Wasserstoff-Autos bereit für Serienreife

Markteinführungen ab 2015 erwartet

Wasserstoff-Autos bereit für Serienreife
Hersteller wie Opel sind bei der Wasserstoff-Technik schon weit vorangeschritten. © AG/Flehmer

Die ersten Wasserstoff-Autos stehen vor dem Anfang der Serienproduktion. Bis sich die Technologie auf den Straßen durchgesetzt hat und auch bezahlbar ist, werden noch einige Jahr(zehnt)e vergehen.

Seit Jahrzehnten gilt Wasserstoff für die Autoindustrie als hoch interessanter Energieträger. Er macht Fahrzeuge mit Brennstoffzelle zu Saubermännern, weil aus dem Auspuff nur noch Wasserdampf entweicht. Kein Kohlendioxid, keine Stickoxide, keine Partikel werden in die Luft gepustet. Doch zu kaufen gibt es Wasserstoffautos bislang nicht, obwohl Hersteller wie Honda, Mercedes oder Opel seit Jahren einwandfrei laufende Testwagen auf den Straßen haben. Das soll sich bald ändern: Für 2015 plant Toyota die Markteinführung eines Brennstoffzellenautos für Privatkunden - in Deutschland und dem Rest der Welt.

Toyota FCV-R bei 100.000 Euro

Die Technologie hat das Zeug, die individuelle Mobilität zu revolutionieren. Bei Toyota betrachtet man Brennstoffzellenautos sogar als höheres Ziel: Hybridautos wie der hauseigene Prius oder auch batteriebetriebene Elektroautos gelten bei den Japanern nach Auskunft von Pressesprecher Dirk Breuer nur als eine Art Zwischenstation in der Automobilgeschichte. Allerdings geschehe ein Wechsel bei grundlegend neuen Antriebstechnologien nicht innerhalb von zwei, drei Jahren - das dauere eher 20 bis 30 Jahre.

In rund zwei Jahren soll es zumindest losgehen: Ab dann sollen die ersten 10.000 Exemplare einer Serienfassung des 2012 auf dem Genfer Salon vorgestellten Konzeptfahrzeugs Toyota FCV-R an zahlungskräftige Kunden ausgeliefert werden. Irgendwo unter 100.000 Euro dürfte sich der Preis für die Limousine einpendeln, sagt Breuer. Zu technischen Daten hüllt sich Toyota noch in Schweigen.

Keine Angst vor fehlender Reichweite

Toyota testet mit dem FCHV Toyota

Mit einem Forschungsfahrzeug, das sechs Kilogramm Wasserstoff in vier Tanks unter einem Druck von 700 bar an Bord hat, sind Testfahrer 650 Kilometer weit gekommen. Damit wäre das Hauptproblem der Elektromobilität gelöst: die Reichweite. Und selbst das Tanken ist kein stundenlanger Ladeprozess, sondern dauert nicht länger als bei einem Benzin- oder Dieselmodell.

Auch Wasserstoffautos werden von Elektromotoren angetrieben - sofern nicht ein Verbrennungsmotor wie beim BMW Hydrogen 7 zum Einsatz kommt. Sie funktionieren dennoch anders als herkömmliche batteriebetriebene E-Fahrzeuge. An Bord ist in aller Regel eine Brennstoffzelle, die wie ein kleines Kraftwerk den Strom für den Antrieb produziert. Verbaut ist oft noch eine Batterie, die zurückgewonnene Bremsenergie als Elektrizität speichert, um damit elektrische Verbraucher zu versorgen und den Antrieb zu unterstützen.

Hoher Energieaufwand beim Tiefkühlen

Der Tankvorgang dauert nur drei Minuten dpa

Das Funktionsprinzip einer Brennstoffzelle basiert auf der Umkehrung der Elektrolyse von Wasser. Dabei oxidiert der Wasserstoff durch Zuführung von Sauerstoff, wobei Wasser und Strom entstehen. Der Vorteil: Es kann in der Regel pro Tankfüllung Elektrizität für 500 Kilometer und mehr Reichweite erzeugt werden. Es gibt also nicht den limitierenden Faktor Batterie, der bei herkömmlichen E-Autos aktuell nur Reichweiten von rund 150 Kilometern zulässt.

Gelagert wird der Wasserstoff in Tanks entweder flüssig bei minus 273 Grad Celsius oder gasförmig unter hohem Druck. Die meisten Testwagen verfügen über einen Drucktank. «Beim Tiefkühlen ist der Energieaufwand zu hoch», sagt Toyota-Sprecher Breuer. Und nach einigen Tagen sei der Tank leer, weil das flüssige Gas gasförmig werde und über Ventile ausströme. «Bei 700 bar Druck aber sind übliche Standzeiten möglich, ohne dass Wasserstoff entweicht.»

