Mörderisches Insekt von Benelli: Mutiger Supersportler TnT 1130

Benelli hat mit der TnT 1130 bereits den zweiten Supersportler ins Programm aufgenommen. Der Dreizylinder-Motor entwickelt besonders im unteren Drehzahldrittel erstaunlichen Vortrieb.

Thilo Kozik

An der Benelli TnT 1130 konnte sich Designer Adrian Morton so richtig ausleben. Vorn irritiert die futuristische, viergeteilte Insektenfront, hinten lugt ein dicker Schalldämpfer mittig aus dem Heck, flankiert von zwei mit je neun LEDs besetzten Rückleuchten. In der Mitte dominiert pure Mechanik mit dem markanten Benelli-Rahmen sowie einem prächtig zur Schau gestellten Dreizylinder-Motor.

«Mutig» ist das geringste Attribut für diese sehr eigenständige Kreation aus Italien - eine Mischung aus Bimota Mantra, MV Agusta Brutale und Aprilia Tuono. Mit der TnT stellt der kleine Hersteller aus Pesaro an der Adriaküste seinem Supersportler Tornado ein zweites Modell an die Seite.

Dicker Hinterreifen auf Gitterrohrschwinge

Der Scheinwerfer erinnert an einen Insektenkopf. Foto: Benelli

Technisch gesehen weist die TnT die gleichen Grundzüge auf, auch ihr verleiht der exklusive Brückenrahmen aus gewundenen Stahlrohren, die in Leichtmetall-Gussteilen stecken, eine extreme Stabilität. Neu ist der aus drei gegossenen Alu-Teilen geschraubte Hilfsrahmen, der das Heck hält. Vor allem die ansehnliche Gitterrohrschwinge aus Stahlrohren besticht. Sie führt den fetten 190er Dunlop-Pneu.

Angetrieben wird die TnT wie die Tornado von einem komplett überarbeiten Dreizylinder mit zwölf Ventilen. So wurden die Brennkammern neu gestaltet und sind nun perfekt halbkugelförmig. Die vollständigere Verbrennung entlässt die Abgase auch ohne Katalysator im Auspuff Euro-2-gemäß.

Längere Hubzapfen bescheren bei kürzeren Pleueln 62 statt 49,2 Millimeter Hub bei unverändert 88 Millimeter großer Bohrung, das erhöht den Hubraum auf satte 1131 Kubik. Neue Schmiedekolben gehen in Nikasil-beschichteten Laufbahnen auf und ab, die Ausgleichswelle musste angepasst werden.

Spitzenwert von 135 PS

Längere Ansaugkanäle, modifizierte Nockenwellen und die leicht erhöhte Verdichtung (11,5:1 anstelle 11,1:1) sorgen zusammen mit angepasstem Mapping für eine drehmomentorientierte Auslegung des Triples. Alles in allem beschert dies Spitzenwerte von 135 PS und 118 Newtonmeter - mehr als genug, um mit einem Naked Bike Spaß haben zu können.

Auf ein stilprägendes Merkmal der Tornado verzichtete Adrian Morton bei der TnT: Statt der innovativen Lage unterm Sitz finden sich zwei Kühler an der Seite. Dank dieser Positionierung sitzt der Fahrer in bodenständigen 780 Millimeter Höhe, die schmale Sitzbank erlaubt prima Knieschluss, die konifizierte Ergal-Lenkstange liegt sehr gut in der Hand. Das erlaubt eine gute Fahrzeugkontrolle und macht die TnT leicht manövrierbar.

Mit dem Zündschlüssel gibt es Fummelei. Foto: Benelli

Vor dem Start muss der Zündschlüssel in das tief liegende Schloss hinein gefummelt werden, dann gibt der Druck auf den Knopf ein unglaubliches Klangerlebnis preis. Charakterstark und fordernd dröhnt es aus dem zentralen Endschalldämpfer, dass sich einem schon im Stand die Nackenhaare aufstellen. Nach den ersten Metern ist klar: Diese Antriebseinheit mag weniger Spitzenleistung als die Tornado absondern, doch der Druck im unteren Drehzahldrittel ist nicht nur deutlich besser, die imposante Vortriebsentwicklung bei 3000 Touren flößt Respekt ein.

Ab 5000 U/min legt die TnT noch ein Schüppchen nach, begleitet von herrischem Bellen aus dem elliptischen Rohr. Hier kommen zwei elektronisch gesteuerte Klappen ins Spiel: Eine gibt im Sammler den Durchlass drehzahlabhängig frei für optimalen Drehmomentverlauf im unteren und mittleren Tourenbereich frei, im Ansaugtrakt steuert ein zweites Klappensystem die Luftzufuhr entsprechend.

Kritik erntet das abrupte Ansprechen der Einspritzanlage, das zusammen mit Spiel im Antriebsstrang für ruckartige Aktionen sorgt. Das stört besonders in engen Haarnadelkurven. Kann der Drilling frei drehen, wird fröhlich im exakt und sanft bedienbaren Sechsganggetriebe hochgeschaltet, allein die Leerlaufsuche ist manchmal nicht so einfach und die stramme Kupplung verlangt nach hartem Muskeleinsatz. Trotz Ausgleichswelle machen sich akzeptable Vibrationen bemerkbar.

Keine Probleme mit der Stabilität bei Hochgeschwindigkeit und ausreichend handlich im Kurventerrain - die TnT ist kein ultrascharfes Handlingwunder mit lasergenauer Lenkpräzision, doch auf flotten Landstraßen macht diese Mischung einen höchst erquickenden Eindruck.

Kein Windschutz montiert

Nur aufs Auskosten der angegebenen Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h kann man mangels Windschutz gut verzichten. Nicht jedoch auf entsprechende Stopper - die Brembos der goldenen Serie sind bissfest, verzögerungssicher und Vertrauen erweckend, aber ohne jenen Aha-Effekt, den radial montierte Vierkolben-Festkolbensättel der aktuellen Supersportler erzielen. Zusammen mit dem nur teilweise einstellbaren Fahrwerk ist dies der Grund dafür, dass die TnT mit knapp 13.000 Euro in einer vergleichsweise bezahlbaren Preisregion bleibt.

Wie explosiv diese Mischung aus einzigartigen Formen, exklusivem Antrieb und eigenständigem Charakter wirklich ist, verrät die Auflösung des Kürzels: TnT steht nicht nur für Tornado naked Tre, es ist auch das chemische Kürzel für Trinitrotoluen, einen höchst wirksamen Sprengstoff.

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