«Nachhaltige Mobilität muss erschwinglich sein»

Interview Ford-Deutschlandchef Bernhard Mattes

Bernhard Mattes fordert im Vorfeld des Elektro-Gipfels eine stärkere Förderung der Elektromobilität. «500 Millionen Euro reichen eventuell nicht aus, um Deutschland hier als Welt-Leitmarkt zu positionieren», sagte der Ford-Deutschlandchef im Interview mit der Autogazette.

Ford-Deutschlandchef Bernhard Mattes spricht sich kurz vor dem Elektrogipfel am 3. Mai im Kanzleramt für eine stärkere Förderung der Elektromobilität aus. «500 Millionen Euro reichen eventuell nicht aus, um Deutschland hier als Welt-Leitmarkt zu positionieren», sagte Mattes im Interview mit der Autogazette.

«Kaufanreize schaffen»

Zur Marktdurchdringung der Elektromobilität sei es zudem sicherlich hilfreich, «Kaufanreize zu schaffen, um der Technologie beim Verbraucher zum Durchbruch zu verhelfen». Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatten zuletzt einem Kaufanreiz für Elektrofahrzeuge bislang eine Absage erteilt. Wie Mattes hinzufügte, gehe es aber primär darum, dem Verbraucher eine erschwingliche Elektromobilität anzubieten. «Was nützt ein Kaufanreiz heute, wenn das Fahrzeug relativ teuer ist? Wir müssen nachhaltige Mobilität erschwinglich machen. Darauf wird es ankommen.»

«Planen mit Marktanteil von 7,6 Prozent»

Autogazette: Herr Mattes, kommt nach der Ende der Abwrackprämie nun das Jahr des Jammerns auf Sie zu?

Bernhard Mattes: Nein, überhaupt nicht. Wir konzentrieren uns weiter auf die Umsetzung unserer produktgetriebenen Strategie und werden in diesem Jahr elf neue Produkte auf den Markt bringen. Hinzu kommen die neuen Ecoboost-Benzinermotoren sowie die überarbeiteten Dieselmotoren und das Powershift-Getriebe. All das wird dazu beitragen, dass wir unsere Marktposition in Deutschland und Europa halten. Für Deutschland planen wir derzeit einen Marktanteil von 7,6 Prozent.

Autogazette: Da passt es aber nicht ins Bild, dass nach zwei Monaten ein Verlust von 24 Prozent unter dem Strich stand. Ist das schon der erste Knick?

Mattes: Unsere Erwartungen waren, dass sich der deutsche Markt um rund eine Millionen Neuzulassungen vermindert. Diese Entwicklung haben wir in unsere Überlegungen einbezogen.

Autogazette: Liegt der Focus in diesem Jahr dann eher auf dem Geschäft mit den Flottenkunden?

Mattes: Beide Bereiche – Privatkunden und Flottenbetreiber - sind wichtig. Wir haben im vergangenen Jahr den Privatkundenanteil auf 60 Prozent erhöht und wollen dort weiterhin erfolgreich sein. Das können wir auch mit unseren neuen Modellen und mit den entsprechenden Angeboten wie der Ford-Flatrate. Außerdem wollen wir bei den Gewerbekunden zusätzliche Geschäfte machen. Das schaut nach den ersten Kontakten auch ganz gut aus.

«Wir halten die Balance»

Der Ford S-Max Ford

Autogazette: Mehr Flottengeschäft bedeutet auch weniger Gewinn. Bedeutet das, dass Ford dieses Jahr Abstriche machen muss?

Mattes: Nicht unbedingt. Wir haben auch für die Gewerbekunden eine Flatrate, die sowohl für den Kunden als auch für uns ein wirtschaftlich vernünftiges Angebot beinhaltet. Wir halten die Balance zwischen Volumen und profitablem geschäftlichem Wachstum.

Autogazette: Jeder vierte Wagen wird weltweit ein Kompaktwagen sein. Der neue Golf ist seit 2008 auf dem Markt, der Opel Astra seit vergangenem Jahr. Kommt Ford mit dem neuen Focus, der erst im kommenden Jahr eingeführt werden wird, nicht zu spät?

Mattes: Die Nachfrage nach dem aktuellen Focus ist weiterhin stabil. Und wir werden diese Modellreihe immer wieder frisch halten, zum Beispiel mit Sondermodellen.

Autogazette: Wie unglücklich sind Sie darüber, dass die nächste Generation des Ford Focus bereits in Detroit präsentiert wurde, aber erst im nächsten Jahr nach Europa kommt?

