität leisten müssen.

Autogazette: Wird es also auch in anderen Ländern zu Stellenstreichungen kommen?

Lutz: Nein, das ist nicht vorgesehen. Vielmehr soll es beispielsweise um die Reduzierung von Werbebudgets oder Materialkosten gehen. Es kann bei bestimmten Modellen auch zu gezielten Preiserhöhungen kommen.

»Völliger Quatsch«

Chevrolet Cobalt Foto: GM

Autogazette: Gerade der Einbruch bei den SUV´s und Pick-Ups hat GM hart getroffen. Haben Sie sich Fehler in der Modellpolitik vorzuwerfen?

Lutz: Aber nein! Ein solcher Vorwurf ist völliger Quatsch. Noch vor zwei Jahren hieß es, dass trotz der steigenden Nachfrage in China genügend Öl vorhanden ist und sich der Ölpreis pro Barrel zwischen 45 und 50 Dollar einpendeln werde. Doch zwischenzeitlich ist der Ölpreis bis auf 150 Dollar gestiegen und nun sollen wir die Idioten sein. Nein, dieses Argument der verfehlten Modellpolitik kann ich nicht gelten lassen, es ist lachhaft.

Autogazette: Und wie schaut es mit der Steigerung bei den Benzinpreisen aus...

Lutz: ...dass das Benzin in den USA so billig war, war doch nicht unsere Idee. Ganz im Gegenteil: Ich plädiere seit Jahren dafür, dass man eine Benzinsteuer von 20 Cent einführen soll, die pro Jahr steigt, damit es in den USA ähnliche Spritpreise wie im Rest der Welt gibt. Hätten wir bereits in der Vergangenheit höhere Benzinpreise gehabt, hätten wir längst einen Fahrzeugpark bekommen, der vergleichbar ist mit anderen Ländern. Mir wurde jedoch immer gesagt, dass man das Benzin nicht verteuern könne, da das amerikanische Volk ein Anrecht auf billiges Benzin habe.

Autogazette: Wie schnell kann sich GM mit seiner Modellpolitik auf das veränderte Kaufverhalten der US-Kunden einstellen?

Lutz: Das braucht noch ein bis zwei Jahre. Deshalb mussten wir jetzt auch das Sanierungsprogramm auflegen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ein Fahrzeug wie der Chevrolet Cobalt war lange Zeit praktisch unverkäuflich, weil sich die Kunden in den USA einfach nicht für dieses Auto interessiert haben. Doch nun ist er ausverkauft. Für den Cobalt müssen wir extra neue Schichten auflegen, dass gleiche trifft auf den Chevy Malibu oder den kleinen HHR zu.

»Autos werden sich verteuern«

Der Opel Insignia Foto: Opel

Autogazette: Glauben Sie, dass der Niedergang der US-Autoindustrie durch Fahrzeuge im Kleinwagen- und Mittelklasse-Segment gestoppt werden kann, die in zwei Jahren auf den Markt kommen?

Lutz: Wir werden zunächst eine Änderung des Fahrzeugangebotes im US-Markt erleben. Aber ob neue Fahrzeuge in zwei Jahren das wirtschaftliche Problem lösen könne, ist fraglich. Eines steht jedoch fest: Die Autos werden sich angesichts der gestiegenen Materialkosten verteuern, da wir die gestiegenen Kosten, wie auch andere Firmen, an die Kunden weitergeben müssen.

Autogazette: Kann GM Europa zum Nutznießer der Krise auf dem US-Markt werden?

Lutz: Nein, das glaube ich nicht. Denn GM ist ein global aufgestelltes Unternehmen mit globalen Entwicklungen.

Autogazette: Wird als nächstes europäisches Fahrzeug nach dem Opel Astra der neue Opel Insignia auf den US-Markt kommen?

Lutz: Es gibt sicher Versionen der gleichen Architektur, die in den USA laufen werden.

»Volt wird mehr als 30.000 Dollar kosten«

Chevrolet Volt Foto: GM

Autogazette: Das Elektrofahrzeug Chevrolet wird 2010 zu einem Preis von 30.000 US-Dollar auf den US-Markt kommen. Ist das ein Preis, der vom Kunden akzeptiert werden wird?

Lutz: Zu diesem Preis werden wir das Auto nicht anbieten können, das schaffen wir angesichts der hohen Entwicklungs- und gestiegenen Material kosten nicht mehr. Ich bedauere es, dass ich diesen Preis so genannt habe. Alle Autos werden teurer, auch der Volt. Er wird sicher deutlich über 30.000 Dollar kosten.

Das Interview mit Bob Lutz führte Frank Mertens

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