Weltumrundung mit Mercedes B-Klasse F-Cell

Mercedes umrundete mit der B-Klasse F-Cell die Welt Mercedes

Angesichts solcher Vorteile ist die Brennstoffzelle in den Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller längst kein Geheimtipp mehr. Toyota forscht seit 1991 am Thema Wasserstoff, Nissan, General Motors und Opel sowie Ford sind mit von der Partie. Und Daimler begann in den 1980er Jahren mit der Forschung, wie Madeleine Herdlitschka, Sprecherin für Umweltthemen im Konzern, erklärt.

2011 schickte Mercedes die B-Klasse F-Cell auf eine Weltumrundung, seit 2009 wird das Fahrzeug in einer Kleinserie produziert - «unter Serienbedingungen», heißt es bei Mercedes, um den Reifegrad der Technologie zu unterstreichen. Einige Hollywoodstars sind bereits mit dem Auto unterwegs. Beim Thema Markteinführungstermin hält sich das Unternehmen allerdings bedeckt, nachdem 2014 schon einmal als Zielmarke galt. «Vor 2020» - nur so viel lässt sich Herdlitschka derzeit entlocken.

Honda mit FCX Clarity als Vorreiter

Bereits an Privatkunden verleast hat Honda ein Wasserstoffauto - allerdings nur in den USA und Japan. Der FCX Clarity war 2008 laut Hersteller das weltweit erste Brennstoffzellenauto, das in Serienproduktion ging. Nissan will mit der SUV-Studie Terra belegen, zusammen mit dem Partner Daimler Brennstoffzellenfahrzeuge produzieren zu können. Und Hyundai macht seit kurzem Nägel mit Köpfen.

Seit Ende 2012 produzieren die Koreaner mit dem ix35 FCEV ein Wasserstoffauto mit 100 kW/136 PS und einer Reichweite von knapp 600 Kilometern. Es beschleunigt in 12,5 Sekunden auf 100 km/h und erreicht maximal 160 km/h. Abgegeben wird das Auto bislang jedoch nur an kommerzielle Leasingnehmer in Korea. Bis 2015 sollen nach Auskunft von Sprecher Thomas Rauh jährlich immerhin 1000 Einheiten vom Band rollen. Anschließend ist ein Volumen von 10 000 Stück angepeilt.

VW peilt 2025 an

Die Pläne der Autobauer legen nahe: Wasserstoff gilt als potenzielle Lösung der Mobilitätsprobleme von morgen, wenn das Erdöl zur Neige geht. Doch es gibt einen Haken: Die Herstellung von Wasserstoff, das in der Natur nicht pur vorkommt, ist energieaufwendig. «Momentan wird Wasserstoff hauptsächlich aus Erdgas erzeugt», schreibt Honda. Damit wäre die Mobilität der Wasserstoffautos doch nicht so blitzsauber, da bei der Produktion des Treibstoffs Schadstoffe anfallen.

Doch Wasserstoff kann per Elektrolyse auch aus Wasser hergestellt werden. Damit das sauber vonstattengeht, muss der dazu benötigte Strom allerdings regenerativ erzeugt werden. «Man könnte Wasserstoff gut in sonnenreichen Regionen über Solarpanel herstellen oder per Windkraft dort, wo es oft stürmt», sagt VW-Sprecher Hartmuth Hoffmann. Die Wolfsburger betreiben aktuell eine Testflotte des Tiguan HyMotion in den USA und Deutschland. Mit der Serienproduktion eines eigenen Brennstoffzellenautos ist bei VW allerdings erst ab 2025 zu rechnen - mangels Infrastruktur für potenzielle Fahrer.

Knackpunkt Infrastruktur

Dass es längst noch nicht genügend Wasserstofftankstellen gibt, bestätigt auch die Konkurrenz. Hyundai-Sprecher Rauh sagt, eine Markteinführung des ix35 FCEV in Europa hänge von der Zahl der Zapfsäulen und wegen der hohen Anschaffungskosten von staatlichen Förderprogrammen ab. Toyota-Sprecher Breuer meint: «Wenn es wie derzeit nur um die 20 Tankstellen gibt, wird das Wasserstoffauto an Privatleute in Deutschland schwer zu verkaufen sein.»

Doch es gibt Pläne, das Problem zu beheben. So will die Clean Energy Partnership (CEP), ein Zusammenschluss von internationalen Unternehmen unter anderem aus der Energie-, Mineralöl- und Autobranche, in Deutschland bis 2015 das Versorgungsnetz auf 50 Zapfstationen ausbauen. «Das wäre ausreichend, um jeden Ort in Deutschland mit einem Brennstoffzellenauto ohne große Umwege zu erreichen», ist Mercedes-Sprecherin Herdlitschka überzeugt. (dpa/tmn)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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