Mattes: Gar nicht, weil ich in Detroit gesehen habe, wie positiv dieses Produkt aufgenommen wurde. Wir haben zudem eine sehr interessante Strategie für den aktuellen Focus entwickelt. Und selbst in Amerika kommt der Ford Focus erst gegen Ende des Jahres.

Autogazette: Sind die Amerikaner bereits reif für ein solches Auto?

Mattes: Die ersten Reaktionen zeigen, dass sie reif sind. Bereits beim Fiesta haben wir gesehen, dass solche Fahrzeuge gerade in den Ballungsräumen auf großes Interesse stoßen. Ungeachtet dessen wird es in den USA weiterhin Pickups geben, weil es dort auch einen Markt dafür gibt.

«Elektrifizierung zunächst in Amerika »

Autogazette: Wie wichtig ist die neue Klimapolitik in den USA, mit der Präsident Obama den Durchschnittsverbrauch und damit den CO2-Ausstoß signifikant senken möchte, für die Marke Ford?

Mattes: Kleinere Fahrzeuge haben geringere Verbräuche. Damit wird der Flottenverbrauch insgesamt gesenkt. Man benötigt den entsprechenden Mix. Zum anderen ist der amerikanische Kunde beim Benzinpreis sehr preissensitiv. Deshalb wird es wichtig sein, kleinere Fahrzeuge anzubieten und mit der neuen Ecoboost-Technologie den Verbrauch weiter zu senken.

Autogazette: Deshalb wird die Elektro-Version auch zunächst in den USA auf den Markt kommen?

Mattes: Die Elektrifizierung findet zunächst in Amerika statt, ein Jahr später kommt die Einführung der Elektrofahrzeuge nach Europa. 2011 kommt der Focus Electric in den Staaten auf den Markt, 2012 nach Europa.

Autogazette: Die Batterie wird fast genauso teuer sein wie das Auto selber. Welche Käuferschicht käme für die E-Version überhaupt in Frage?

Mattes: Wir sehen zunächst ein kleines Nischensegment. Im Privatkundensektor ist es sicherlich der kleinste Anteil, aber auch da gibt es Kunden, die die neueste und Umwelt schonendste Technologie haben wollen. Wir sehen den Markt aber zunächst mehr in den öffentlichen Bereichen. Zum Beispiel beim Shuttle-Service oder anderen Servicen im Innenstadtbereich mit dem Hintergrund, dass dort in Zukunft nicht mehr jedes Fahrzeug fahren darf.

Autogazette: Am 3. Mai findet der Elektrogipfel bei der Kanzlerin statt. Wird dort mehr herauskommen als nur Absichtserklärungen?

Mattes: Ich will den Ergebnissen nicht vorgreifen.

Autogazette: Was wünschen Sie sich denn?

Mattes: Wir arbeiten ebenso sehr intensiv an der Vorbereitung des Gipfels wie auch die anderen Hersteller, Zulieferer und Energieversorger. Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen, die Ergebnisse werden wir dann am 3. Mai präsentieren.

«Entwicklung weiter unterstützen»

Der Ford Focus bei der Präsentation im Januar 2010 in Detroit
Der Ford Focus in Detroit dpa

Autogazette: Rita Forst von Opel hat eine Zusammenarbeit der Hersteller bei der Batterietechnologie angemahnt. Inwieweit gibt es eine Bereitschaft der Hersteller, Synergien zu bündeln?

Mattes: Das kommt darauf an, wie man den Begriff Zusammenarbeit gestaltet. Sicherlich kann man bei Grundlagenforschung oder Ladekapazitäten die Kräfte bündeln. Wenn es dann um das spezielle Package geht, werden die Hersteller sich auf die optimalen Lösungen für ihre Fahrzeuge konzentrieren, weil dort individuelle, Hersteller spezifische Voraussetzungen geschaffen werden müssen.

Autogazette: Inwieweit ist die Aussage von Verkehrsminister Ramsauer für die Durchsetzung der Elektromobilität hinderlich, der Incentives bei der Einführung von Elektrofahrzeugen ablehnt?

Mattes: Ich sehe zwei sinnvolle Ansatzpunkte, mit denen man der Elektromobilität zu mehr Durchsetzung verhelfen könnte: Zum einen muss die Entwicklung der Technologie weiter unterstützt werden. 500 Millionen Euro reichen eventuell nicht aus, um Deutschland hier als Welt-Leitmarkt zu positionieren. Das werden wir sehen, wenn wir die Ergebnisse der Arbeitsgruppen am 3. Mai diskutieren. Der andere Punkt: Wenn wir die Technologie marktreif haben, wird es sicherlich hilfreich sein, Kaufanreize zu schaffen, um der Technologie beim Verbraucher zum Durchbruch zu verhelfen.

Autogazette: Laufen wir nicht Gefahr, diese angepeilte Leitrolle zu verlieren, wenn andere Länder wie Frankreich schon jetzt Kaufanreize schaffen?

Mattes: Wenn wir an eine größere Menge von Elektrofahrzeugen denken, dann geht es darum, eine erschwingliche Elektromobilität anzubieten. Was nützt ein Kaufanreiz heute, wenn das Fahrzeug relativ teuer ist? Wir müssen nachhaltige Mobilität erschwinglich machen. Darauf wird es ankommen.

«Warten wir doch erst einmal ab»

Autogazette: Frankreich will in den nächsten Jahren mehrere Millionen Elektrotankstellen an öffentlichen Plätzen zur Verfügung stellen...

Mattes: ...prima. Warten wir doch erst einmal ab, was wir am 3. Mai zu berichten haben. Die Zielsetzung der Bundesregierung ist klar. Sie will nicht nur, dass wir eine Million Fahrzeuge bis 2020 auf die Straße bringen, sondern sie will auch, dass unser Land hier eine Weltführerschaft übernimmt und als Leitmarkt fungiert. Wenn man das will, muss man auch dementsprechend handeln.

Autogazette: Sie haben sich für eine spätere Abschaltung der Atomkraftwerke ausgesprochen. So groß wird der Strombedarf in den kommenden Jahren überhaupt nicht sein...

Mattes: ...für mich geht es langfristig darum, dass wir den Strom aus erneuerbaren Rohstoffen schaffen. Wenn es notwendig ist, dass wir mehr Strom benötigen und noch nicht soweit sind, aus Wind, Wasser und Sonne genügend Energie herzustellen, dann ist es meines Erachtens eine saubere Lösung, Kernkraftwerke für die Übergangsphase länger laufen zu lassen.

Autogazette: Wenn Elektroautos kommen sollen, was bringt es dann noch, 2013 auch Hybrid-Fahrzeuge anzubieten, deren Einsparpotenzial begrenzt ist?

Mattes: Das hängt von der Nutzung der Fahrzeuge ab. Wir sehen drei Stufen auf dem Weg zur Elektrifizierung: Zunächst die optimierten Verbrennungsmotoren, parallel die Hybridisierung mit all ihren Stufen mit Mild- oder Vollhybrid oder Start-Stopp, die bis zu 35 Prozent Kraftstoff einsparen können. Abschließend die volle Elektrisierung, die sehr stark auch von der Infrastruktur abhängen wird. Flankierende Maßnahmen sind Gas und Bioethanol.

Autogazette: Wird der Kunde bereit sein, sehr viele tausend Euro mehr für einen Hybridantrieb zu zahlen, um dann fünf Jahre später erneut in den Elektroantrieb investieren zu müssen?

Mattes: Das wird sehr stark von der Entwicklung der Kraftstoffpreise abhängig sein und auch davon, wie die Energiebilanz eines Hybridantriebs gegenüber einem Verbrennungsmotor ausschaut. Wenn es dann für einen Kunden Sinn macht, innerhalb von vier Jahren einen Hybrid zu nutzen, dann wird er es auch tun.

«Der Spielraum wird eng»

Der Focus RS Ford

Autogazette: Wie hoch schätzen Sie die Schmerzgrenze der Privatkunden ein, mehr für ein Elektrofahrzeug zu bezahlen?

Mattes: Es gibt eine relativ gute Einschätzung hinsichtlich der Preissensibilität der Privatkunden in Bezug auf Kraftstoff sparende Technologie. Das ist der Preis, den ein Dieselaggregat gegenüber einem Benziner hat, also zwischen 1000 und 2000 Euro. Darüber hinaus wird der Spielraum sehr eng. Dann bekennt man sich dazu, ist aber nicht bereit, so viel Geld mehr auszugeben.

Autogazette: Das heißt, es wird bei den Elektrofahrzeugen auf Leasingmodelle statt auf Kauffahrzeuge hinauslaufen?

Mattes: Richtig. Zumal ja Leasing oder Finanzierung schon heute im zunehmenden Maße eine Rolle spielen bei den Verbrauchern. Das Auto hat immer noch einen hohen Stellenwert, aber es darf das Haushaltsbudget nicht zu stark belasten.

Autogazette: Derzeit stehen Kooperationen hoch im Kurs. Strebt Ford eine ähnliche Lösung wie kürzlich Daimler und Renault-Nissan an oder bleibt Ford allein in Zukunft?

Mattes: Wir haben sehr erfolgreiche Kooperationen mit PSA im Dieselmotorenbereich, mit Getrag im Getriebebereich. Unsere One-Ford-Strategie ist klar geprägt davon, dass wir uns auf die Kernmarke Ford fokussieren wollten - und das weltweit. Das hat dazu geführt, dass wir uns von anderen Marken getrennt haben. Wir gehen Kooperationen dort ein, wo sie Sinn machen. Zum Beispiel im Kleinstwagensegment mit Fiat. Derzeit haben wir keine Planungen, weitere Kooperationen einzugehen.

Autogazette: Schauen Sie neidisch zu Jaguar und Land Rover hinüber, die derzeit ihre Absätze steigern? Wurde das Unternehmen zu früh verkauft?

Mattes: Wir freuen uns, wenn die beiden Marken, die jahrelang zu unserem Konzern gehört haben, sich positiv entwickeln.

«Umsetzung trägt Früchte»

Autogazette: Fiat-Chef Sergio Marchionne hat davon gesprochen, dass in mittelbarer Zukunft nur noch sechs Hersteller auf dem Markt vertreten sein werden. Wird Ford dazugehören?

Mattes: Da bin ich ganz sicher. Wir haben eine gute Strategie, deren Umsetzung positive Früchte zeigt. Die Ford Motor Company hat im Gesamtjahr 2009 einen operativen Gewinn von 454 Millionen erzielt. Das zeigt, dass unsere Restrukturierungsmaßnahmen, die wir umgesetzt haben, erfolgreich sind. Und es zeigt auch, dass unsere Produkte erfolgreich sind. Die Reputation der Marke hat gewonnen. Das hat weiter dazu geführt, dass wir in keinem Land der Erde Staatshilfen benötigt haben, sondern eigenständig unsere Restrukturierung durchgeführt haben.

Autogazette: Andere Hersteller buhlen derzeit um Staatshilfen. Wie wettbewerbsverzerrend sehen Sie diese aktuellen Gespräche um Staatshilfen?

Mattes: Wenn ein Unternehmen Gelder direkt bekommt oder an Gelder herankommt, die staatlich verbürgt sind, dazu noch günstig, und ein anderes Unternehmen nicht, dann ist es automatisch eine Wettbewerbsverzerrung. Es ist auch verzerrend, wenn Restrukturierungen von Unternehmen selbst umgesetzt worden sind und eine notwendige Restrukturierung jetzt bezahlt oder unterstützt wird. Es ist auch Wettbewerb verzerrend, wenn ein Unternehmen im Markt aggressiv mit Preissenkungen agieren kann, weil es die entsprechenden Mittel hat. All das darf meiner Ansicht nach nicht stattfinden. Das ist nicht akzeptabel. Wir sind sehr dafür, wenn der Staat im Sinne einer offensiven Technologiestrategie allen Herstellern die Möglichkeit gibt, sich zum Beispiel im Rahmen Elektromobilität an Projekten zu beteiligen, die staatlich gefördert sind. Oder die europäische Investitionsbank Kredite für Projekte gibt, die allen zugänglich sind. Das ist in Ordnung.

Autogazette: Das heißt, ein mögliches Aus von Opel würde ihnen leid tun...

Mattes: Ich impliziere mit meinen Aussagen nicht das Aus eines Herstellers. Für mich ist entscheidend, dass die Regeln des freien und fairen Wettbewerbs stets erhalten bleiben. Dem muss sich jeder stellen.

Autogazette: Sie selbst fordern aber gerade eine Staatsbürgschaft von 160 Millionen Euro für die Umstellung der Produktion auf den emissionsarmen EcoBoost-Benzinmotor. Widersprechen Sie sich damit nicht selbst?

Mattes: Wir fragen nicht nach direkter finanzieller Hilfe. Es geht lediglich um die Absicherung eines Kredites der Europäischen Investitionsbank, der aus einem allen Herstellern offenstehenden Kreditvolumen zur Finanzierung der Entwicklung und Fertigung von Zukunftstechnologien ausgereicht wird. Die Bürgschaft ist aufgrund unseres aktuellen Kreditratings erforderlich, der Kredit ist verzinslich und rückzahlbar.

Das Interview mit Bernhard Mattes führten Thomas Flehmer und Frank Mertens

Vorheriger ArtikelNicht zu tief
Nächster ArtikelVW stärkt Position von Porsche
Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

Keine Beiträge vorhanden